Bisher sind es nur Reisende, bei denen sich das Chikungunya-Virus in Deutschland nachweisen lässt. Wird die Tropenkrankheit bald zur Gefahr?
Fälle in DeutschlandWie gefährlich ist das Chikungunya-Virus?
Chikungunya – der Name der Tropenkrankheit ist weder geschrieben noch ausgesprochen wirklich eingängig. Doch es ist ein Name, der in Zukunft hierzulande häufiger fallen könnte. Denn die Krankheit, die durch Mücken wie die asiatische Tigermücke übertragen wird, hat mittlerweile auch Deutschland erreicht.
Medikamente und Impfstoffe gegen die Krankheit gibt es bisher nicht, doch das könnte sich bald ändern. Die französische Pharmafirma Valneva hat nun Daten zu einem potenziellen Impfstoff präsentiert.
Chikungunya: Was ist das?
Chikungunya ist eine Viruserkrankung. Auslöser ist das gleichnamige Virus, das Chikungunya-Virus, erstmals in den 1950er-Jahren in Tansania entdeckt. Übertragen wird es durch Stechmücken der Gattung Aedes albopictus (Tigermücke) und Aedes aegypti (Gelbfiebermücke). Diese Mücken sind besonders in tropischen und subtropischen Gebieten wie in Teilen Afrikas, auf dem indischen Subkontinent, in Südostasien sowie auf Inseln im Indischen Ozean verbreitet. Der Name „Chikungunya“ bedeutet so viel wie „der gekrümmt Gehende“. Es ist eine Anspielung auf die Symptome, die das Chikungunya-Virus verursachen kann.
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Chikungunya-Virus: Was sind die Symptome?
Vom Stich der Mücke bis zu den ersten Krankheitszeichen dauert es in der Regel rund eine Woche. Die ersten Symptome, die bei Betroffenen auftreten, sind plötzlich starke Gelenkschmerzen an Händen und Füßen, heißt es auf der Internetseite des Auswärtigen Amts. Hinzu kommen können hohes Fieber, Hautausschläge, Übelkeit, Appetitlosigkeit und Erbrechen sowie Blutergüsse. Es sind aber auch asymptomatische Verläufe möglich. Normalerweise klingt das Chikungunya-Fieber nach circa ein bis zwei Wochen von selbst wieder ab, ohne Schäden zu hinterlassen. Todesfälle sind selten. Nichtsdestotrotz beeinträchtigt die Erkrankung den Gesundheitssektor in den betroffenen Regionen. Denn gerade Risikopersonen wie Neugeborene, ältere Menschen und Personen mit chronischen Krankheiten können auch schwere Krankheitsverläufe entwickeln. Wer die Krankheit überstanden hat, ist danach lebenslang immun.
Chikungunya: Wie groß ist die Gefahr in Deutschland?
Bisher konnte das Chikungunya-Virus nur bei Reisenden in Deutschland nachgewiesen werden. Das Robert Koch-Institut (RKI) schreibt in seinem jüngsten Epidemiologischen Bulletin (22/2023), dass es in den Monaten Juli bis September in den Jahren 2017 bis 2019 im Durschnitt zehn Fälle pro Jahr gegeben habe. In diesem Jahr sind es bisher 17 Fälle. Infektionen von in Deutschland lebenden Menschen seien noch nicht registriert worden, erklärt das RKI. Die Gefahr, sich mit dem Chikungunya-Virus zu infizieren, ist also aktuell sehr gering. Allerdings warnt die Behörde: „Mit möglichen autochthonen menschlichen Chikungunya-Virus-Infektionen (Infektionen, bei denen sich Menschen infizieren, die in Deutschland leben, Anm. d. Red.) ist im Sommer zu rechnen.“
Chikungunya: Warum könnte sich die Krankheit hierzulande zunehmend verbreiten?
