Häufig werden Häuser im Kreis zwangsversteigert – ein Schnäppchen macht man selten. Zwei Rechtspflegerinnen berichten aus ihrem Alltag.
ImmobilienBei Zwangsversteigerungen im Kreis Euskirchen sind Schnäppchen selten geworden
„195.000 Euro zum Ersten, 195.000 Euro zum Zweiten, 195.000 zum Dritten – Wird noch mehr geboten?“ Karin Nett blickt fragend in die Gesichter der Anwesenden. Niemand rührt sich. „Herzlichen Glückwunsch, in dieser Sekunde sind Sie Eigentümer geworden“, verkündet die Rechtspflegerin in Richtung Liridon Uka.
Ein Einfamilienhaus für die Hälfte des Verkehrswerts
Der 36-Jährige freut sich. Sein neues Eigentum: ein Einfamilienhaus im Euskirchener Stadtgebiet mit ausgebautem Dachgeschoss und Garage, Baujahr 2006, Wohnfläche etwa 158 Quadratmeter, Verkehrswert: 390.000 Euro.
Uka hat es für die Hälfte bekommen. Der Betrag, der bei diesem Termin mindestens geboten werden musste, sonst hätte das Gericht den Zuschlag verweigert. Das sei die Fünf-Zehntel-Grenze, sagt Maike Tüchsen. Sie bestehe im ersten Termin und solle verhindern, dass eine Immobilie verramscht werde. Tüchsen ist ebenfalls Rechtspflegerin und mit Nett im Amtsgericht Euskirchen für Zwangsversteigerungen zuständig.
Die Fünf-Zehntel-Grenze sei eine von drei wichtigen Zahlen bei Zwangsversteigerungen. Die anderen seien das geringste Gebot und die Sieben-Zehntel-Grenze. Das geringste Gebot sei der Preis, der geboten werden müsse, um die Kosten der Versteigerung zu decken. „Das ist ein bisschen wie der Grundpreis bei Ebay“, sagt Nett.
Die Sieben-Zehntel-Grenze besteht ebenfalls nur im ersten Termin. Sollte weniger als 70 Prozent des Verkehrswertes geboten werden, könne der betreibende Gläubiger Nein sagen, so Tüchsen.
In der Schnäppchenzeit gab es Häuser für 15 000 Euro
Im Fall des Euskirchener Einfamilienhauses belief sich das geringste Gebot auf rund 10 000 Euro. Die Sieben-Zehntel-Grenze lag bei 273 000 Euro und wurde mit Ukas Gebot deutlich unterschritten. Die Kreissparkasse Euskirchen ließ als betreibender Gläubiger den Zuschlag erteilen. Die gebotenen 195.000 Euro reichten offenbar, um die Schulden zu begleichen.
„Da haben Sie ein Schnäppchen gemacht“, ruft der Vertreter der Sparkasse Uka nach der Versteigerung zu. Ungewöhnlich in diesen Zeiten. Seit etwa zweieinhalb Jahren werde fast alles über Wert versteigert, berichtet Tüchsen. Früher war das anders. „Ich bin seit zehn Jahren dabei und habe die Schnäppchenzeit noch miterlebt. Da gab es Häuser für 15 000 Euro“, berichtet Nett.
Dass Uka das Haus für den vergleichsweise geringen Preis ersteigern konnte, lag auch daran, dass kaum einer zu dem Termin gekommen war. Ein junges Pärchen wollte sich lediglich mal eine Versteigerung angucken, zwei andere Besucher blieben stille Beobachter. Außer Uka gab es nur einen anderen Interessenten. Der konnte aber kein Gebot abgeben, weil dem Gericht kein Vermerk über die gezahlte Sicherheitsleistung vorlag.
Ohne vorliegende Sicherheitsleistung wird das Gebot nicht angenommen
Die liege immer bei zehn Prozent des Verkehrswertes, erklärt Tüchsen. Der betreibende Gläubiger könne diese einfordern. Der Betrag müsse mit Abgabe des Gebots bezahlt werden, so die Rechtspflegerin.
