Linksaußen zittern BSW und die Linken, in der bürgerlichen Mitte die Liberalen um den Wiedereinzug ins Parlament. Alle drei könnten nach jetzigem Stand unter fünf Prozent bleiben. Für Union, SPD und Grüne fielen damit auch mögliche Bündnispartner weg.
Rundschau-Debatte des TagesBraucht der Bundestag die kleinen Parteien?
Im nächsten Bundestag könnten im Extremfall acht Parteien sitzen – oder auch nur halb so viele. Das hängt davon ab, wie die kleinen Parteien abschneiden. Auch die Koalitionsoptionen bemessen sich daran. Entscheidet am Ende die Fünf-Prozent-Hürde darüber, wohin Deutschland in den kommenden vier Jahren steuert?
Von unten betrachtet wirkt die Fünf-Prozent-Hürde ziemlich hoch. Das erleben nicht nur die FDP und die Linke, sondern auch das Bündnis Sahra Wagenknecht. Das BSW ist nach seinen ersten Wahlerfolgen nun in einigen Umfragen bundesweit auf 4 Prozent abgesackt. Damit findet sich die neue Partei fast auf Augenhöhe mit den 3 bis 4 Prozent der Linken, von denen sich das BSW abgespalten hat. Und auch die Liberalen werden nach dem krachenden Aus der Ampel-Koalition mit nur 3 bis 5 Prozent gemessen.
Alle drei Parteien versichern tapfer, viele Wähler hätten sich noch nicht entschieden. Tatsächlich sagen Umfragen so lang vor dem Termin der Bundestagswahl am 23. Februar wenig aus, und die Fehlermarge ist so groß, dass gemessene 4 Prozent auch 5 oder 3 sein können. Trotzdem lohnt es sich, die drei kleinen Parteien im Blick zu behalten. Denn ihr Erfolg oder Misserfolg könnte die ganze Bundespolitik durcheinanderwirbeln.
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Ein Parlament mit bis zu acht Parteien
„Verschiebungen von wenigen Prozentpunkten haben großen Einfluss auf die Mandatsverteilung“, schreibt Manfred Güllner vom Institut Forsa in einer Analyse. „Würden die Stimmen am Wahlabend der gegenwärtig ermittelten politischen Stimmung entsprechen, wären nur noch vier Parteien im neuen Bundestag vertreten.“ Kämen hingegen BSW, Linke und FDP ins Parlament, säßen dort sieben Parteien. Im Extremfall könnten es sogar acht werden, denn die Freien Wähler versuchen, über drei Direktmandate in Bayern in den Bundestag zu kommen – allerdings mit geringen Chancen.
Koalitionen könnten kompliziert werden
Die Regierungsbildung wäre je nach Ausgang sehr unterschiedlich, wie Güllner schreibt. Denn säßen nur Union, SPD, Grüne und AfD im Parlament, dann hätten Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot nach der Analyse des Meinungsforschers eine klare regierungsfähige Mehrheit. Wären es dagegen sieben Parteien, „hätte die Union dann nur noch mit der SPD und der AfD sowie mit den Grünen und der FDP zusammen“ eine Mehrheit.
Für die drei kleinen Parteien selbst geht es ums Ganze. Linke und FDP haben eine Serie von Wahlniederlagen in den Bundesländern hinter sich, das BSW ist noch im Aufbau. Kippen sie aus dem Bundestag, verlieren sie Aufmerksamkeit und ein Gutteil der staatlichen Finanzierung. Alle drei bemühen sich aber um Zuversicht, dass es für sie klappen wird – und sind überzeugt, sie würden gebraucht.
Linke setzt auf Zuhören an der Basis
„Wir haben allein im letzten Jahr 14.000 neue Mitglieder gewonnen“, argumentiert Linken-Chef Jan van Aken. In den Umfragen gehe es aufwärts. Das werde so weitergehen, da sei er „total optimistisch“. Mehr als 100.000 Mal hätten die Parteimitglieder inzwischen überall in der Republik an die Haustüren geklopft. „Wir wissen, was die Bevölkerung bewegt“, meint van Aken, der auch Spitzenkandidat ist. „Die Mieten und die Preise müssen sinken.“
Die große Hoffnung der Linken ist die „Aktion Silberlocke“: Die drei Parteipromis Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow sollen jeweils ein Direktmandat gewinnen und so mit Hilfe der Grundmandatsklausel den Wiedereinzug in Fraktionsstärke sichern. Sogar das Wort „mitregieren“ hat van Aken jüngst in den Mund genommen, allerdings mit dem Zusatz, das sei vorerst kaum realistisch.
