Die Union fordert Maßnahmen zur Eindämmung der Migration nach Deutschland. Zuletzt hat sich sogar Alt-Bundespräsident Gauck entsprechend geäußert. Grünen-Politikerin Katharina Dröge fordert eine sachliche Debatte.
Interview zur MigrationIst die Belastungsgrenze überschritten, Frau Dröge?
Steigende Flüchtlingszahlen setzen die Ampel-Koalition unter Druck. Viele Kommunen sind an der Belastungsgrenze. Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge (39), die ihren Wahlkreis in Köln hat, sieht sie aber nicht überschritten, sagt sie im Interview mit Rena Lehmann. Kann sich Deutschland die Aufnahme von noch mehr Migranten erlauben?
Frau Dröge, Deutschland ist in Europa Zielland Nummer eins für Asylbewerber. Ist die Belastungsgrenze überschritten?
Für mein Handeln ist die wichtigste Frage, wie wir es gut gemeinsam schaffen. Wenn Menschen zu uns kommen, die einen Rechtsanspruch auf Asyl haben, dann sind wir verpflichtet, ihnen diesen auch zu gewähren. Wir müssen die Kommunen dauerhaft bei dieser Aufgabe unterstützen. Es gibt viele Landkreise, wo es gut funktioniert. Der Bund muss dabei allerdings mehr verlässliche finanzielle Unterstützung leisten. Dafür setzen wir Grünen uns ein. Wir müssen außerdem die Ausländerbehörden von unnötiger Bürokratie entlasten.
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Viele sagen aber inzwischen: Wir schaffen das nicht mehr.
Wir müssen auch eine faire Verteilung in der Europäischen Union hinbekommen. Wir werben in der EU für einen verbindlichen Verteilungsschlüssel. Das ist relevant für die Frage, wie viele Geflüchtete nach Deutschland kommen. Mit Joachim Stamp von der FDP haben wir außerdem einen Beauftragten für Migrationsabkommen. Diese Migrationsabkommen sollen Verabredungen über die Rückführung derjenigen enthalten, die kein Bleiberecht haben. Und Vereinbarungen über legale Zugangswege auf der anderen Seite. Denn Europa braucht dringend Arbeitskräfte. Und wir hoffen, dass weniger Menschen den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer wählen.
Wie viele solcher Abkommen gibt es inzwischen?
Herr Stamp verhandelt gerade darüber. Noch ist kein neues abgeschlossen worden.
Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hat die Politik aufgefordert, neue Spielräume zu entdecken, die vielleicht unsympathisch klingen. Sind die Grünen bereit, Zuwanderung zu begrenzen?
Wir müssen die Debatte sachlich führen. Was bringen möglichst scharfe Thesen, die aber überhaupt nichts lösen? Wie sollte denn eine Obergrenze funktionieren? Was machen wir mit dem 200001. Menschen, der zu uns kommt und ein Anrecht auf Asyl hätte?
Man könnte das Asylrecht ändern, wie es jetzt manche vorschlagen…
Das Grundrecht auf Asyl ist nicht nur in der deutschen Verfassung, sondern auch im europäischen Recht und in der Genfer Flüchtlingskonvention verankert. Es war die gemeinsame Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg, Menschen, die vor Krieg und Verfolgung flüchten, Schutz zu gewähren. Das würde man infrage stellen, wenn man das Asylrecht derart aushöhlt. Ich will das nicht.
Gauck warnt vor einem weiteren Rechtsruck, wenn die demokratischen Parteien es nicht schaffen, Kontrolle und Sicherheit herzustellen. Hat er da einen Punkt?
Ich halte es für unverantwortlich, jetzt den Eindruck zu erwecken, dass es keine Sicherheit oder Handlungsfähigkeit gäbe. Es wurde gerade auf europäischer Ebene eine Reform der gemeinsamen Asylpolitik verabredet, die das Ziel hat, mehr Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. Wir Grünen wollen diese noch verbessern. Und obwohl diese Reform noch nicht mal in Kraft ist, werden schon wieder neue Forderungen laut. Es ist absolut falsch anzunehmen, wir kümmerten uns nicht um das Thema. Diese Reformen müssen erstmal wirken.
Sie nehmen für sich in Anspruch, Partei der Frauenrechte zu sein. Wird die Zuwanderung von überwiegend jungen Männern aus patriarchalen Gesellschaften zum Problem?
Es gibt für uns Grundwerte wie die Gleichberechtigung von Frauen. Die anzuerkennen erwarten wir von allen Menschen, die hier leben. Ansonsten tun wir viel dafür, dass Integration gelingt: Wir bieten ja auch Integrationskurse genau dafür, damit Menschen Teil unserer Gesellschaft werden. Und wir wissen: Wenn die jungen Männer Teil von Familien sind und arbeiten dürfen, gelingt Integration natürlich viel besser. Wir müssen das für viele Geflüchtete immer noch bestehende Arbeitsverbot aufheben sowie Wohnsitzauflagen erleichtern. Menschen, die schon Familienangehörige hier haben, sollten zu ihnen ziehen dürfen. Das sind doch die Antworten, die unser Land darauf geben muss.
Sollte das Begehen einer Straftat sich auf den Aufenthaltsstatus auswirken?
Das ist bei bestimmten schwerwiegenden Straftaten heute schon geltendes Recht. In ein Land abschieben, wo man mit dem Tode bedroht wird, ist nicht das, was das deutsche Recht vorsieht.
Ihre Meinung
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