Sie soll die Auszahlung staatlicher Leistungen einfacher machen und verhindern, dass das Geld in die falschen Hände gerät. Doch immer noch hakt es bei der Umsetzung. Was sagt der Erfinder des Systems dazu?
Debatte des TagesScheitert die Bezahlkarte für Asylbewerber?

Für manche ist sie die Lösung vieler administrativer Probleme, für andere ein Mittel zur Diskriminierung: die Bezahlkarte für Geflüchtete.
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Vor einem Jahr waren sich Bund und Länder in der Migrationspolitik einig: Die Bezahlkarte für Flüchtlinge soll kommen. Heute klagen Kommunen über zu viel Bürokratie oder weigern sich, die Karte einzuführen. Was läuft schief? Fragen an Jörg Schwitalla, Geschäftsführer der „Publk GmbH“, dem Unternehmen, das die Karte in 14 Bundesländern einführen soll.
Vor gut einem Jahr wurde die Einführung der Bezahlkarte beschlossen. Wie weit ist man?
Unser Konsortium unter Federführung der „Publk GmbH“ hat die Ausschreibung gewonnen, hinter der 14 Bundesländer stehen. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gehen jeweils einen eigenen Weg. Von den 14 Bundesländern wiederum haben zwölf bereits Bezahlkarten abgerufen. Thüringen und Berlin sind bislang noch nicht gestartet.
Wenn man googelt, wie die Bezahlkarte in der Fläche ankommt, dann finden sich Kommunen, die erst gar nicht mitmachen, oder Aussagen wie „Bürokratiemonster“. Scheitert das Vorhaben gerade?
Nein. Wir haben bislang gut 200.000 Karten an die Länder ausgegeben. Täglich werden 1000 bis 2000 Karten zur Nutzung ausgegeben, etwa 50.000 sind bereits im täglichen Einsatz. Die Einführung läuft erfolgreich.
Trotzdem gibt es Gegenwind.
Nordrhein-Westfalen hat seinen Kommunen freigestellt, ob sie die Bezahlkarte einführen wollen oder nicht. Dort sagen nun einige Städte, dass sie keine Bezahlkarte wollen. In allen anderen Bundesländern führen die Kommunen die Bezahlkarten konsequent ein.
Und der Vorwurf des Mehraufwands?
Die Diskussion scheint mir von der Angst geprägt, dass die Bezahlkarte mehr Arbeit macht als die bisherige Ausgabe von Bargeld oder Schecks. Das sehe ich persönlich anders.
Aber sogar Hannover beschwert sich. Dort hatten Sie gemeinsam mit der Stadt in einer Art Pilot-Verfahren die Karte eingeführt.
Unser primäres Ziel ist es, die Verwaltungsabläufe zu vereinfachen. Das haben wir mit der ursprünglich in Hannover eingeführten Bezahlkarte 2023 erreicht. Sechs Mitarbeiter im Sozialamt konnten in der Folge anders eingesetzt werden, hieß es damals. Aber: Das Vorgehen seinerzeit in Hannover sah vor, dass die Menschen ihr Geld auf die Karte gebucht bekommen und dann selbstverantwortlich mit dem Geld umgehen können, sprich: am Geldautomaten abheben, mit der Karte einkaufen gehen und so weiter.
Das ist etwas anderes als das, was dann 2024 politisch diskutiert und beschlossen wurde.
Exakt. Im Rahmen der politischen Diskussion wurde ein anderes Ziel nach vorne gestellt als der Abbau von Verwaltungsaufwand: Es ging dann eben auch um Restriktionen, etwa Bargeld, das nur bis zu einem gewissen Betrag abgehoben werden soll. Oder die Verhinderung von Geldtransfer ins Ausland, um auszuschließen, dass Geld an Schleuser geht. Das macht natürlich mehr Arbeit als eine reine guthabenbasierte Karte, die Vieles offen lässt.
