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Rundschau-Debatte des TagesSteht die AfD vor dem Abstieg?

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Gericht: Die AfD wird zu Recht als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft.

Die AfD wird zu Recht als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft.

Die Partei hat es nicht leicht, nach Spionage- und Bestechlichkeitsvorwürfen folgt der nächste Rückschlag. Gegner frohlocken bereits. Kommt es doch zu einem Verbot?

Für die AfD ist ihre erneute Niederlage gegen den Verfassungsschutz, knapp vier Wochen vor der Europawahl, ein Rückschlag. Denn die nun gerichtlich bestätigte Einstufung der Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall durch den Inlandsgeheimdienst ist ein Makel, der im Kampf um Wählerstimmen hinderlich sein kann. „Das befördert den Abstieg“, glaubt der Autor und Politikwissenschaftler Hajo Funke. Wirklich?

Was bisher geschah

Das Urteil trifft die Partei in einer Zeit, wo die Kurve der bundesweiten Umfragewerte nach einer langen Phase des Aufschwungs nach unten zeigt. Lag die AfD im Herbst 2023 zeitweise stabil über 20 Prozent, so ermittelten die Meinungsforscher zuletzt Werte zwischen 16 und 18 Prozent. Die mutmaßlichen Gründe für den Sinkflug: Erst ließ ein Medienbericht über ein Vernetzungstreffen mit Rechtsextremisten bei einigen Bürgern Zweifel an der Verfassungstreue von AfD-Politikern aufkommen. Auch dass mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) jetzt ein weiterer Konkurrent auf dem Platz ist, dürfte der AfD geschadet haben. Und dann musste sich die Parteispitze fragen lassen, wie es um den selbsterklärten Patriotismus einiger führender AfD-Politiker bestellt sei.

Denn Jian Guo, langjähriger Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, sitzt wegen mutmaßlicher Spionage für China in Untersuchungshaft. Krah selbst geriet ebenso in den Fokus der Aufmerksamkeit wie der Bundestagsabgeordnete Petr Bystron – wegen möglicher Verbindungen zu prorussischen Netzwerken. Bystron ist Zweitplatzierter auf der AfD-Kandidatenliste für die Europawahl am 9. Juni.

Was der Verfassungsschutz jetzt macht

Der Verfassungsschutz kann die AfD weiterhin als Verdachtsfall beobachten. Das tut der Nachrichtendienst bereits seit März 2021. Allerdings liegt es in der Natur eines Verdachts, dass dieser eines Tages bestätigt oder ausgeräumt werden muss. Behördenleiter Thomas Haldenwang hat indes mehrfach betont, er sehe die Partei weiter auf dem Weg nach „rechts außen“. Normalerweise nimmt sich die Behörde etwa zwei Jahre Zeit, um einem Verdacht nachzugehen. Manchmal auch länger.

Wie das Gericht die AfD einschätzt

So erklärt der Senat in seinem Urteil beispielsweise, die vom Verfassungsschutz präsentierten Hinweise auf eine Missachtung der Menschenwürde von Ausländern und Muslimen durch die AfD seien ausreichend. Die Richter sehen auch Anhaltspunkte für demokratiefeindliche Bestrebungen, allerdings „nicht in der Häufigkeit und Dichte, wie vom Bundesamt angenommen“. Und sie betonen, dass es keinen Automatismus gibt, wenn sie in ihrer Mitteilung schreiben: „Was für einen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen ausreicht, führt aber auch nicht zwangsläufig zur Annahme einer erwiesen extremistischen Bestrebung.“

Beispiel Junge Alternative

Formal steht ein laufendes Verfahren einer Entscheidung des Verfassungsschutzes, die dann auch wieder gerichtlich angefochten werden kann, nicht unbedingt entgegen. Das zeigt der Fall der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA). Die hat der Verfassungsschutz im April 2023 als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft, wogegen beim Oberverwaltungsgericht in Münster nun auch eine Klage anhängig ist. In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt wurde diese Einstufung bereits für den jeweiligen Landesverband der Partei vorgenommen.

Falls das Bundesamt diesen Schritt auch für die AfD als Gesamtpartei in Erwägung ziehen sollte, wird es wohl vor allem darum gehen, wer in der Partei wie viel Einfluss hat. Denn in der AfD gibt es durchaus noch Überreste der rechtskonservativen beziehungsweise wirtschaftsliberalen Kräfte der Anfangsjahre, als die Alternative für Deutschland noch als „Professorenpartei“ galt. Die Frage ist aber, ob sich diese gegen den Willen der Radikalen überhaupt noch durchsetzen können.

Was die AfD jetzt macht

Die Partei fährt zweigleisig. Sie kritisiert das Gericht, das es ihren Anträgen angeblich nicht genügend Zeit gewidmet habe, und hebt zugleich die Punkte der Urteilsbegründung hervor, in denen der Senat der Argumentation des Verfassungsschutzes nicht hundertprozentig gefolgt ist. Gleichzeitig kündigt sie an, Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen zu wollen.

Warum die Verbotsfrage wieder auftaucht

Vor allem Politiker der Linken sowie einige Landespolitiker anderer Parteien sind überzeugt, die AfD sollte verboten werden. Die rechtlichen Hürden dafür sind aber hoch, sodass damit vorerst nicht zu rechnen ist. Der Grünen-Rechtspolitiker Till Steffen hatte im April angeregt: „Nach dem Urteil sollten wir eine Debatte im Bundestag über einen AfD-Verbotsantrag führen und weitere Vorbereitungen treffen.“ Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung sind als einzige Verfassungsorgane berechtigt, einen Antrag auf ein Parteiverbot zu stellen. Die Entscheidung trifft das Bundesverfassungsgericht.

Wer bei der AfD den Ton angibt

Aus Sicht von Funke, der mehrere Bücher über die AfD veröffentlicht hat, ist Höcke die mächtigste Figur in der Partei. Dabei hat er nie für den Bundesvorstand kandidiert. Die Co-Vorsitzenden, Alice Weidel und Tino Chrupalla, können sich nach Einschätzung des Politologen nur deshalb an der Parteispitze halten, weil sie sich Höckes Vorgaben nicht widersetzen. Funke sagt, er habe den Eindruck, dass sich „Weidel dabei unwohl fühlt“, Chrupalla dagegen sei „nach rechts flexibler“. (dpa)