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Rundschau-Debatte des TagesSchwindet die Akzeptanz für Flüchtlinge?

Lesezeit 4 Minuten
Upahl: Ein Protestschild steht an der Ortsdurchfahrt.

Upahl: Ein Protestschild steht an der Ortsdurchfahrt. Seit Monaten protestieren die Einwohner gegen die umstrittene Asylbewerber-Unterkunft im 500-Einwohner-Dorf.

Upahl ist überall: In ganz Deutschland regt sich immer öfter Protest gegen geplante Unterkünfte für Asylbewerber – aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Geradezu ein Synonym für den Widerstand gegen Flüchtlingsheime ist mittlerweile Upahl geworden. Das 500-Seelen-Dorf im Herzen des Landkreises Nordwestmecklenburg erlangte im Frühjahr bundesweit Bekanntheit: Bürger wehrten sich gegen die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft in einem Gewerbegebiet am Rand des Ortes. Doch das Beispiel Uphal ist längst kein isloierter Fall mehr.

Die ersten Container für die umstrittene Asylbewerber-Unterkunft im 500-Einwohner-Dorf Upahl werden angeliefert.

Die ersten Container für die umstrittene Asylbewerber-Unterkunft im 500-Einwohner-Dorf Upahl werden angeliefert.

Sorge um ärztliche Versorgung

Ein Beispiel von vielen ist die Stadt Fürstenau. Auf einem ehemaligen Militärgelände unterhält das Land Niedersachsen bereits ein Flüchtlingsheim und würde das gerne auch über das Jahr hinaus. Derzeit leben hier rund 250 Menschen, es könnten nach den Landesplänen auch 400 bis maximal 500 werden. Der Mietvertrag mit dem Grundstücksbesitzer aber läuft aus. Der will das Grundstück am liebsten an die Kommune verkaufen und die wiederum die Kasernen weiter an das Land vermieten. Wären da nicht die Anwohner. Der will die dauerhafte Einrichtung der Flüchtlingsunterkunft per Bürgerbegehren verhindern. Eine Bürgerversammlung konnte die Bedenken offenkundig nicht ausräumen. Im Zeitungsbericht dazu hieß es: „Doch auch andere Sorgen und Ängste mischten sich in die Diskussion, zum Beispiel die Gesundheitsversorgung.“ Die Hausarztsituation in Fürstenau ist derzeit angespannt. Dass die Asylsuchenden nicht von Ärzten vor Ort versorgt werden, änderte nichts an den Befürchtungen. Ob der Protest Erfolg haben wird, ist offen.

Sorge um Lebensqualität

Eine einfache Suche bei Google nach „Flüchtlingsunterkunft“ und „Protest“ ergibt zahllose Treffer aus dem gesamten Bundesgebiet. Aus dem Süden beispielsweise ist es die Stadt Korntal-Münchingen nördlich von Stuttgart, die in die Suche gespült wird: Dort sind es zwar deutlich weniger Menschen, die in einem geplanten Neubau untergebracht werden. Doch auch die Einrichtung für 66 Menschen sorgt vor Ort für Ärger. Die „Stuttgarter Zeitung“ zitiert einen potenziellen Nachbarn: „Ein solch massives, blockartiges Gebäude baut man nicht eingeengt platziert zwischen Bahnlinie und Straße an einem vor Jahrzehnten gewachsenen Wohngebiet.“ Mit Ausländerfeindlichkeit habe der Protest indes nichts zu tun, betont der Anwohner laut „SZ“, aber: „Es ist nicht akzeptabel, dass – wie es mit diesem geplanten Projekt droht – die Lebensqualität für die Bürger in einem ganzen Wohngebiet dauerhaft und drastisch beschnitten wird.“