Also aus einem Projekt, das Bürokratie hätte abbauen können, wurde eines, das mehr Bürokratie schafft?
Das Ziel der Verwaltungsvereinfachung ist vielleicht ein bisschen aus den Augen verloren worden, scheint mir. Mit der Entscheidung, nicht nur Bargeldauszahlungen, sondern auch Kontoüberweisungen an Asylsuchende durch die Bezahlkarte zu ersetzen, stieg der Aufwand. Jedes Bundesland kann seine eigenen Restriktionen festlegen. Die Einschränkungen können teilweise sogar innerhalb eines Bundeslandes zwischen den Kommunen variieren. Das macht das System deutlich komplexer und damit erklärungswürdiger. Ich vermute: Wenn man als Kommune über Jahrzehnte Bargeld oder Schecks ausgegeben hat, dann ist man einem neuen Prozess gegenüber erstmal einmal zurückhaltender. Natürlich fragt man sich in der Verwaltung, ob der Aufwand wirklich geringer ist.
Und ist er das?
Ja! Auch wenn ich zunächst einmal die Restriktionen einstellen muss, bei der Kartenausgabe. Aber diese Arbeit fällt ein einziges Mal an. Das dauert vielleicht zehn Minuten und der Kartenbesitzer muss danach nicht mehr aufs Amt kommen, statt wie bisher monatlich in der Schlange zu stehen, um sein Bargeld abzuholen. Geldtransporte, Sicherheitsvorkehrungen, Personal für Scheckausstellungen etc. entfallen ebenso und verringern den Verwaltungsaufwand.
Es geht in der Diskussion auch darum, dass die Überweisungs- oder Lastschriftmöglichkeit auf der Karte Mehrarbeit erzeugt.
Es ist aus politischen Gründen vorgesehen, dass etwa Überweisungen nur an bestimmte Empfänger zugelassen werden sollen. Dadurch soll verhindert werden, dass die Kartenbesitzer an jeden Gelder transferieren können und damit zum Beispiel die Bargeldrestriktionen umgehen. Das macht für die Kommune natürlich Arbeit, denn die Zahlungsempfänger müssen einzeln freigeschaltet werden. Aber auch dieser Aufwand ist überschaubar. Die Empfänger sind häufig identisch: Energieversorger, die Bahn und so weiter. Das geht quasi en bloc. Falls eine Kommune diese oder andere Funktionen grundsätzlich nicht wünscht, können wir sie an- oder ausschalten.
Union und SPD wollen die Umgehung der Bezahlkarte durch sogenannte Umtausch-Initiativen verhindern. Ist es technisch machbar, den Kauf von Gutscheinen zu unterbinden, die gegen Bargeld getauscht werden?
Nein. Natürlich können wir Händler ausschließen, die ausschließlich Gutscheine verkaufen. Aber auch der Lebensmitteleinzelhandel verkauft mittlerweile Gutscheine. Wir wissen aus gutem Grund nicht, was der Kartenbesitzer mit seiner Karte kauft, also etwa fünf Packungen Milch oder einen Gutschein. Lebensmitteleinzelhändler pauschal zu sperren, ergibt daher keinen Sinn. In den Vergabegesprächen hatten wir deutlich gemacht, dass hier die Grenzen erreicht sind. Es gab ja beispielsweise auch Fragen, ob wir den Alkoholkauf ausschließen können: Nein, das geht aus dem oben genannten Grund nicht. Kauf und anschließender Tausch von Gutscheinen könnte sich nur durch eine Gesetzesanpassung eindämmen lassen. Technisch geht es nicht, aber über eine Gesetzesanpassung schon.
Angesichts der Nachforderungen werden Sie vermutlich neue Rechnungen schreiben?
Wir sind ein wirtschaftlich agierender Anbieter und müssen kaufmännisch handeln. Wer in der Kneipe ein zweites Glas Bier bestellt, muss dieses auch bezahlen.