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Interview

VW-Chef Oliver Blume
„Wir sehen Elektromobilität als gesamtgesellschaftliche Aufgabe“

Lesezeit 6 Minuten
Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG

Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG

Wann kommt der E-VW für 20.000 Euro, auf den viele Kunden seit langem warten? Und wird das EU-Verbrennerverbot wirklich 2035 umgesetzt?  VW-Vorstandschef Oliver Blume über die Zukunft der Branche

VW ist Niedersachsens wichtigster Arbeitgeber. Am Rande der Automesse in Shanghai gab es Gelegenheit für ein Interview mit Vorstandschef Oliver Blume. Darin stellt Blume das EU-Verbrennerverbot ab 2035 infrage, kündigt ein E-Auto für 20.000 Euro an und erklärt, warum auch sogenannte Range Extender für die Übergangsphase vom Verbrenner zum Stromer noch spannend werden könnten.

Herr Blume, ist die Zukunft des Autos wirklich elektrisch?

Die Zukunft des Autos bietet mehrere Antriebe, der Elektrische wird aber der maßgebende sein. Als Volkswagen-Konzern verfolgen wir unsere Elektrostrategie mit Tempo und Fokus, über alle Marken hinweg. Die Transformation der Mobilität entwickelt sich in den Regionen weltweit unterschiedlich schnell. Deshalb ist es wichtig, unseren Kundinnen und Kunden verschiedene Antriebsarten anbieten zu können: reine Elektroautos, reine Verbrenner, Plug-in-Hybride sowie E-Fahrzeuge mit Range Extender. Diese Range Extender sind kleine Verbrennungsmotoren, die in Elektroautos während der Fahrt die Batterie aufladen und so die Reichweite auf mehr als 1000 Kilometer ausdehnen können.

Range Extender sind ja nicht wirklich neu. Erlebt das Konzept einen verzögerten Durchbruch?

Mit dieser Technologie können sie Menschen ihre Reichweitenangst nehmen und den Einstieg in die E-Mobilität erleichtern. In China sehen wir als Brückentechnologie großes Potenzial für den Range Extender und bringen in 2026 einen ersten Volkswagen mit dieser Technologie auf den Markt. In den USA haben wir für die ersten E-Modelle der wiederbelebten Kultmarke Scout schon viele Vorbestellungen, die meisten Kunden wollen die Range-Extender-Variante. Auch für Europa könnte der Range Extender unter bestimmten technischen Voraussetzungen eine Option sein.

Shanghai: Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender des Volkswagen Konzerns, spricht während eines Medienabends von Volkswagen im Vorfeld der Auto Show.

Shanghai: Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender des Volkswagen Konzerns, spricht während eines Medienabends von Volkswagen im Vorfeld der Auto Show.

Aber auf Dauer werden sich reine Elektroautos durchsetzen?

Unserer Einschätzung nach: ja. Die Elektroantriebe machen große Freude. Ich fahre selbst vollelektrische Modelle des Volkswagen-Konzerns. In der Region Wolfsburg einen VW ID. Buzz, in der Region Stuttgart einen Porsche Macan und einen Cupra Born. Die Batterie-Technologien werden immer stärker, sodass bereits heute größere Strecken zurückgelegt werden können. In einigen Jahren werden wir hier weitere entscheidende Schritte sehen.

Was heißt „in einigen Jahren“?

Das wird regional gesehen sehr unterschiedlich sein. Das hängt zum Beispiel davon ab, welche Reichweiten es im jeweiligen Markt benötigt. Ob sie in Nordamerika lange Strecken über Highways fahren, hier in China in den großen Städten viel im Stau unterwegs sind oder in Europa Wert auf dynamische Fahrweise legen. Ein entscheidender Faktor ist auch, wie schnell die Batterien der Fahrzeuge laden. Auch hier sind wir technologisch auf einem top Niveau. LFP-Batterien, die hier in China bereits am Markt sind, können in rund zehn Minuten von 10 auf 80 Prozent geladen werden. Als Volkswagen-Konzern haben wir den Anspruch, zum globalen Technologie-Treiber zu werden. Batterie, Laden, Software – und natürlich mit starken Produkten bewährter Marken wie Volkswagen, Audi oder Porsche.

Wenn die E-Mobilität überlegen ist, ist das Zulassungsverbot für neue Diesel und Benziner in der EU ab 2035 dann okay? CDU und CSU wollen ja von ihrer Ankündigung, das sogenannte Verbrennerverbot zu kippen, nichts mehr wissen.

