Nach Syrien wird schon lange nicht mehr abgeschoben. Seit der Machtübernahme durch die Taliban gilt das auch für Afghanistan. Im Falle Syriens geht es nicht nur um praktische Fragen, erklärt Faeser.
Rundschau-Debatte des TagesGibt es Fortschritte beim Reizthema Migration?
In der Migrationspolitik haben die Innenminister von Bund und Ländern im Prinzip das gleiche Ziel, nur über den Weg dorthin gibt es teils Meinungsverschiedenheiten. Einig war man sich am Freitag zum Ende des dreitägigen Treffens in Potsdam, dass schwerkriminelle Straftäter und sogenannte islamistische „Gefährder“ wieder nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden sollten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, sie sei dazu bereits mit mehreren Staaten in vertraulichen Gesprächen. Das Sicherheitsinteresse Deutschlands stehe bei diesen Fragen „klar an erster Stelle“. Auch die Ministerpräsidenten der Bundesländer hatten dies am Donnerstag nach ihrem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erneut bekräftigt.
„Gefährder“ und Straftäter abschieben
Da Deutschland derzeit weder zu den radikal-islamischen Taliban-Machthabern in Afghanistan noch zur Regierung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad Beziehungen unterhält, sollen die Abschiebungen wohl über Nachbarstaaten organisiert werden. Faeser sagte, für Syrien sei neben der Klärung der praktischen Fragen auch eine Neubewertung der Lage in dem arabischen Land notwendig. Sie sei sicher, dass sie dies mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in naher Zukunft lösen könne. Für Abschiebungen nach Afghanistan sei keine veränderte Sicherheitseinschätzung notwendig.
Bayern Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte das Auswärtige Amt auf, „rasch die Schutzbedürftigkeit der von dort kommenden Menschen neu zu bewerten“. Konkret geht es um die Frage, ob es in Syrien trotz des weiter andauernden Bürgerkriegs inzwischen Regionen gibt, in denen den Rückkehrern keine Gefahr für Leib und Leben droht.
Subsidiärer Schutz soll bleiben
Forderungen nach einem Ende des sogenannten subsidiären Schutzes für Afghanen und Syrer erteilte Faeser allerdings eine Absage. Sie halte den Schutz für richtig, weil man wisse, dass Menschen dort immer noch stark verfolgt seien. Ein Ende des Schutzstatus für die beiden Länder hatten unter anderem der Landkreistag und Vertreter der FDP gefordert. Der subsidiäre Schutz greift, wenn weder Asyl noch Flüchtlingsschutz gewährt werden können, den Menschen im Herkunftsland aber trotzdem ernsthafter Schaden droht.
Faeser betonte: „Wir haben alle das gleiche Interesse an einer Reduzierung der irregulären Migration in Deutschland.“ Die SPD-Politikerin kündigte außerdem an, bald einen Entwurf für eine gesetzliche Regelung vorzulegen, die eine Ausweisung von Menschen betrifft, die wegen Volksverhetzung verurteilt wurden.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte, man müsse dafür sorgen, dass weniger Asylsuchende nach Deutschland kommen. Es brauche auch Vorschläge für den Umgang mit den vielen von ihnen, die ohne Ausweispapiere kämen. Das sei auch ein Thema, das auf EU-Ebene angegangen werden müsse.
In den ersten fünf Monaten dieses Jahres wurde beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für 103467 Menschen erstmals ein Asylantrag gestellt – ein Rückgang um 17,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Rückgang geht wohl teilweise auch auf die Mitte Oktober angeordneten Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz zurück.
Überlegungen zu Drittstaaten-Regelung
Die Innenminister sprachen sich in Potsdam auch dafür aus, die Möglichkeit der Auslagerung von Asylverfahren in Staaten außerhalb der Europäischen Union weiter zu prüfen. Die Ministerpräsidenten hatten mit Scholz vereinbart, dass die Bundesregierung „konkrete Modelle zur Durchführung von Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten“ entwickeln soll. Faeser betonte, man werde dies als „weiteres, zusätzliches Instrumentarium“ prüfen. Höchste Priorität habe die Umsetzung der EU-Asylreform. Dies sei der Schlüssel zur Eindämmung irregulärer Migration.
Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour erklärte: „Was es braucht, sind schnellere rechtsstaatliche Verfahren und die konsequente Umsetzung geltenden Rechts wie der europäischen Asylrechtsreform und keine Scheinlösungen, die bereits in Großbritannien gescheitert sind.“ Großbritannien will unerlaubt eingereiste Asylbewerber nach Ruanda bringen, das dann nicht nur selbst die Asylverfahren übernehmen würde, sondern auch Schutz gewähren beziehungsweise sich um eine Abschiebung kümmern soll.
Ausweitung von Waffenverbotszonen
Bund und Länder haben vereinbart zu schauen, ob es zusätzlicher bundesgesetzlicher Regelungen zu Waffenkontrollen bedarf, um Straftaten mit Messern zu verhindern. Konkret geht es darum, ob anlasslose Kontrollen durch die Polizei auch außerhalb der in Verantwortung der Länder an Orten mit hoher Kriminalitätsbelastung eingerichteten Waffenverbotszonen erlaubt sind. Das betrifft etwa Orte, an denen es zu Menschenansammlungen kommt. „Erst wenn anlasslose Kontrollen möglich sind, entfalten Waffenverbotszonen auch die erwünschte breite präventive Wirkung“, sagte Sachen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU).
Mehr Handhabe bei Cybermobbing
Die Innenminister setzen sich für die Prüfung eines gesonderten Straftatbestands für Cybermobbing ein. Das sei „ein wachsendes Phänomen, das bisher unterschätzt wird, obwohl es für die Opfer zu schwerwiegenden Auswirkungen in vielen Lebensbereichen führt“, sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU). Nun sollten die Justizminister prüfen, ob sie die Einführung eines Straftatbestands für sinnvoll erachten. Anders als bei einer Beleidigung in der realen Welt, etwa auf dem Schulhof, seien die Folgen einer solchen Tat durch die Verbreitung im virtuellen Raum, für die Betroffenen viel gravierender.
Fußfesseln für gewalttätige Partner
Angestrebt wird eine einheitliche Regelung zum Einsatz von Fußfesseln bei häuslicher Gewalt. Außerdem solle es für die Täter verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings geben, so Stübgen. Verbote, die Wohnung zu betreten und sich der Frau zu nähern, müssten „konsequent durchgesetzt und engmaschig kontrolliert werden“, sagte Faeser. Sie sei dazu bereits im Austausch mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Wenn die Täter – wie etwa in Österreich – mit einer elektronischen Fußfessel überwacht würden, könne die Polizei im Ernstfall schneller einschreiten und Gewalt gegen Frauen besser verhindern. (dpa)