Im Ringen um den Bundeshaushalt bekommt Finanzminister Lindner Rückendeckung - vom Kanzler. Es klaffen aber Milliardenlöcher im Etat. Welche Reform aus Sicht von Wissenschaftlern helfen könnte.
Rundschau-Debatte des TagesWie lassen sich die Haushaltslöcher stopfen?
Andreas HoenigBerlin In der Bundesregierung laufen die schwierigen Verhandlungen über den kommenden Haushalt zunehmend heiß. Bundeskanzler Olaf Scholz verwies angesichts von Sparzwängen auf die Verantwortung aller Ressorts. Der SPD-Politiker sagte dem Magazin „Stern“ auf die Frage nach Ausnahmen von der Schuldenbremse: „Wir sollten uns das Leben nicht zu leicht machen. Jetzt ist erstmal Schwitzen angesagt.“ Die FDP pocht darauf, dass die Schuldenbremse eingehalten wird.
Aufstand in den Ressorts
Mehrere Bundesministerien wollen sich nicht an Sparvorgaben von Finanzminister Christian Lindner (FDP) halten – was dieser wiederum scharf kritisiert. Ziel ist es, bis Anfang Juli im Kabinett eine Einigung über den Haushalt 2025 hinzubekommen, dann folgen die Beratungen im Bundestag. Die Rede ist davon, dass insgesamt rund 20 Milliarden bis 30 Milliarden Euro eingespart werden müssten. Am Donnerstag werden die Ergebnisse der neuen Steuerschätzung vorgelegt.
Es dürfte angesichts eines nur geringen Wirtschaftswachstums aber keine großen neuen Spielräume geben.
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Was Kanzler Scholz fordert
Scholz sagte dem „Stern“, der Finanzrahmen für den Bundeshaushalt sei klar – „den geben die Steuereinnahmen und die Verfassung vor“. Der Finanzminister habe den Ressorts Limits genannt. „Das war mit mir abgesprochen. Nun beginnt der übliche mühsame Prozess, Wünsche und Wirklichkeit in Einklang miteinander zu bringen. Ich setze darauf, dass sich alle ihrer Verantwortung bewusst sind und wir das gemeinsam hinkriegen.“ Er habe zu möglichen Einsparungen seine Vorstellungen, sagte Scholz, ohne konkreter zu werden. „Die finanziellen Folgen des Ukraine-Kriegs spürt doch jeder von uns, die Kosten für Flüchtlinge, Waffenlieferungen und Aufbauhilfen. Wer sagt, das mache sich im Haushalt kaum bemerkbar, irrt“, erklärte er und machte dann zwei Vorgaben: „Wir dürfen uns weder am sozialen Zusammenhalt versündigen noch darauf verzichten, das Wachstum anzukurbeln.“ Bei einem Besuch in Stockholm zeigte sich Scholz optimistisch, dass der Bund den Haushaltsstreit rechtzeitig beilegen wird – bis Anfang Juli.
Was die Grünen fordern
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann bezeichnete den nächsten Haushalt am Dienstag allerdings als „große Herausforderung“. Es müsse möglich bleiben „in Zukunft“ zu investieren, sagte Haßelmann und nannte die Bereiche Wirtschaft, Klima, Wohlstandssicherung und die Sanierung maroder Infrastruktur. Gleichzeitig müsse der soziale Zusammenhalt gesichert werden, betonte sie.
Haßelmann sagte weiter, Deutschland habe Verantwortung angesichts vieler Krisen weltweit. Zugleich seien angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine Investitionen in Sicherheit nötig. Eine Möglichkeit sei eine Reform oder Modernisierung der Schuldenbremse.
Warum FDP und Grüne uneins sind
Lindner sowie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) suchen seit längerem nach Möglichkeiten, wie mit einem Wachstumspaket die Konjunktur angekurbelt werden kann. Die FDP lehnt Vorschläge Habecks über schuldenfinanzierte steuerliche Entlastungen ab. Die FDP will unter anderem eine vollständige Soli-Abschaffung, das aber stößt auf Skepsis bis Ablehnung bei den Koalitionspartnern.
Was die Rentenreform damit zu tun hat
Vor dem Hintergrund des Haushaltsstreits lässt auch die Verabschiedung einer geplanten Rentenreform im Kabinett auf sich warten. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich erwartet vor dem Beginn der Sommerpause einen Haushaltsentwurf aus dem Kabinett, wie er am Dienstag sagte. Er rate dazu, dass nicht über die Sommerpause noch über einzelne Titel gesprochen werde. Zudem erwarte er, dass das Kabinett, wie von Scholz angekündigt, noch im Mai das Rentenpaket auf den Weg bringe – und zwar ohne irgendwelche Klauseln und Prüfvermerke.
Was Wirtschaftsinstitute raten
Eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, die nur in einem begrenzten Rahmen neue Schulden erlaubt, ist seit langem in der Debatte. Für eine Reform sprachen sich am Dienstag auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sowie das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) aus. Sie sehen angesichts einer teils maroden Infrastruktur und dem Kampf gegen den Klimawandel einen immensen Investitionsbedarf in Deutschland. In den kommenden zehn Jahren müssten insgesamt 600 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden. IMK-Direktor Sebastian Dullien sagte, angesichts eines Investitionsstaus müssten „ideologische Scheuklappen“ abgenommen werden. Es seien mutige und entschlossene Maßnahmen notwendig. Die Schuldenbremse könnte laut Studie der Institute durch eine „Goldene Regel“ ergänzt werden – diese würde Investitionen von der Neuverschuldungsbegrenzung ausnehmen.
Lindners Alternativvorschlag
Eine möglicherweise „politisch akzeptablere“ Alternative wäre ein großvolumiger Infrastrukturfonds. Dieser wäre, wie das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr, von der Schuldenbremse ausgenommen. Lindner sagte, die auf den Bund entfallenden öffentlichen Investitionen seien in den kommenden zehn Jahren realisierbar. „Die Voraussetzung ist eine neue Prioritätensetzung im Haushalt. Ineffiziente Subventionen, Umverteilung, Fehlanreize am Arbeitsmarkt und die Zinslast der Staatsverschuldung bremsen uns noch. Bei der Haushaltswende haben wir Fortschritte erzielt, die wir jetzt ausbauen müssen.“ (dpa)