Bietinteressenten haben dazu drei Möglichkeiten: ein Scheck, eine Bankbürgschaft oder man überweist das Geld vorab an die Zentrale Zahlstelle der Justiz.
Letzteres hatte auch Ukas Konkurrent nach eigenem Bekunden getan. Allerdings erst wenige Stunden vor Beginn der Versteigerung. Beim Amtsgericht lag noch kein Vermerk vor, und ohne diese Bestätigung wollte die Sparkasse das Gebot nicht annehmen. Eine halbe Stunde lang versuchte der Mann mit seinen beiden Begleitern noch irgendetwas zu erreichen. Ohne Erfolg.
Die Bietzeit betrage immer mindestens 30 Minuten, berichtet Nett. Werde noch weiter geboten, dauere es länger, aber ohne weitere Gebote sei dann Schluss. Pech für den einen, Glück für Uka. Für ihn ist so eine Versteigerung ein Geschäftstermin.
Versteigerung von Ferienhäusern musste wegen des Andrangs auf den Parkplatz verlegt werden
Mit seiner Firma saniert er die Häuser und verkauft sie wieder. „Man hat so einen Gewinn von 25 Prozent“, berichtet er. Nett und Tüchsen kennen Uka und seine Leute schon. „Ich bin eigentlich immer dabei“, sagt der junge Mann und lacht. Es sei fast schon wie eine Sucht.
Ein Kribbeln im Bauch verspürt auch die erfahrene Nett vor jedem Termin: „Wir haben natürlich Lampenfieber.“ Sie trage eine hohe Verantwortung. Eine Versteigerung, bei der sie besonders aufgeregt war: Während der Pandemie habe sie zwei Wald-Ferienhäuser versteigert. 300 Leute seien da gekommen. Aus Platzmangel habe man die Versteigerung auf den Parkplatz verlegt, und alle Kollegen hätten aus den Fenstern zugesehen, erinnert sich die Rechtspflegerin.
Sie und Tüchsen haben schon einiges erlebt. Sie versuchten immer auch Kontakt zu den Eigentümern der Versteigerungsobjekte zu haben und bekommen viele traurige Schicksale mit. Das könne belastend sein. Aber: „Auch auf der anderen Seite steht jemand“, sagt Nett. So habe sie in ihrem Job ebenso die Möglichkeit, Menschen feierlich die Schlüssel zu ihrem ersten Eigenheim zu übergeben. Ganz so feierlich läuft es bei Liridon Uka nicht ab. Als professioneller Bieter ist er das Prozedere schon gewohnt.
Nicht immer geht es um Schuldenbegleichung
Zwei Arten von Zwangsversteigerung gibt es laut den Rechtspflegerinnen Maike Tüchsen und Karin Nett. Zum einen die Zwangsversteigerung im Wege der Zwangsvollstreckung. Dabei gehe es darum, dass ein Gläubiger (meistens eine Bank) sein Geld eintreiben wolle. „Das ist meistens das bittere Ende einer langen Kette“, berichtet Nett.
Daneben gibt es noch die Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung einer Gemeinschaft, auch Teilungsversteigerung. Diese komme zum Zug, wenn mehrere Parteien im Grundbuch stehen, sich aber nicht einigen könnten, beispielsweise bei Scheidungen oder Streitereien unter Erben, erklärt Tüchsen. Geld sei einfacher aufzuteilen als ein Grundstück oder Haus.
Es wird also nicht versteigert, um Schulden zu begleichen. Etwaige Lasten bleiben deshalb auf dem Grundstück bestehen und müssen vom neuen Eigentümer bezahlt werden. Das kann abschrecken.
Wie ein Fall von Tüchsen kurz vor Ostern veranschaulicht. Zu ersteigern gab es ein Einfamilienhaus in Euskirchen mit ca. 91m² Wohnfläche. Verkehrswert: 140.000 Euro. Das geringste Gebot lag aufgrund der Lasten bei knapp 120.500 Euro. Nur sechs Leute kamen zu der Versteigerung. Als sie den Preis hörten, verabschiedete sich einer nach dem anderen. Das Verfahren wurde eingestellt.