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Marco Buschmann zur Familie der Zukunft„Unsere Reform kann helfen, Streit in Trennungsfamilien zu vermeiden“

Lesezeit 6 Minuten
Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz

Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz

Marco Buschmann will Unterhaltszahlungen für Trennungskinder neu regeln. Im Interview spricht der Bundesjustizminister aber auch über viele weitere Themen.

Wie sieht die Zukunft der traditionellen Familie aus? Marco Buschmann will Unterhaltszahlungen für Trennungskinder neu regeln. Im Interview mit Lucas Wiegelmann spricht der Bundesjustizminister aber auch über das Ringen mit Boris Pistorius um die Zukunft der Bundeswehr und die FDP-Idee, den Sozialstaat zu kürzen.

Herr Buschmann, wenn es um die Stimmung in der Ampel geht, ist die Rede von „schwierigem Beziehungsstatus“ und von „Chaostagen“. Während der EM wurde sogar ein „Füllkrug-Moment“ gefordert. Welche Ampel-Metapher finden Sie am nervigsten?

Mit Sprachkritik halte ich mich nicht auf. Wir müssen als Bundesregierung unsere Arbeit machen. Dafür müssen wir nicht alle miteinander befreundet sein. Bislang ist in unserem Land noch keine Koalition ohne regelmäßigen Streit ausgekommen. Zugegeben: Wir tragen diese Streitigkeiten oft besonders transparent aus. Doch solange es um ein möglichst gutes Ergebnis geht, ist Streit in Ordnung. Schlimm ist es nur, wenn der Eindruck von Selbstdarstellung entsteht.

Sie haben im Juli mit Christian Lindner einen Brief an Boris Pistorius geschrieben, in dem Sie dessen Wehrdienst-Reform zurückweisen. Dieser Brief landete in den Medien, während Pistorius in den USA war. Was soll das anderes sein als Selbstdarstellung?

Die FDP setzt sich in der Bundesregierung mit Kräften dafür ein, dass die Bundeswehr gestärkt wird. Christian Lindner selbst hat die Idee eines Sondervermögens für die Bundeswehr mitentwickelt und umgesetzt. Wir wollen die Reserve und die Attraktivität des Soldatenberufs stärken. Zugleich sind wir davon überzeugt: Beim heutigen Zuschnitt der Bundeswehr müssen wir mit Freiwilligkeit arbeiten. Eine Zwangsrekrutierung wäre falsch. Sie führt zu Fragen der Wehrgerechtigkeit. Zudem fehlen Ämter und Kasernen für eine Wehrpflichtarmee. Diese rote Linie haben wir frühzeitig markiert, um sicherzustellen, dass unsere Position auch gehört wird. Es soll ja schon vorgekommen sein in der Politik, dass einzelne vorpreschen und Fakten schaffen – und diskret vorgetragene Bedenken zur Seite drängen.

Ein anderes Thema, über das es in der Ampel Ärger gibt, ist das Bürgergeld. Der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai findet, es sollte niedriger werden. Das zuständige Arbeitsministerium verweist darauf, dass sich die Höhe aus der Gesetzeslage ergibt. Was sagt der Jurist Marco Buschmann?

Das Bundesverfassungsgericht hat klar gesagt: Der Regelsatz muss hoch genug sein, damit ein menschenwürdiges Existenzminimum für jeden Menschen in Deutschland gewährleistet ist. Daran gibt es nichts zu rütteln. Allerdings stellt sich die Frage, nach welcher Methode der entsprechende Geldbetrag ermittelt wird. Wir haben mit breiter Mehrheit im Parlament einschließlich der Stimmen der Union beschlossen, dass in Zeiten einer rasch ansteigenden Inflation eine zügigere Anpassung möglich sein muss. Bei der Bekämpfung der Inflation waren wir zum Glück erfolgreicher, als die Experten erwartet haben. Fachleute haben vor diesem Hintergrund ausgerechnet, dass der neu geltende Satz zwischen 14 und 20 Euro zu hoch ist, wenn man ihn an der Inflationsentwicklung misst. Das empfinden viele als ungerecht in einer Zeit, in der das öffentliche Geld knapp ist und sich auch viele Menschen finanziell einschränken müssen, die regulär arbeiten gehen.

Das heißt, das Arbeitsministerium irrt sich?

Die geltende Rechtslage verbietet Absenkungen. Hier hat das Ministerium recht. Verfassungsrechtlich zulässig wäre es aber, das entsprechende Gesetz zu ändern.

Und wäre es gut, das zu tun?