Sorge um Tourismus

Auch in Bad Sachsa, einer kleinen Stadt im Harz, ist die geplante Flüchtlingseinrichtung nicht willkommen – zumindest nicht in der geplanten Größe. Das Land Niedersachsen will in einem früheren Krankenhaus in dem Kurort 500 Menschen unterbringen. Bürgermeister Daniel Quade (FDP) sagt: „Die Einrichtung wird mitten in der Kernstadt und dem Kurgebiet von Bad Sachsa liegen. Dort spielt sich der Tourismus ab, von dem die Gemeinde lebt. Das wirft natürlich Fragen bei Anwohnern und Gewerbetreibenden auf.“ Auch in Bad Sachsa gab es Bürgerversammlungen, auf denen Anwohner Sorgen artikulierten. Wirklich milde stimmen konnten die Verantwortlichen die Kritiker offenbar nicht. Bürgermeister Quade sagt unserer Redaktion zur ursprünglich geplanten Größe der Unterkunft: „500 Bewohner entsprechen etwa 15 Prozent der Anwohner in der Kernstadt. Wir haben als Stadt immer gesagt: 250 Menschen sind verkraftbar. Aber 500 sind an diesem Ort einfach zu viel.“

Sorge um die Tierwelt

In Schwafheim, einem Stadtteil von Moers in Nordrhein-Westfalen, führen Anwohner unter anderem die Natur gegen eine Flüchtlingsunterkunft ins Feld. „19 planungsrelevante Vogelarten, 5 Fledermausarten und 2 Amphibienarten“ soll ein Gutachter laut Bericht der „Neuen Ruhr Zeitung“ im Auftrag der Anwohner gefunden haben. Ihre Schlussfolgerung: Wegen der Tierarten dürfe an der Stelle kein Flüchtlingsheim entstehen. Nun müssen wohl Gerichte entscheiden.

Sorge um Natur

Auch in Berlin hat die Stadtverwaltung mit widerspenstigen Anwohnern zu kämpfen – etwa in Pankow. Der Protest richtet sich gegen Bauvorhaben allgemein: Die Stadt will auf einer bisherigen Grünfläche 99 Wohnungen für Flüchtlinge schaffen. Dafür müssten aber 37 Bäume gefällt werden. Knapp 170 Anwohner haben gegen das Vorhaben einen offenen Brief an Bürgermeister Kai Wegner (CDU) unterschrieben.


Was meinen Sie? Wie kann die Akzeptanz für Flüchtlingsheime erhöht werden? Bitte schreiben Sie uns:

dialog@kr-redaktion.de, Kölnische Rundschau,

Leserbriefe, Postfach 102145, 50461 Köln


Standpunkt

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will härter gegen Schleuser vorgehen, um die irreguläre Einwanderung nach Deutschland einzudämmen. „Ich will dieses grausame Geschäft mit der Not von Menschen stoppen“, sagte Faeser der „Bild am Sonntag“. Deshalb habe sie weitere Maßnahmen angeschoben, darunter die Einrichtung einer Operative-Analyse-Zentrale bei der Bundespolizei. Zudem sei die Gründung einer Taskforce mit Nachbarstaaten vorgesehen. (dpa)


Forderungen des Städte- und Gemeindebundes

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, forderte daher eine Aufnahme der Maghreb-Staaten in die Liste der sicheren Herkunftsländer. Die FDP ist ebenfalls dafür, die Grünen lehnen das ab, ebenso die Linke. Landsberg sagte unserer Redaktion vom Wochenende, viele Kommunen seien „an ihrer Leistungsgrenze bei Unterbringung, Versorgung und Integration von Geflüchteten angelangt“. Er forderte eine deutliche Ausweitung der in der Regel von Bundesländern betriebenen Erstaufnahmeeinrichtungen, „sodass nur Personen mit Bleibeperspektive auf die Kommunen verteilt werden“. Landsberg forderte außerdem, weitere Staaten in die Liste der sicheren Herkunftsländer aufzunehmen. Das sei „ein Baustein zur Begrenzung des Zuzugs“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Konkret nennt Landberg die Magrheb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien. (afp)