Angesichts stark steigender Gewaltdelikte in nordrhein-westfälischen Kliniken befürwortet die schwarz-grüne Landesregierung die Ausstattung von Pflegepersonal und Ärzteschaft mit Kittel-Kameras.
Kommt die Kittel-Kamera?Immer mehr Attacken auf Klinikpersonal – NRW rät zu Bodycams

Die Zahl der erfassten Angriffe auf Klinikpersonal steigt.
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„Die Einführung von Bodycams für Krankenhauspersonal kann grundsätzlich ein Mittel zur Gewaltprävention sein. Sichtbare Kameras können eine deeskalierende Wirkung haben und dazu beitragen, Übergriffe zu reduzieren“, erklärte das NRW-Innenministerium jetzt im Einvernehmen mit dem zuständigen Gesundheitsministerium auf parlamentarische Anfrage der AfD-Landtagsfraktion.
Bislang werden Bodycams vorwiegend von Polizei, Ordnungsdienst und Zugbegleitern genutzt, um sich vor Angriffen zu schützen oder eine Strafverfolgung zu erleichtern. Die kleinen Kameras böten aber auch im Krankenhaus „die Möglichkeit der Beweissicherung, was sowohl dem Schutz des Personals als auch der Aufklärung von Vorfällen dienen kann“, so die Landesregierung. Allerdings handele es sich um eine weitreichende Maßnahme, die nur unter klaren Rahmenbedingungen umgesetzt werden solle.
Konzepte zum Einsatz der Kameras
Die Krankenhäuser müssten unter der Berücksichtigung von Datenschutz und Persönlichkeitsrechten transparente Konzepte erarbeiten, wann und unter welchen Umständen die Kameras eingeschaltet werden dürfen.
2024 waren in den landesweit gut 300 Krankenhäusern 1256 Gewaltdelikte angezeigt worden. Das bedeutete im Zehn-Jahres-Vergleich fast eine Verdoppelung der Fallzahlen. Wegen der Übergriffe insbesondere in der Notaufnahme hatte eine Dortmunder Klinik zuletzt die Einführung von Bodycams im Laufe dieses Jahres angekündigt. Das Personal solle dabei in der Dienstzeit selbst entscheiden, wann das Tragen einer Kamera und die Filmaufnahme ratsam erscheinen.
Damit gewinnt für Debatte über Angriffe gegen medizinisches Personal in NRW weiter an Brisanz. Im vergangenen Herbst hatte ein vielbeachteter Übergriff am Essener Elisabeth-Krankenhaus, der Angehörigen aus dem Clan-Milieu zugeordnet wurde, das Problem auf die politische Agenda gehoben. Die Landesregierung unterstützte einen neuen Sicherheitsleitfaden, den die Krankenhausgesellschaft (KGNW) für alle Kliniken in NRW entwickelt hat.
Unklar ist aber weiterhin, ob erhöhte Kosten für Sicherheitspersonal oder Alarmsysteme als Investitionskosten vom Land oder als Betriebskosten vom Bund übernommen werden sollen. Einer Branchenumfrage zufolge haben 94 Prozent der Beschäftigten in deutschen Notaufnahmen schon verbale Gewalt erlebt, mehr als zwei Drittel sogar körperliche Attacken.
Bei einer Expertenanhörung im Landtag zu Jahresbeginn hatte Frank Bergmann von der Kassenärztlichen Vereinigung eine „exponentielle“ Steigerung der Gewaltbereitschaft unter Patienten bilanziert. Es fehle gerade in Notaufnahmen und Notdienstpraxen die Einsicht, dass nicht der Zeitpunkt des Eintreffens über die Reihenfolge Behandlung entscheidet, sondern die Schwere des Leidens.