Ich glaube, dass unsere Gesellschaft viel Solidarität zeigt. Wir haben einen sehr gut ausgebauten Sozialstaat. Das ist eine unserer Stärken, und darauf können wir stolz sein. Zugleich dürfen wir aber nicht die Solidarität mit denjenigen Menschen vergessen, die in unserem Land arbeiten, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bezahlen und so unseren Sozialstaat finanzieren. Die Solidarität auch mit diesen Menschen müssen wir stärken.

Bis zum Ende der Legislaturperiode will die Ampel auch das Familienrecht liberalisieren. Sie wollten im ersten Halbjahr 2024 die Entwürfe für ein Kindschafts- und Abstammungsrecht vorlegen. Wann kommen die?

Spätestens am Ende der Sommerpause will ich drei große familienrechtliche Gesetzentwürfe vorlegen: für die Reform des Kindschaftsrechts, des Unterhaltsrechts und des Abstammungsrechts. Im Familienrecht sind in den letzten Jahrzehnten viele notwendige Modernisierungen ausgeblieben. Das wollen wir nachholen. Nehmen Sie das Thema Unterhaltsrecht. Viele Partnerschaften gehen heutzutage auseinander. Oft haben beide Eltern das Bedürfnis, sich auch nach einer Trennung weiterhin um das Kind zu kümmern. Das derzeitige Unterhaltsrecht geht aber immer noch von dem Muster aus: Einer betreut, einer zahlt. Ein Vater, der dreißig oder vierzig Prozent der Betreuung übernimmt, muss mitunter genauso viel Unterhalt zahlen wie ein Vater, der gar keine Betreuungspflichten übernimmt. Das ist eine große Ungerechtigkeit. Die wollen wir beseitigen.

Wer substanziell bei der Erziehung mitmacht, soll weniger Unterhalt zahlen müssen. Dadurch steigern Sie aber das Risiko, dass getrennte Paare erst recht um die Betreuung streiten. Dann geht es nicht nur um Zeit mit dem Kind, sondern auch ums Geld.

Das Gegenteil ist richtig: Unsere Reform kann dabei helfen, Streit in Trennungsfamilien zu vermeiden. Denn gerade die Ungerechtigkeit des geltenden Rechts verursacht viel Frust und Streit. Es ist doch niemandem begreiflich zu machen, wenn es für die Unterhaltspflicht eines Elternteils keinen Unterschied macht, ob er das Kind an drei Tagen pro Woche betreut oder nur an jedem zweiten Wochenende. Im schlimmsten Fall hält das Eltern sogar davon ab, sich bei der Betreuung ihrer Kinder stärker zu engagieren. Dabei ist es regelmäßig im Interesse des Kindes und im Interesse beider Eltern, wenn beide Eltern sich nach einer Trennung um ihre Kinder kümmern.

Finden Sie, dass die klassische Familie aus Mann, Frau und Kindern noch eine besondere Privilegierung verdient?

Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Das Verständnis von Ehe und Familie – auch das des Grundgesetzes – ist heute allerdings weiter als noch in den 1950er- oder 1960er-Jahren. Diesem gesellschaftlichen und verfassungsrechtlichen Wandel muss die Politik Rechnung tragen. Zugleich sollten wir unterschiedliche Familienformen nicht gegeneinander ausspielen. Viele Menschen wünschen sich nach wie vor eine Familie aus Mann, Frau und Kindern mit Trauschein: eine Konstellation, mit der ich auch groß geworden bin. Daran ist nichts rückständig oder überholt. Das ist etwas Wunderbares und der Traum vieler Menschen. Das steht aber nicht im Widerspruch dazu, dass es auch passende Regeln für andere Formen des Zusammenlebens geben muss – zum Beispiel für Patchworkfamilien, Paare ohne Trauschein oder Trennungsfamilien. Sie gehören genauso zu unserer Gesellschaft und haben einen Anspruch darauf, dass das Recht auch ihre Lebenssituation sieht.

Die Ampel leidet unter dem Klischee, dass sie nur Politik für progressive Eliten mache. Wenn man sich anschaut, was Sie voranbringen, stimmt das Klischee schon, oder?

Einspruch! Trennungs- oder Patchworkfamilien gibt es heutzutage überall und in allen sozialen Schichten. Unsere Pläne für das Familienrecht sind für Menschen in Ostfriesland genauso relevant wie für Menschen in Berlin. Hier geht es um die Interessen von Millionen von Menschen. Im Übrigen kümmern wir uns auch intensiv um sehr viele andere drängende Fragen – zum Beispiel um den Abbau von Bürokratie, um solide Staatsfinanzen oder um Fortschritte bei der Digitalisierung. Und vergessen wir nicht: Diese Bundesregierung hat eine beispiellose Energiekrise bewältigt und erfolgreich die Inflation gestoppt. Das war und ist Politik für alle Menschen in Deutschland.