„Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen“, sagt der CDU-Chef über abgelehnte Asylbewerber in Deutschland. Ein Blick ins Gesetzbuch und ein Gespräch mit einem Zahnarzt zeichnen ein anderes Bild.
Rundschau-FaktencheckWas ist wirklich dran an Merz’ Asyl-Aussagen?
Der CDU-Chef provoziert in einer Talkshow mit Aussagen zu Leistungen für Asylbewerber. Friedrich Merz behauptete, abgelehnte Asylbewerber würden Deutschen Zahnarzttermine wegnehmen. Was ist dran an den Aussagen, und wie funktioniert die gesundheitliche Versorgung von Asylbewerbern?
Was hat Friedrich Merz genau gesagt?
In einer Talkshow des Fernsehsenders „Welt“ äußerte sich Merz zu illegaler Migration und dazu, wie sie sich eindämmen lässt. Dabei verwies der CDU-Chef auf sogenannte Pull-Faktoren, also Anreize für Migranten, illegal nach Deutschland zu kommen. Mit Blick auf die medizinische Versorgung hierzulande und der öffentlichen Wahrnehmung sagte Merz: „Die werden doch wahnsinnig, die Leute, wenn die sehen, dass 300000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen“, so Merz. „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“
Merz richtete sich damit an seine Mitdiskutanten: den SPD-Chef Lars Klingbeil und den Grünen-Vorsitzenden Omid Nouripour. Beide gingen auf das nun heftig kritisierte Zahnersatz-Beispiel nicht unmittelbar ein. Nach Veröffentlichung eines Auszugs aus der Talkshow entflammte dann aber im digitalen Raum Kritik an der Äußerung von Merz.
Welchen Anspruch auf Behandlung haben Asylbewerber?
Was Asylbewerbern in Deutschland zusteht, regelt das Asylbewerberleistungsgesetz. In Paragraf 4 heißt es: „Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren.“ Das Gesetz macht im Bezug auf Zahnersatz allerdings eine Einschränkung: „Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.“ Sprich: Wer akute Probleme mit seinen Zähnen hat, wird auch als Asylbewerber behandelt. Unmittelbar Zahnersatz gibt es aber nicht.
Das bestätigt Zahnarzt Joachim Hüttmann aus Bad Segeberg in Schleswig-Holstein. In unmittelbarer Nähe zu seiner Praxis befindet sich eine große Landesunterkunft für Asylbewerber. Hüttmann formuliert es so: „Wer Schmerzen hat oder wer eine unaufschiebbare Behandlung benötigt, dem helfen wir.“ Aber auch die Wiederherstellung von defektem Zahnersatz sei denkbar. Für die Kosten komme dann das Land auf.
Unter die Einschränkungen des Asylbewerberleistungsgesetzes fällt, wer weniger als eineinhalb Jahre in Deutschland ist. Er oder sie muss in der Regel vor jedem Arztbesuch einen Krankenschein bei der zuständigen Behörde beantragen. Verordnet der Arzt Medikamente, muss die zuständige Stelle das genehmigen.
Hält sich ein Asylbewerber aber länger als 18 Monate in Deutschland auf, ändern sich die Ansprüche – egal, ob sein Antrag bereits abgelehnt wurde oder nicht. Ab diesem Zeitpunkt erhalten Asylbewerber nahezu identische Leistungen wie gesetzlich Krankenversicherte. Dies kann folglich auch Zahnersatz beinhalten. Die Kosten trägt das Sozialamt.
In seiner Praxis gebe es trotzdem keine Probleme mit Terminen, sagt Zahnarzt Hüttmann: „Wir kriegen das hin, obwohl die Behandlungen oft mühsam und sehr zeitintensiv sind.“ Die Sprachbarriere sei ein Problem, auch wenn oft ein Dolmetscher dabei sei. „Das kann den Terminplan schon mal gehörig durcheinander bringen.“ Was für seine Praxis in einer Kleinstadt gelte, sei auf dem Land aber möglicherweise anders. „Gerade in kleinen Orten mit höchstens einer Zahnarztpraxis, aber mit großer Flüchtlingsunterkunft können die zusätzlichen Patienten die Terminsituation verschärfen.“
Auf welche Gruppe von Flüchtlingen hat sich Merz bezogen?
Merz bezog sich in seiner Äußerung explizit nur auf Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt worden ist. Die Aussage zum Zahnersatz war also nicht auf diejenigen Flüchtlinge gemünzt, die aktuell nach Deutschland kommen, sondern solche, die sich schon länger im Land aufhalten. Auch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine klammerte Merz aus.
Laut Ausländerzentralregister, das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geführt wird, lebten zum Stichtag 30. Juni 2023 insgesamt 279098 ausreisepflichtige Personen in Deutschland. Die Mehrzahl, 224768, verfügt aber über eine befristete Duldung, die eine Abschiebung vorerst verhindert. Gründe für eine Duldung sind etwa Krankheit, fehlende Ausweispapiere oder ein Herkunftsstaat, der seine Bürger nicht zurücknimmt.