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Rundschau-Debatte des TagesWas wäre, wenn die AfD regieren würde?

Lesezeit 4 Minuten
Fähnchen mit dem Logo der AfD liegen auf einem Tisch.

Fähnchen mit dem Logo der AfD liegen auf einem Tisch.

Experten erklären, was sich bei Klimaschutz, Medien und Demokratie verändern würde, wenn die Rechtspopulisten das Sagen hätten.

Die AfD schließt bundesweit in Umfragen zur SPD auf, in manchen ostdeutschen Ländern ist sie stärkste Kraft. Ist sie auch bereit zum Regieren?

Dass die AfD in bundesweiten Umfragen zulegt und zuletzt bei 18 Prozent mit der Kanzlerpartei SPD gleichauf lag, hat die anderen Parteien in Unruhe versetzt. Zwar ist eine Regierungsbeteiligung unwahrscheinlich, weil ihr der Koalitionspartner fehlt und sie von einer absoluten Mehrheit weit entfernt ist. In den Ländern Brandenburg, Thüringen und Sachsen ist sie aber in manchen Umfragen schon stärkste Kraft. Und Experten beschäftigen sich mit der Frage, was es bedeuten würde, wenn die AfD regierte.

Außen- und Sicherheitspolitik

Benjamin Höhne, Politikwissenschaftler an der Universität Münster, hat als Berater etwa für das Bundesverteidigungsministerium analysiert, was eine rechtspopulistische Regierung für die Außen- und Sicherheitspolitik bedeuten würde. „Sie würden die Sicherheitsapparate stärken, Polizei und Bundeswehr ausbauen. Sie würden wahrscheinlich versuchen, individuelle Freiheitsrechte einzuschränken, und wenig Toleranz gegenüber sozialen Bewegungen wie aktuell der Letzten Generation und ihrem zivilen Ungehorsam zeigen“, erklärt Höhne im Gespräch mit unserer Redaktion.

Im Grundsatzprogramm der AfD ist vorgesehen, dass die Europäische Union auf eine Wirtschaftsgemeinschaft zurückgefahren wird und Kompetenzen an die Nationalstaaten zurückgegeben werden. Sollte diese Reform scheitern, würde die AfD den Austritt aus Euro und EU anstreben. Auch zur Nato hat sie ein ambivalentes Verhältnis. Parteienforscher Kai Arzheimer von der Universität Mainz beschreibt das Verhältnis als „schwierig“ und in der Partei noch nicht abschließend geklärt. Festgehalten ist zudem, die Sanktionen gegen Russland aufzugeben und sich um ein neues Verhältnis zu bemühen. Waffenlieferungen an die Ukraine lehnt die AfD bekanntlich ab.

Bei ihrem Kernthema Migrationspolitik sehen die beiden Experten die größten Veränderungen. Höhne meint: „In der Migrationspolitik ist davon auszugehen, dass es erhebliche Einschnitte geben würde, bis womöglich dahin, Sozialleistungen nur noch für Deutsche bereitzustellen. Die AfD will Grenzkontrollen wieder einführen – das wäre dann das Ende des Schengen-Raums.“

Arzheimer fasst die Richtung, in die sich Deutschland unter einer AfD-Regierung verändern würde, so zusammen: „Im Grunde will sie eine radikalisierte Form der alten Bundesrepublik errichten. Billiges Gas und Diesel erhalten, das Asylrecht abschaffen und Deutschland aus der EU herausführen.“

Klima, Medien, Demokratie

Auch beim Klimaschutz würde die AfD zurückrudern und womöglich aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen. Bundessprecher Tino Chrupalla hat gerade erst wieder im „Deutschlandfunk“ den menschengemachten Klimawandel für wissenschaftlich nicht erwiesen erklärt: „Das Klima kann man gar nicht schützen. Es ist seit Jahrtausenden im Wandel. Wir müssen uns den Gegebenheiten anpassen.“ Öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie den „Deutschlandfunk“ will die AfD sowieso abschaffen.   Und wie würde sich die Demokratie verändern? AfD-Politiker machen immer wieder deutlich, dass sie den Staat und seine Repräsentanten verachten. „Sie würden die direkte Demokratie stärken und versuchen, die repräsentative Demokratie zu schwächen“, meint Höhne. Die Rechtspopulisten würden die Demokratie nicht abschaffen, hätten aber ein Problem mit Pluralismus, mit unterschiedlichen Meinungen und gesellschaftlicher Vielfalt also. Parteien und Medien müssten mit Einschränkungen ihrer Handlungsfreiheit rechnen.

Vorbilder im europäischen Ausland

Um eine Vorstellung davon zu gewinnen, wie Rechtspopulisten regieren, lohnt der Blick nach Osteuropa, wo sie in Polen und Ungarn an der Regierung beteiligt sind. „Rechtspopulisten in Osteuropa sorgen mit Sozialprogrammen für Zustimmung, wenn sie regieren“, erklärt Höhne. Es sei allerdings zu beobachten, dass mit ihrer Regierungsrolle ihr wichtigstes Narrativ wegbreche, das einen Konflikt zwischen Volk und politischer Machtelite heraufbeschwöre. „Sie suchen sich dann neue Feindbilder, die Teil von internationalen Verschwörungserzählungen sein können und antiamerikanische, antisemitische oder antifeministische Elemente enthalten können.“

Im Unterschied zum rechtspopulistischen „Rassemblement National“ in Frankreich, der inzwischen zweitstärkste Kraft im Land ist, habe die AfD den Fehler gemacht, sich nicht zum Rechtsextremismus abzugrenzen. Für keine Partei der demokratischen Mitte kommt deshalb eine Koalition mit ihr infrage. Für Arzheimer ist klar: „Die AfD ist gefährlich. Es handelt sich um eine Partei, die Anknüpfungspunkte im rechtsextremen Bereich hat. Das ist ernsthaft beunruhigend. Wenn Journalisten eingeschüchtert werden und der zivilisatorische Umgangston verloren geht, schadet das schon jetzt der Demokratie.“

Was die AfD-Wähler erwarten

Für den Augenblick nehmen die Experten an, dass die AfD auch personell noch nicht regierungsfähig wäre. Es fehle an talentierten Personal mit Regierungserfahrung, und die Bundestagsfraktion sei zu großen Teilen ein Sammelbecken für Querulanten – und werde zudem schlecht geführt. Werden sich die potenziellen Wähler also wieder abwenden, wenn die Partei auf absehbare Zeit nicht umsetzen kann, was sie verspricht? Arzheimer kommt zu einer anderen Einschätzung: „Die Wähler der AfD erwarten nicht unbedingt, dass die Partei regiert. Sie sind schon zufrieden damit, dass ihre Positionen im Bundestag geäußert werden. Es ist eher ein Vorteil, dass die AfD ihre Politik nicht umsetzen muss.“