Zurich-Personalchef„Die Pandemie hat die neue Art zu arbeiten beschleunigt“
Bis Februar des abgelaufenen Jahres hat die Zurich Versicherung ihre neuen Räume in Köln-Deutz bezogen. Am 17. März wechselten wegen der Corona-Pandemie fast alle 2800 Mitarbeitende der Deutschland-Zentrale am Standort Köln ins Homeoffice. Über die Erfahrung mit der Arbeit außerhalb der Büros und was vom Homeoffice bleiben könnte, sprach Ralf Arenz mit dem Personalvorstand Uwe Schöpe.Wie oft sind Sie derzeit im Büro?Ich bin tatsächlich sehr viel im Office. Das liegt unter anderem daran, dass ich in meiner Rolle Präsenz zeigen möchte und mich regelmäßig mit den Kolleginnen und Kollegen unseres Gebäudemanagements austausche, die für die Sicherheit der Mitarbeitenden vor Ort sorgen.
Wie viele Mitarbeitende kommen ins Büro?
Mitten in der Woche sind das im Schnitt etwa 18 Prozent, montags etwas weniger. Freitags sind etwa 12 Prozent in den Büros. Viele Unternehmen machen derzeit ähnliche Erfahrungen. Wir fühlen uns sicher, wenn bis zu 20 Prozent der Mitarbeitenden ins Büro kommen. Das geben unsere Räumlichkeiten her. Homeoffice ist übrigens absolut freiwillig. Niemand wird dazu gezwungen.
Zur Person
Uwe Schöpe (60) ist 2020 in den Vorstand von Zurich Deutschland eingerückt. Er ist verantwortlich für das Personal und Arbeitsdirektor. Für den Personalbereich war Schöpe schon seit 2018 verantwortlich. Er ist seit 40 Jahren in der Gruppe tätig und hatte unter anderem die damalige Weiterbildungsgesellschaft der Gruppe, die „Bonner Akademie“, geleitet. (raz)
Wie halten Sie denn die Obergrenze ein?
Wir haben auf Basis einer Umfrage mit Namensangabe Wünsche und Bedarf der Mitarbeitenden ermittelt. Dann haben wir prognostiziert, wie viele wohl ins Büro kommen wollen. Unsere Obergrenze ist noch nicht erreicht worden. Dabei ist klar, dass die Menschen auch soziale Wesen sind. Wer allein lebt, hat im Büro vielleicht viele seiner sozialen Kontakte. Manchmal erlauben auch die Räumlichkeiten eine Arbeit zuhause nicht. Wir haben umfangreiche Hygienemaßnahmen im Gebäude, medizinische Masken in ausreichender Anzahl gibt es an den Eingängen, und wir haben getestet. Schnelltest sowie PCR-Tests. Diese ermöglichen wir für jeden Mitarbeitenden, der im betrieblichen Kontext Kontakt zu einem Infizierten hatte. Jetzt haben wir auch genug Selbsttests vorrätig für einen Test pro Woche für jeden Mitarbeitenden.
Wie hat sich die Anzahl der Mitarbeitenden im Homeoffice über das Jahr entwickelt?
Im März waren über 90 Prozent der Mitarbeitenden zuhause. Ende August 40 Prozent. Wir haben ein atmendes System im Einklang mit den Regelungen der Bundesregierung.Gibt es inzwischen eine Home-Office-Müdigkeit?
Bei einigen schon. Ich sehe jetzt Mitarbeitende, die nach langer Zeit wieder ins Büro kommen. Und nach dem ersten Mal auch wieder häufiger.Wie halten Sie den Kontakt zu den Mitarbeitenden im Homeoffice?
Ein wichtiges Mittel sind Videokonferenzen zu denen der Vorstandsvorsitzende einlädt. Die Teilnahme ist freiwillig. Zuletzt waren aber 2800 Mitarbeitende dabei. Hier informieren wir über die aktuelle Situation des Unternehmens sowie über Pläne. Kommunikation ist das Wichtigste, wenn man Menschen mitnehmen möchte. Wir schildern transparent, was geschieht, und tauschen uns aus. Virtuelles Führen ist neu für die Führungskräfte und die Mitarbeitenden.
