Der Kanzler nimmt das T-Wort nicht in den Mund. Jetzt fehlt es auch in einem Ampel-Antrag zum Ukraine-Krieg. Die Debatte über die Lieferung von Taurus-Raketen nimmt trotzdem wieder Fahrt auf.
Rundschau-Debatte des TagesWie der Druck in der Taurus-Frage weiter steigt
Im Streit um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine wächst der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der Ton wird rauer. Die Ampel-Fraktionen wollen die Regierung im Bundestag gemeinsam auffordern, weitere Waffen an die Ukraine zu liefern - und zwar Systeme, die weit hinter die russische Frontlinie reichen. Politiker von Grünen und FDP verstehen darunter Raketen vom Typ Taurus. Die SPD wollte die Marschflugkörper aber nicht in die Beschlussvorlage aufnehmen.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) machte die Fraktionsspitze der Sozialdemokraten und die „Starrköpfigkeit des Kanzleramtes“ dafür verantwortlich. Sie will neben dem Ampel-Antrag nun auch eine Beschlussvorlage der CDU/CSU unterstützen, in der Taurus genannt wird - ein ziemlich ungewöhnlicher Vorgang.
Am Donnerstag stehen die Abstimmungen über beide Anträge auf der Tagesordnung des Bundestags. Anlass sind der zehnte Jahrestag der russischen Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel-Krim 2014 und der zweite Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine 2022.
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Scholz sagte nie klar Nein
Der Koalitionsstreit um die Marschflugkörper mit einer hohen Treffsicherheit und einer Reichweite von 500 Kilometern spitzt sich damit weiter zu. Begonnen hat er im Mai mit einer offiziellen Bitte der Ukraine bei der Bundesregierung. Im Oktober lehnte Kanzler Scholz die Lieferung vorläufig ab. Dahinter steckt die Befürchtung, dass die Raketen russisches Territorium treffen und Deutschland damit in den Konflikt hineingezogen werden könnte.
Ein endgültiges Nein von Scholz gab es allerdings nie - auch nicht bei der Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen Samstag. Dort wich der Kanzler der Frage aus, ob er doch noch Taurus liefern werde. Er sagte lediglich, dass Deutschland immer genug tun werde, um die Ukraine zu unterstützen.
„Zusätzlich erforderliche weitreichende Waffensysteme“
In der Vorlage der drei Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und FDP für den Bundestagsantrag wird nun „die Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen und Munition“ gefordert. Damit solle die Ukraine in die Lage versetzt werden, „völkerrechtskonforme, gezielte Angriffe auf strategisch relevante Ziele weit im rückwärtigen Bereich des russischen Aggressors zu ermöglichen“.
Zur Begründung heißt es in dem Antrag: „Insbesondere muss die Ukraine auch künftig in die Lage versetzt werden, Angriffe auf militärische Ziele wie Munitionsdepots, Versorgungsrouten und Kommandoposten weit hinter den Frontlinien durchzuführen und ihre Soldatinnen und Soldaten vor den vielgestaltigen Attacken des russischen Militärs bestmöglich schützen zu können.“ Genau zu diesem Zweck benötigt die Ukraine die Taurus-Raketen.
SPD-Fraktionschef Mützenich ist genervt
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich reagierte am Dienstag genervt auf das Wiederaufflammen der Debatte. „Vielleicht könnten wir endlich in Deutschland mal aufhören mit einer Debatte um ein Waffensystem“, sagte er vor einer Fraktionssitzung. Vor einem Jahr sei über Leopard-Panzer gesagt worden, sie könnten die Lage auf dem Schlachtfeld entscheidend verändern. Das sei aber nie passiert. Wichtig sei immer die „Gesamtschau“, sagte er.
In der Gesamtschau hebt Scholz derzeit immer wieder hervor, dass Deutschland seit der russischen Invasion Waffen für 28 Milliarden Euro entweder geliefert oder fest zugesagt hat. Das bedeutet Platz zwei hinter den USA. An den USA hat sich der Kanzler auch immer orientiert, wenn es um die Lieferung von Waffen neuer Qualität ging. So war es bei Artillerie mit großer Reichweite und später auch bei den Kampfpanzern.
Orientiert sich Scholz wieder an den USA?
Es könnte sein, dass die USA dem Kanzler nun auch bei den Marschflugkörpern ein Beispiel liefern. Der US-Sender NBC berichtete am Montag unter Berufung auf nicht genannte US-Regierungsvertreter, dass die Amerikaner die Lieferung von Atacms-Raketen mit größerer Reichweite als bisher in Erwägung ziehen. Im Oktober wurden nur knapp ein Dutzend Projektile einer Reichweite von 165 Kilometern geliefert - nicht vergleichbar mit Taurus.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba berichtete bei der Münchner Sicherheitskonferenz vor Journalisten, dass er seinen Amtskollegen Antony Blinken um Atacms-Raketen mit einer Reichweite von 300 Kilometern gebeten habe. Zusammen mit Taurus seien dies die einzigen Waffen, mit denen man die russische Logistik hinter der Frontlinie wirksam bekämpfen könne.
Ukrainische Regierung glaubt, dass Scholz liefert
Falls die Amerikaner liefern, könnte das Scholz weiter unter Druck geraten. Kuleba ist jedenfalls sicher, dass sich der Kanzler früher später für die Lieferung von Taurus entscheiden wird. „Die Tatsache, dass Sie kein klares Nein hören, ist schon eine Antwort an sich“, sagte er in München. „Wir vertrauen immer darauf, dass solche Probleme irgendwann gelöst werden, denn das hat uns das Leben in den letzten zwei Jahren gelehrt.“