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„Potemkin hätte Freude“Nur ein Panzer – Putin nutzt abgespeckte Parade für Propaganda

Lesezeit 4 Minuten

Von 78 Jahren feierte die Sowjetunion den Sieg über Nazi-Deutschland. Auf der Gedenkfeier spricht Wladimir Putin vor Tausenden Soldaten.

Kaum Panzer, keine Luftwaffen-Show, kurze Rede: Wladimir Putin hat bei einer deutlich abgespeckten Militärparade zum Gedenken an den Sieg über Nazideutschland dem Westen vorgeworfen, einen „Krieg“ gegen Russland gestartet zu haben. „Ein Krieg wurde gegen unser Vaterland entfesselt“, erklärte der Kremlchef in seiner Rede auf dem Roten Platz, in der er versuchte, Russland als Opfer darzustellen.

Wladimir Putins Rede bei Militärparade in Moskau bietet keine Überraschungen

„Aber wir haben den internationalen Terrorismus zurückgeschlagen, wir werden die Einwohner des Donbass beschützen und wir werden unsere Sicherheit gewährleisten“, fügte der russische Präsident hinzu. „Die westlichen Eliten provozieren blutige Konflikte, säen Hass, Russophobie und aggressiven Nationalismus“, behauptete Putin und bemängelte zugleich, „traditionelle Familienwerte“ würden durch den Westen zerstört.

Russische Soldaten marschieren über den Roten Platz.

Russische Soldaten marschieren über den Roten Platz.

Damit entsprach die Rede des Kremlchefs der bisherigen russischen Propaganda, die darauf ausgerichtet ist, Russland als Opfer darzustellen. Erneut behauptete Putin, der Westen strebe „den Zerfall und die Zerstörung“ Russlands an. „Arroganz und Freizügigkeit verwandeln sich unweigerlich in Tragödien“, erklärte der Kremlchef und unterstrich damit erneut, dass ihm freiheitliche Demokratien ein Dorn im Auge sind.

Abgespeckte Militärparade auf dem Roten Platz: Nur ein Panzer, keine Luftwaffe – und weniger Zuschauer

Die Parade in Russland war in diesem Jahr mit Spannung erwartet worden, nachdem in der Vorwoche zwei Drohnen den Kreml erreicht hatten und erst kurz über dem Dach des Senatsgebäudes abgeschossen werden konnten. Der Kreml warf der Ukraine vor, hinter dem vermeintlichen Angriff zu stecken. Kiew hat den Vorwürfen vehement widersprochen.

Während eine Beteiligung der Ukraine an dem vermeintlichen Angriff nicht ausgeschlossen werden kann, vermuten viele Experten eine Operation unter falscher Flagge hinter dem Vorfall. Auch dass die Drohnen von russischen Widerstandsgruppen gestartet wurden, gilt nicht als ausgeschlossen.

Ein einsamer T34-Panzer führt Putins Parade in Moskau an

Aufgrund der vermeintlichen Attacke, die Moskau als Attentat auf Putin verkaufen wollte, waren die Sicherheitsvorkehrungen in Russland massiv verstärkt worden. Teile der traditionell sehr opulenten Militärparade wurden abgesagt.

So bot sich Beobachtern am Dienstag ein ungewohntes Bild: Lediglich ein einziger Panzer war bei der Militärparade zu sehen. In den Vorjahren hatte der Kreml stets diverse Panzer-Modelle auffahren lassen. In diesem Jahr führte ein T34-Panzer die Parade einsam an. Moderne Panzer waren nicht zu sehen. Auch die russische Luftwaffe war in diesem Jahr kein Teil der Parade. Einen Traditionsmarsch unter der Beteiligung Putins hatte Moskau bereits im Vorfeld abgesagt.

Olaf Scholz reagiert auf Wladimir Putin: „Lassen wir uns nicht einschüchtern!“

Bundeskanzler Olaf Scholz reagierte kurz nach der Parade in Moskau auf Putins Rede. Der SPD-Politiker warf dem russischen Präsidenten bei einer Rede vor dem Europaparlament militärisches „Machtgehabe“ vor. Putin lasse in Moskau an diesem 9. Mai „seine Soldaten, Panzer und Raketen aufmarschieren“, sagte Scholz. „Lassen wir uns nicht einschüchtern von solchem Machtgehabe! Bleiben wir standhaft in unserer Unterstützung der Ukraine.“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reagierte bis zum Dienstagmittag nicht auf die Rede Putins. „Möge der Sieg über das gegenwärtige Übel des Russismus die beste Ehre für die Erinnerung an diejenigen sein, die gegen den Nazismus gekämpft und ihn besiegt haben“, hatte Selenskyj zuvor mit Blick auf den 9. Mai erklärt.

Experten über Wladimir Putin: „Potemkin hätte seine Freude an der Propaganda“

Anton Geraschtschenko, Berater des ukrainischen Innenministeriums, wurde deutlicher – und verwies auf den geringen Umfang der Parade. „Die Anzahl der Zuschauer bei der Parade auf dem Roten Platz in Moskau war viel kleiner als im Jahr zuvor“, schrieb Geraschtschenko bei Twitter, dafür sei eine „sehr große Zahl“ an Polizisten sichtbar gewesen, führte er aus. „Es war eine der kleinsten Paraden in der russischen Geschichte.“

Auch Sicherheitsexperten und Politikwissenschaftler zeigten sich am Dienstag nur wenig beeindruckt von der Militärparade in Moskau. „Putins Rede auf der Feier zum 9. Mai enthielt die üblichen Redewendungen, die allesamt eines gemeinsam haben: sie haben mit der Wirklichkeit nichts zu tun“, schrieb Thomas Jäger, Politikwissenschaftler an der Universität Köln auf Twitter. „Potemkin hätte seine Freude an der Propaganda.“

Putins Militärparade: „Ukraine gibt den Russen seit mehr als einem Jahr richtig eins auf die Zwölf“

Die Rede habe „nichts Neues“ geboten, kommentierte auch der Historiker Matthäus Wehowski. „Das Narrativ dient ja nur dazu, der eigenen Bevölkerung die Geschichte vom Krieg des Westens gegen Russland einzuhämmern“, erklärte unterdessen Carlo Masala, Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr in München, mit Blick auf die russischen Schuldzuweisungen in Richtung der USA. „Ansonsten müsste man ja zugeben, dass die ‚kleine‘ Ukraine den ‚starken‘ Russen seit mehr als einem Jahr richtig eins auf die Zwölf gibt.“

Kaum ausländische Staatschefs waren in Moskau am Dienstag vor Ort. In Moskau erklärte man diesen Umstand damit, dass es in diesem Jahr kein „rundes Jubiläum“ sei. In der Vergangenheit waren allerdings oft internationale Staatschefs zur Parade in Moskau geladen – unabhängig von der Jahreszahl.

Liebesgrüße nach Moskau: Kim Jong-un schreibt Brief an Wladimir Putin

Am Dienstag wohnten lediglich Vertreter Kirgistans, Armeniens, Usbekistans, Tadschikistans, Turkmenistans und der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko der Parade bei. Sie seien ohnehin für „Arbeitsbesuche“ in Moskau gewesen, hieß es vom Kreml.

Außerdem übersandte der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un seine „herzlichen Grüße“ mit einem Brief an Putin. Nordkorea gehört zur einstelligen Gruppe an Ländern, die Putin für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine ihre Unterstützung zugesichert haben.