Ich habe viel darüber erfahren, wie unterschiedlich die Menschen mit Corona umgehen. Junge Familien machen da ihre eigenen Erfahrungen, aber auch Menschen, die einen pflegebedürftigen Angehörigen haben. Man muss sich als Führungskraft gerade jetzt in die Schuhe des anderen stellen.Zurich hat auch virtuelle Kaffeetrinken organisiert …
Ja, am Anfang als Impuls. Jetzt machen das die einzelnen Bereiche und Abteilungen. Wir hatten auch eine virtuelle Weihnachtsfeier. Die ging bis zwei Uhr am Morgen. Mitarbeitende haben da auf ihren Instrumenten vorgespielt oder Texte vorgetragen. Zuletzt gab es virtuelle Räume, in denen sich die Kolleginnen und Kollegen unterhalten haben. Es gab auch virtuellen Karneval. Das hat sich für mich aber ganz fremd angefühlt.Hat ihnen die Technik in den letzten zwölf Monaten manchmal Probleme bereitet?
Aufgrund der grundsätzlichen Erneuerung der kompletten IT Infrastruktur war Zurich vor Corona bereits bestens aufgestellt. Wir hatten alles, was wir brauchten, wie etwa Laptops für die Mitarbeitenden. Einigen haben wir noch etwa einen größeren Bildschirm für das Homeoffice zur Verfügung gestellt. Auch flexibles Arbeiten war bereits vor Corona eingeführt. Ein Drittel der Mitarbeitenden konnte bereits überwiegend zuhause arbeiten, ein Drittel im Büro und ein Drittel flexibel. Homeoffice für fast alle hätten wir uns ohne Corona wahrscheinlich aber erst in zwei oder drei Jahren getraut, wenn wir es nicht plötzlich hätten einführen müssen. Die Pandemie hat die neue Art zu arbeiten also beschleunigt. Dabei wurde die Arbeit genauso effektiv erledigt wie im Büro.Wird das Homeoffice bleiben?
Den Stein der Weisen habe ich nicht. Es wird mehr Arbeit zuhause geben. Ich tippe, dass das Homeoffice einen Anteil zwischen 40 und 60 Prozent bekommen wird. Die Arbeit wird flexibler. Fast alle Mitarbeitende wollen auch künftig zeitweise von zuhause arbeiten. Andererseits funktioniert Versicherung nicht mehr, wenn alle zuhause arbeiten. Man muss auch die jeweilige Situation betrachten, ob das Arbeiten von zuhause möglich ist. Zu Besprechungen wird es Treffen vor Ort geben. Auch in heißen Phasen von Projekten oder zur Kreativarbeit wird das Team zusammenkommen müssen. Homeoffice braucht Regeln. Dabei müssen die Interessen der Mitarbeitenden, des Arbeitgebers und der Gesellschaft austariert werden. Und zwei vollwertige Arbeitsplätze im Homeoffice und im Büro werden wir nicht finanzieren.Brauchen Sie denn in Zukunft weniger Bürofläche?
Möglicherweise werden Flächen frei, weil wir weniger Einzelschreibtische benötigen. Andererseits benötigen wir mehr Projekt- und Kreativflächen. Wir schauen uns zunächst an, wie das Arbeitsmodell der Zukunft aussieht und entscheiden dann über die Flächen. Das werden wir mit den Mitarbeitenden gemeinsam machen. Die höchste Produktivität haben Unternehmen mit zufriedenen Mitarbeitenden, denen Vertrauen und Wertschätzung entgegengebracht wird. Wir haben zuletzt in Bewertungsplattformen von Arbeitgebern gute Noten bekommen und liegen jetzt unter den Top 20 der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland. Es ist schwer Vertrauen aufzubauen. Das werde ich nicht aufs Spiel setzen, um ein paar Steine einzusparen.