Ralf Stegner sah sich beim ARD-Talk harscher Kritik ausgesetzt – für Fehler der SPD in der Vergangenheit und eine zögerliche Politik.
Zoff bei Anne WillProfessorin wirft SPD-Politiker Stegner „Kaputte-Panzer-Pazifismus“ vor
Beim Talk von Anne Will hat die Runde am Sonntagabend über den richtigen Umgang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestritten. Teilweise heftig gerieten die Gäste aneinander. Harsche Kritik musste insbesondere SPD-Politiker Ralf Stegner einstecken. Außerdem diskutierten Gerhart Baum (FDP), André Wüstner (Vorsitzender des Bundeswehrverbandes), Hedwig Richter (Professorin für Geschichte an der Universität der Bundeswehr München) und Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff.
Das Thema lautete „Rüsten für den Frieden – Welche Lehren zieht Deutschland aus der Zeitenwende?“, und wie in so vielen Talk-Runden zuvor drehte es sich um deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine und die neue Bedeutung der Bundeswehr, die durch die von Kanzler Olaf Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ und das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro nun besser dastehen sollte als vor einem Jahr.
André Wüstner: Bundeswehr-Angehörige müssen in Campingmobilen vor Kasernen stehen
Dass dies allerdings nicht so ist, wird von den Gästen im ARD-Talk kritisch angemerkt. André Wüstner spricht von dem immer noch beklagenswerten Zustand der Truppe. Es fehle an allem. Er sehe immer noch „Soldatinnen und Soldaten mit Wohnmobilen und VW-Bussen in den Kasernen stehen, weil wir es nicht mehr schaffen, Unterkünfte zur Verfügung zu stellen“, empört er sich. Er berichtet von Panzern, die im Mai 2022 von der Bundeswehr bestellt wurden und im Januar darauf noch nicht bewilligt waren. Wüstner beklagt den noch immer mangelnden politischen Willen, der Bundeswehr einen anderen Stellenwert zuzumessen.
Die Historikerin Hedwig Richter springt Wüstner bei. Bei der Ausrüstung der Bundeswehr hätte die Politik viel eher handeln müssen, denn spätestens 2014 nach der Annexion der Krim durch Russland wären Wladimir Putins Absichten klar gewesen. Sie fordert auch eine offenere, klarere Kommunikation. Durch die „Zeitenwende“ würden konkrete Veränderungen für die Bevölkerung kommen, und das sollte man auch ehrlich sagen. „Es werden Zumutungen auf uns zukommen“, so Richter.
Sowohl Wüstner als auch Richter wenden sich mit ihrer Kritik an Ralf Stegner. Stegner, eher als Bremser bei Waffenlieferungen bekannt, lässt viele Argumente an sich abperlen. „Die Neunmalklugen wussten es schon immer“, sagt er zum Vorwurf der jahrzehntelangen Russlandfreundlichkeit der SPD. Auch der Fehler des Herunterwirtschaftens der Bundeswehr sei „gemeinsam begangen worden“. Das Verteidigungsministerium sei in den vergangenen 16 Jahre schließlich auch nicht von der SPD besetzt gewesen.
Stegner beruft sich in seiner zurückhaltenden Position bei Waffenlieferungen auf Umfragen: „Es gibt ja gute Gründe, dass die Deutschen skeptisch sind. Ich bin auch Kriegsgegner.“ Dieser Ansicht stimme „ein großer Teil der Deutschen zu“.
Professorin Hedwig Richter greift Ralf Stegner an
Richter kontert: „Demokratie heißt nicht, dass man immer nur auf die Umfragen schaut. Demokratie ist nicht Demoskopie!“, stellt sie klar und wünscht sich mehr politischen Mut. Sie nimmt Stegner und die Politik der Sozialdemokraten aufs Korn. Diese hätten aus ihrer Sicht lange „einen Kaputte-Panzer-Pazifismus betrieben“, findet sie. Bei den Sozialdemokraten habe die Einstellung geherrscht: „Es gibt irgendwie die Bundeswehr und wir müssen da auch investieren, aber funktionieren soll sie nicht“, so Richter.
Auch zur Verankerung der Bundeswehr im Alltag der Deutschen äußert sie sich. „Jeder Idiot hat sich ermächtigt gefühlt, Soldaten im Zug anzupöbeln!“, kritisiert sie die aus ihrer Sicht mangelnde Wertschätzung, welche die Bevölkerung ihrer Armee entgegengebracht habe.
„Anne Will“: FDP-Politiker Gerhart Baum ist für Waffenlieferungen an die Ukraine
Gerhart Baum, FDP-Urgestein, hat sich schon in der Vergangenheit häufig für Waffenlieferungen ausgesprochen, um die Ukraine zur Selbstverteidigung zu ermächtigen. Er kritisiert die langjährige SPD-Politiker: „Das Zögern von dem Scholz soll man nicht verschweigen“, schimpft Baum. Er hofft, dass auch nun endlich der politische Wille in Deutschland da sei.
Mit Blick auf die Vergangenheit beklagt er den deutschen „Sonderweg“. Dieser sei bei Nord Stream 2 beschritten worden, und auch heute glaubten viele hierzulande, sie „könnten in solchen Situationen den Frieden retten ohne Waffen“. (cme)