Die Warnung des RKI ist nicht unbegründet. Denn Mücken, die das Chikungunya-Virus übertragen, werden durch den Klimawandel zunehmend in Europa heimisch. Die steigenden Temperaturen und milderen Winter sorgen dafür, dass sie auch in Deutschland mehr Lebensräume finden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen auf die Mücken treffen, steigt. Die Asiatische Tigermücke ist etwa schon im Oberrheintal und in anderen Gebieten Baden-Württembergs zu finden, aber auch in Hessen, Bayern und Thüringen. Modellierungen ergaben, dass ein Großteil Deutschlands bis 2040 für die Besiedlung durch die Mückenart geeignet sein könnte, schreibt das RKI in seinem aktuellen Sachstandsbericht „Klimawandel und Gesundheit“.
Chikungunya: Wie kann man sich vor den Mücken schützen?
Um sich vor den Mücken zu schützen, können Repellents eingesetzt werden – also Vergrämungsmittel wie Mückensprays. Sie überdecken die Gerüche, die den Menschen für die Insekten so anziehend machen. Oder anders ausgedrückt: Die Mücken können den Menschen so nicht mehr „riechen“. In Gebieten, in denen besonders viele Chikungunya-Virus übertragende Mücken leben, können Moskitonetze helfen. Sie können wie ein Zelt zum Beispiel über das Bett gespannt werden. In der Regel haben die Netze eine besondere Imprägnierung, sodass die Insekten nicht darauf landen oder hindurchkommen können. Diese Präventionsmaßnahmen sind wichtig, weil es kein Medikament gegen Chikungunya gibt. Bisher können Ärztinnen und Ärzte nur die Symptome der Betroffenen behandeln. Auch ein Impfstoff steht derzeit nicht zur Verfügung. Aber der französische Pharmakonzern Valneva hat einen aussichtsreichen Kandidaten in Arbeit.
Chikungunya: Was für einen Impfstoff hat Valneva entwickelt?
Pharmaunternehmen Valneva hat einen Lebendimpfstoff gegen das Chikungunya-Virus entwickelt. Der Name: VLA1553. Er enthält geringe Mengen des Virus in abgeschwächter, nicht krankmachender Form. Das Immunsystem kommt mit dem Erreger in Kontakt und stellt entsprechende Antikörper her, die ihn bekämpfen. Nach Ansicht von Peter Kremsner hat das Vakzin jedoch einen „Schönheitsfehler“: Es ist nicht für Schwangere und Menschen mit einer Immunschwäche geeignet, die zu den Risikopersonen gehören. Dennoch: „Der Chikungunya-Impfstoff VLA1553 von Valneva sieht […] sehr vielversprechend aus und würde die Krankheitslast in den am stärksten betroffenen Regionen sicherlich deutlich senken“, sagt der Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie am Universitätsklinikum Tübingen.
Chikungunya: Wie wirksam ist der Impfstoff?
Erste Wirksamkeitsdaten hat Valneva am Montag im Fachmagazin „The Lancet“ präsentiert. An der Studie hatten 4115 Menschen teilgenommen – 3082 hatten eine Dosis des Impfstoffs erhalten, 1033 ein Placebopräparat. Die Immunantwort auf das Vakzin war jedoch nur bei einer Untergruppe, bestehend aus 362 Teilnehmenden, untersucht worden. Von diesen 362 Freiwilligen hatten 266 den Impfstoff und 96 den Placebowirkstoff bekommen. Das Ergebnis: Bei 99 Prozent der knapp 270 Menschen, die VLA1553 injiziert bekamen, war 28 Tage später eine Immunreaktion nachweisbar. Sie hatten Antikörper gegen das Chikungunya-Virus entwickelt, die bis zu 180 Tage nach der Impfung anhielten.
