Zeit zum langen Innehalten gibt es für Merz nicht. Aber tief durchatmen und gründlich überlegen, wie es weiter geht – das darf der künftige Kanzler schon.
Nach der WahlNoch-nicht-Kanzler Friedrich Merz greift gleich zweimal daneben
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Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, gibt vor der konstituierenden Sitzung der neuen Unionsfraktion im Bundestag ein Statement.
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Beim Versuch, nach der Wahl Stärke zu zeigen, hat Noch-nicht-Kanzler Friedrich Merz schon zweimal daneben gegriffen. Dass er sofort eine Liste ins Kanzleramt schickte, auf der steht, was Olaf Scholz jetzt alles nicht mehr tun dürfe, ist nicht demütig, sondern hochmütig und eine Unverschämtheit gegenüber dem amtierenden Regierungschef und dem erhofften künftigen Regierungspartner SPD.
Und dass er eine Reform der Schuldenbremse noch durch den alten Bundestag ins Spiel brachte, wirkte regelrecht unseriös. Im Wahlkampf der Frage immer ausweichen, um nach der Wahl Fakten zu schaffen, bevor der neue Bundestag übernimmt: Das offenbart ein merkwürdiges Demokratieverständnis und spricht dem eigenen Anspruch Hohn, endlich Prioritäten zu setzen.
Nein, Zeit zum langen Innehalten gibt es für Merz sicher nicht. Aber tief durchatmen und gründlich überlegen, wie es weiter geht, also besonnen vorgehen, das darf der künftige Kanzler schon.
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Sozialdemokraten zum Weiterregieren verdonnert
Geradezu brutal ist die Lage für die SPD. Vom Wähler und von Merz gedemütigt, zugleich zum Weiterregieren verdonnert. Denn wenn sich die Genossen jetzt wegducken, müsste Merz mit der AfD regieren. Dann würde es heißen, die Sozialdemokraten seien schuld.
Da Scholz politisch erledigt ist, Co-Parteichefin Saskia Esken das Format fehlt und Boris Pistorius in erster Linie Verteidigungsminister bleiben will, ist Lars Klingbeil mit seinen 47 Jahren zum Kraftzentrum der SPD geworden. Gut, dass er sich der Aufgabe stellt und an diesem Mittwoch auch den Fraktionsvorsitz übernimmt. Maximale Führungsstärke wäre es allerdings gewesen, nach abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen einen Parteitag entscheiden zu lassen. Den Mut hat Klingbeil nicht aufgebracht. Nun wird wieder die Basis befragt.
Man kann also in Koalitionsverhandlungen die Daumenschrauben für Merz anziehen, damit die SPD-Mitglieder den Daumen nicht senken und Schwarz-Rot scheitern lassen. Das birgt ein gehöriges Risiko.
Die Ausgangslage nach der Wahl ist jedenfalls gut und kompliziert zugleich. Es reicht für eine stabile Zweiparteienregierung der Mitte. Aber es braucht auf beiden Seiten auch den echten Willen, einen gemeinsamen Plan für Deutschland zu schmieden. Vor allem das eigene Ego zu polieren oder sich hinter den Mitgliedern zu verstecken, wäre beides nicht zielführend.