BSW lässt weiter viele Fragen offen
Im Bündnis Sahra Wagenknecht herrscht immer noch Begeisterung über die bisherigen Erfolge. Dass der jungen Partei derzeit der „Wind ins Gesicht“ bläst, führt ihre Gründerin auf ein feindseliges Umfeld zurück. Einige sähen ihre Pfründe bedroht, sagt Wagenknecht. „Und ihre Revanche ist eine öffentliche Lügenkampagne gegen das BSW.“ Die Berichterstattung in Medien sei unausgewogen.
Topthemen sind Frieden und der Import billiger Energie aus Russland. Rätselhaft bleibt, warum Wagenknecht bei so schwachen Umfragewerten als Kanzlerkandidatin antritt. Auf Nachfrage sagt sie: „Die Chancen von Robert Habeck und Alice Weidel aufs Kanzleramt sind nicht größer als meine.“ Unklar ist auch, mit wem das BSW im Bund koalieren könnte. Wagenknecht fordert eine Regierung von Experten ohne Parteibindung, sagt aber: „Natürlich bräuchte es auch dafür eine Koalition.“
FDP will politische Ränder schwächen
Auch die Liberalen machen sich Mut, trotz weiterhin schlechter Umfragewerte nach dem Ampel-Bruch. Der designierte Generalsekretär Marco Buschmann meinte bei „t-online“, erst wenn Plakate im Straßenbild hingen, dächten viele Menschen darüber nach, wen sie wählen wollten. Die FDP werde dann mit ihren Argumenten punkten. Wirtschaftswende und Schuldenbremse sind die Stichworte.
Parteichef Christian Lindner spricht seit Wochen ganz offensiv davon, wieder mitzuregieren, mit der Union als neuem Partner. Seine Strategie: Wählerinnen und Wähler von den politischen Rändern zurückholen. „Ohne AfD und BSW gäbe es längst eine schwarz-gelbe Mehrheit im Deutschen Bundestag“, sagte Lindner jüngst. Diese Rechnung ist vorerst jedoch recht theoretisch: Die AfD kommt in Umfragen auf 20 bis 22 Prozent – und ist damit etwa fünfmal so stark wie die FDP. (dpa)
Linke gibt sich auf ihrem Wahlparteitag geeint
Nach einem euphorischen Parteitag am Wochenende versucht die Linke, bis zum 23. Februar alle Kräfte für den erneuten Einzug in den Bundestag zu mobilisieren. Parteichef Jan van Aken (Foto) zeigte sicher, dass es klappt mit dem Wahlziel: „Die Linke ist wieder da, sie ist so lebendig wie schon lange nicht mehr.“ Die Delegierten wollten ihm bei dem Treffen in Berlin gerne glauben. Immer wieder jubelten sie – auch bei den Reden von Co-Parteichefin Ines Schwerdtner und der Abgeordneten Heidi Reichinnek, die mit van Aken das Spitzenduo zur Bundestagswahl bildet. Das Wahlprogramm verabschiedete der Parteitag ungewöhnlich diszipliniert. Insgesamt fehlte die oft ätzende Schärfe, mit der sich die Genossen bisweilen gegenseitig bedenken.
Topthema für die Partei ist ein bundesweiter Mietendeckel. „Wir werden ihn durchsetzen, weil die Menschen ihn brauchen“, sagte van Aken. Das Programm enthält auf mehr als 60 Seiten einen ganzen Katalog von Forderungen. Darunter ist die Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, Bus, Bahn und Hygieneartikel. Günstigere Energie für Durchschnittsverbraucher soll per „Energie-Soli für Reiche“ finanziert werden. Zudem will die Linke sowohl eine Vermögenssteuer als auch eine Vermögensabgabe. Sie ist für höhere Einkommenssteuern für Gutverdiener und eine höhere Erbschaftssteuer. Rente, Kindergeld und Bürgergeld sollen verbessert, der Mindestlohn auf 15 Euro hochgesetzt werden. Die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland will die Linke verhindern. Die Forderung nach einem sofortigen Nato-Austritt fand aber keine Mehrheit.
Schwerdtner teilte in ihrer Rede vor allem nach rechts aus. Sie unterstellte der Union, diese werde nötigenfalls auch mit der AfD zusammenarbeiten. Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) hat dies zwar ausgeschlossen. Schwerdtner behauptete jedoch, Merz wolle den Sozialstaat „kurz und klein schlagen“. „Und ich halte es auch nicht für ausgeschlossen, dass er es am Ende auch mit der AfD durchsetzen wird, ganz egal, was er vor der Wahl behauptet.“ Die Linken-Chefin nannte die AfD „im Kern eine faschistische Partei“. (dpa)