Die Ampel in Bergisch Gladbach ist Geschichte, die FDP ist ausgestiegen. Grüne und SPD fehlt nun eine Mehrheit im Rat.
Nach FDP-AusGrüne und SPD in Bergisch Gladbach suchen nach Lösungen
Aus der Gladbacher Ampel-Koalition ist über Nacht ein rot-grünes Zweierbündnis geworden, nach einem nächtlichen Politkrimi und Sondersitzungen der Fraktionen.
„An dieser Zusammenarbeit wollen wir festhalten“, verdeutlicht der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus W. Waldschmidt in einer eilends am Dienstagmittag einberufenen Pressekonferenz mit der grünen Fraktionsvorsitzenden Theresia Meinhardt. Dem Zweierbündnis fehlt aber eine Mehrheit im Rat.
Bergisch Gladbach: Anruf in der Nacht
Noch in der Dienstagnacht hatte Meinhardt deswegen bei der Fraktion der Freien Wählergemeinschaft FWG angerufen und um ein Gespräch gebeten, mit den beiden Stimmen der FWG von Rainer Röhr und Benno Nuding und dem Votum von Bürgermeister Frank Stein (SPD) läge man bei 29:28 im Stadtrat. „Wir werden uns in der kommenden Woche mit der Freien Wählergemeinschaft treffen“, kündigt die grüne Ratspolitikerin am Dienstagmittag an.
Einen Koalitionsvertrag mit einem neuen Partner strebe man aber nicht an, ergänzt Waldschmidt. Eher gehe es um themenbezogene Zusammenarbeit. Der Blick zu anderen Fraktionen, Waldschmidt nennt hier nur die CDU, sei ja üblich, und auch die FDP werde sicher in vielen Themen weiter mitstimmen.
Beim Pressegespräch lässt Meinhardt aber keinen Zweifel daran, dass die Liberalen aus ihrer Sicht vieles blockierten. In den Politikerrunden habe es „Endlosschleifen-Debatten“ gegeben, mit Zugeständnissen beim Handlungskonzept Wohnen sei man auf den Partner zugegangen. Der Kern, die 30-Prozent-Quote für öffentlich geförderten Wohnraum, sei für die Grünen nicht verhandelbar gewesen. „Und ohne diese Passage hätten wir vor zwei Jahren den Koalitionsvertrag nicht abgeschlossen.“
Auch mit wechselnden Mehrheiten könne gearbeitet werden. Das Handlungskonzept Wohnen mit der von der FDP abgelehnten 30-Prozent-Quote für geförderte Wohnungen bekomme eine Mehrheit, sagt Waldschmidt, die Freien Wähler würden es auch unterstützen. Bei zahlreichen Abstimmungen habe es in der Vergangenheit bereits Mehrheiten mit Ampel und Freien Wählern gegeben.
Bergisch Gladbach: SPD und Grüne werfen FDP Bruch des Koalitionsvertrags vor
Noch in der Nacht zu Dienstag hatten SPD und Grüne auf den Ausstieg der FDP reagiert und den Liberalen den Bruch des Koalitionsvertrags vorgeworfen. Wie berichtet hatte die FDP insbesondere das Festhalten der Koalitionspartner an der 30-Prozent-Quote für geförderte Wohnungen („Sozialwohnungen“) in neuen Bebauungsplangebieten trotz rasant gestiegener Zinsen und Baukosten kritisiert.
SPD und Grüne wiesen mit ihrer nächtlichen Mitteilung diese Vorwürfe zurück: Bezahlbarer Wohnraum sei „ein zentrales Wahlversprechen aller drei Parteien“ gewesen und zudem in dem „bereits vor der Wahl von allen Mitgliederversammlungen der Ampelparteien beschlossenen Grundlagenpapier (2019)“ aufgeführt.
Darin habe es unter der Zwischenüberschrift „Neuen bezahlbaren Wohnraum schaffen“ geheißen: „Große Neubauprojekte „auf der grünen Wiese“ sind also realistischerweise nicht in Sicht. Das darf aber nicht bedeuten, dass die Forderung nach mehr bezahlbarem Wohnraum ins Leere läuft. […] Die Konversionsprojekte „Steinbüchel“, „Wachendorff“ und „Cox“ werden ebenfalls neuen bezahlbaren und in erheblichem Teil sozial geförderten Wohnraum schaffen. Vor allem aber für das Zanders-Gelände muss zukünftig zeitgemäßer und bezahlbarer Mietwohnraum geplant und realisiert werden.“
„Dieses klare Bekenntnis zum bezahlbaren Wohnen in unserer Stadt ist und war für uns Geschäftsgrundlage“, konstatieren SPD und Grüne in ihrer Replik auf den Ausstieg der FDP aus der Ampelkoalition. Dabei zitieren sie aus dem Koalitionsvertrag: „Bei der Ausweisung von neuen Bebauungsplänen werden wir einen Anteil von mindestens 30 Prozent gefördertem und 30 Prozent preisgedämpften Wohnungsraum anstreben.“
Die FDP hatte sich unterdessen in ihrer Ablehnung der 30-Prozent-Regelung auf Experten aus der Immobilienwirtschaft berufen, die bei einer Anhörung mehrheitlich die Auffassung der Liberalen unterstützt hätten. „Potenzielle Investoren dürfen nicht durch Dirigismus und Ideologie verschreckt werden“, so FDP-Ortsvorsitzende Dorothee Wasmuth.
Nach Darstellung von SPD und Grünen haben die beiden Fraktionen versucht, noch eine „einvernehmliche Lösung zu finden“. Sie werfen der FDP vor, nicht kompromissbereit gewesen zu sein und den „Koalitionsvertrag an einer für uns entscheidenden Stelle gebrochen“ zu haben. Möglich sei, so die beiden Fraktionen, in begründbaren Fällen eine Öffnungsklausel sowie Ausnahmen bei kleineren Bauprojekten.