„Doch letztlich sagen die knapp 99 Prozent Seropositiven nichts über wirklichen Schutz aus“, gibt Kremsner zu bedenken. „Es bedeutet nur, dass in 99 Prozent der Fälle die vorher definierten Antikörperspiegel erreicht wurden. Damit hat man noch nicht automatisch den Ausbruch der Krankheit verhindert.“ Die Forschenden konnten in ihrer Studie lediglich eine Immunreaktion auf dem Niveau testen, von dem man annimmt, dass es vor der Krankheit schützt, wenn man sich mit dem Virus infiziert. Doch Kremsner sieht noch einen weiteren Knackpunkt bei der Forschungsarbeit: „Man hat nicht diejenigen angeschaut, die man hauptsächlich schützen möchte.“
Die Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer stammten aus den USA. Ein Land, in dem das Virus ähnlich stark verbreitet ist wie in Deutschland. Besser wäre es gewesen, den Impfstoff in einer Region zu testen, in der das Chikungunya-Virus endemisch ist, also in der es fortwährend auftritt. „Das heißt, man weiß nicht so viel über die Immunreaktion nach Impfung, wenn der Geimpfte zum Beispiel schon einmal Chikungunya hatte, also längst schon Antikörper entwickelt hat“, sagt der Tropenmediziner. „Letzten Endes ist es so strenggenommen erstmal „nur„ eine Reiseimpfung.“
Hat der Impfstoff Nebenwirkungen?
VLA1553 wurde im Allgemeinen gut vertragen, schreiben die Studienautorinnen und Studienautoren. Die häufigsten Reaktionen auf den Impfstoff waren Kopfschmerzen (32 Prozent), Müdigkeit (29 Prozent), Muskelschmerzen (24 Prozent), Gelenkschmerzen (18 Prozent) und Schmerzen an der Einstichstelle (13 Prozent). Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei zwei Prozent der 3082 Geimpften auf.
Zwei Fälle standen dabei in Zusammenhang mit dem Impfstoff: Eine Frau mit einer Vorgeschichte mit Fibromyalgie, eine chronische Schmerzerkrankung, litt nach der Impfung unter leichten Muskelschmerzen; eine andere Person musste wegen Fieber im Krankenhaus behandelt werden. Beide Fälle endeten nicht tödlich.
Auffällig in der Studie war jedoch etwas anderes: eine erhöhte Fehlgeburtenrate. Während des Untersuchungszeitraums wurden 15 Teilnehmerinnen schwanger, von denen 13 den Impfstoff erhielten. Neun Babys kamen gesund zur Welt, bei drei kam es zu Fehlgeburten vor der 20. Schwangerschaftswoche. Bei einem Säugling konnten die Forschenden die Eltern für die Nachbeobachtung nicht mehr kontaktieren. Mit 23 Prozent war die Fehlgeburtenrate also statistisch höher als in der Allgemeinbevölkerung. Grund für die erhöhte Fehlgeburtenrate könnte die kleine Stichprobengröße sein, betonen die Forschenden. Bei einer Fehlgeburt konnten genetische Ursachen festgestellt werden, bei einer zweiten hatte die Mutter ein erhöhtes Risiko aufgrund ihres hohen Body-Maß-Index und früherer Fehlgeburten. Bei der dritten Fehlgeburt konnten die Studienautorinnen und Studienautoren keine Ursache ausmachen. Juan Carlos Jaramillo, Chief Medical Officer bei Valneva, stellt fest: „Ein unabhängiges Data Safety Monitoring Board hat die Sicherheitsdaten während der Studie ausgewertet und nach Auswertung aller gemeldeten unerwünschten Ereignisse keine Sicherheitsbedenken festgestellt.“ Die Forschenden weisen in ihrer Arbeit dennoch darauf hin, dass der Chikungunya-Impfstoff nach der Zulassung weiter überwacht werden müsste.
Wann könnte der Impfstoff in Europa zugelassen werden?
Zulassungsanträge für den Chikungunya-Impfstoff von Valneva liegen den Behörden in den USA, Kanada und der EU vor. Bis Ende August will die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA nach Angaben von Valneva über den Zulassungsantrag entscheiden. Wann die anderen Behörden eine Entscheidung treffen, ist noch nicht absehbar. Wichtig wird dabei vor allem das Nutzen-Risiko-Verhältnis sein. VLA1553 wäre der erste am Menschen erprobte Impfstoff gegen Chikungunya. Der französische Pharmakonzern arbeitet bereits an einem weiteren Chikungunya-Impfstoff – dieses Mal für Kinder. Denn um die endemische Krankheit erfolgreich zu bekämpfen, bräuchten auch sie ein Vakzin, räumen die Studienautorinnen und Studienautoren ein. Eine entsprechende Studie wird derzeit in Brasilien durchgeführt. (dpa)