Wir sehen den Hochlauf der Elektromobilität als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und ich fange dabei gern bei uns selbst an. Unsere Aufgabe als Hersteller ist es, begeisternde Produkte zu attraktiven Preisen anzubieten. Der Volkswagen-Konzern liefert hier. Allein im vergangenen Jahr haben wir über alle Marken hinweg 30 neue Fahrzeuge in den Markt gebracht, etwa die Hälfte davon vollelektrisch angetrieben. 2024 waren wir in Europa bei den elektrischen Fahrzeugen mit Abstand Marktführer. Bei der IAA in München werden wir erstmals unsere Elektro-Kleinwagen von VW, Skoda und Cupra für jeweils rund 25.000 Euro vorstellen. Ein Jahr danach kommt ein Volkswagen für rund 20.000 Euro.

Macht die Politik denn ihre Hausaufgaben?

Der Hochlauf der E-Mobilität gelingt nicht allein mit den richtigen Autos. Auch die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Dazu gehören die Ladeinfrastruktur und die Energiepreise. Und es braucht eine verbindliche Förderung der E-Mobilität. Wenn alles zusammenspielt, entwickelt sich die Elektromobilität positiv – wie wir es in einigen Ländern der Welt bereits sehen.

Also braucht es kein EU-Verbrennerverbot?

Wir alle tragen Verantwortung für die Dekarbonisierung. Ich denke da in Chancen, nicht in Verboten. Am Ende entscheidet der Kunde. Wenn alle Rahmenbedingungen gegeben sind, wird die E-Mobilität erfolgreich sein. Wir brauchen auf dem Weg dorthin immer wieder Prüfpunkte, die sich an den Realitäten orientieren, wie schnell sich die E-Mobilität verbreitet. Und gegebenenfalls braucht es politisch flexible Übergangszeiträume.

Deshalb unterstützen wir als Volkswagen-Konzern den Vorstoß der EU-Kommission, einen dreijährigen Ausgleichsmechanismus für die CO2-Flottenziele von 2025 bis 2027 einzuführen. Kein Gramm an CO2-Einsparung zum Schutz des Klimas geht durch diese Maßnahme verloren. Zugleich bietet sie den Herstellern die Flexibilität, ihre CO2-Ziele zu erreichen. Es ist ein richtiger Realitätscheck. Das Gleiche brauchen wir bei künftigen Meilensteinen wie 2030 und 2035.

Union und SPD bleiben im Koalitionsvertrag zum Thema Elektromobilität sehr vage. Beunruhigt Sie das?

Auf keinen Fall. Wir sehen gute Ansätze. Die Steuern für E-Autos sollen gesenkt werden. Das ist ein positives Beispiel. Aus skandinavischen Ländern wissen wir, dass das sehr gut funktioniert. Wir werden natürlich mit der neuen Regierung im Gespräch bleiben und deutlich machen, welche Bedeutung die weitere Entwicklung der E-Mobilität hat: für Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Wohlstand in unserem Land. Es geht dabei auch um wettbewerbsfähige Energiepreise und den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Entlang der Autobahnen haben wir bereits ein gut ausgebautes Ladenetz – in den Städten und im regionalen Bereich gibt es Nachholbedarf. Menschen brauchen Verlässlichkeit, auch bei der Infrastruktur.

Mit Blick auf die versprochene Wirtschaftswende fällt die Bewertung des Koalitionsvertrages bei den meisten Ökonomen durch. Auch bei Ihnen?

Es stehen viele positive Themen im Koalitionsvertrag. Wichtig ist, dass politische Eckpfeiler gesetzt wurden. Diese müssen nun ausgestaltet werden. Für mich ist am Ende entscheidend, was tatsächlich erreicht wird. Hier kommt es auf den konkreten Umsetzungsplan an. Mit klaren Verantwortlichkeiten, klaren Zielen und messbaren Meilensteinen auf dem Weg dorthin. Gebraucht wird ein operatives Team, das die entscheidenden Themen vorantreibt. Wir bieten der künftigen Regierung unsere Unterstützung an. Ich glaube, dass unser Land pragmatisches Handeln und Geschwindigkeit beim Umsetzen benötigt. Einen wirtschaftspolitischen Aufbruch, um Deutschland in dieser herausfordernden geopolitischen Lage wieder zu alter wirtschaftlicher Stärke zu führen.

Aus Shanghai nach Osnabrück: Dort machen sich viele Mitarbeiter und Bürger Sorgen um das VW-Werk. Wie geht es damit weiter?

Ich kann nachvollziehen, dass die aktuelle Situation die Menschen besorgt. Wir haben immer wieder betont, dass eine nachhaltige Lösung für den Standort Osnabrück das Ziel sein muss. Eine Lösung, die die Interessen des Unternehmens und der Beschäftigten in Einklang bringt. Das nehmen wir sehr ernst und daran halten wir uns.