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Tabuthema NachlassWarum klare Regelungen beim Thema Erben wichtig sind

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Ein Formular für die Erbschaftsteuererklärung sowie Stift und Testament liegen auf einem Tisch. Verfasst habe ein Testament nur 35 Prozent der potenziellen Erblasser.

2023 wurde in Deutschland die Rekordsumme von 121,5 Milliarden Euro vererbt. Dennoch sinkt das Interesse am Thema Nachlass.

Sei es am Rand von Familienfeiern oder am Kaffeetisch am Wochenende. Es gibt viele Gelegenheiten, sich mit dem Thema Erbschaft zu beschäftigen. Genutzt werden die selten, wie eine repräsentative Allensbach-Umfrage im Auftrag der Deutschen Bank zeigt. Die Bereitschaft, sich mit dem eigenen Nachlass zu befassen, nimmt ab, sagte Angelika Kesselmeyer, Expertin des Instituts für das Thema, am Dienstag in Köln.

64 Prozent der Bundesbürger beschäftigen sich laut der Studie „ungern“ mit dem Thema. Bei der letzten Befragung vor sechs Jahren lag dieser Anteil noch bei 60 Prozent. Entsprechend berichten auch nur 31 statt zuvor 34 Prozent der Erben, dass frühzeitig vor dem Erbfall über das Erbe gesprochen worden sei. Dabei hätte die Notwendigkeit dazu in den letzten Jahren zugenommen, so Kesselmeyer. Das Vermögen, das vererbt wird, nimmt zu. Im abgelaufenen Jahr erreichte es den Rekordwert von 121,5 Milliarden Euro.

Erbe sollte früh geregelt werden

Dafür haben etwa die steigenden Preise von Immobilien und anderer Sachwerte geführt. Mehr als jeder zweite Erbe hat heute eine Immobilie erhalten, deutlich mehr als früher. Häufiger weitergegeben werden auch Wertpapiere oder Gold. Ein Testament haben dennoch nur 35 (2018: 39) Prozent verfasst, wie aus der Studie hervorgeht. Bei den unter 50-Jährigen sind es 11 (15) Prozent. Da droht Streit, auch wenn den alle vermeiden wollen. „Wer die Vermögensnachfolge frühzeitig mit Familie und Experten diskutiert und professionell gestaltet, vermeidet Missverständnisse und Konflikte - zum Wohle von Erblasser wie auch der Erben“, sagte Kesselmeyer.

Sie rät zum frühen Abschluss eines Testaments. Das helfe etwa jungen Familien mit minderjährigen Kindern und einer Immobilie. Sterbe einer der Ehepartner greife ohne Testament die gesetzliche Erbfolge, bei der der Erbanteil am Nachlass nach Verwandtschaftsgrad geregelt ist. Dann erben auch die Kinder und bilden mit dem überlebenden Partner eine Erbengemeinschaft. Vor allem, wenn es um die Immobilie geht, sitzt aber das Familiengericht mit am Tisch. Bei bestimmte Geschäfte wie Darlehensaufnahme oder Verkauf muss das Familiengericht zustimmen.

Testamente regelmäßig überprüfen

Das früh verfasste Testament binde nicht für alle Zeiten. Es müsse regelmäßig überprüft und könne geändert werden, so Kesselmeyer. Das sogenannte Berliner Testament, bei dem Ehepartner sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen, wird nach der Studie seltener gewählt. 42 Prozent setzen noch ihren Partner als Alleinerben ein statt 59 Prozent 2018. Ein Nachteil: Freibeträge der Familienmitglieder werden möglicherweise nicht vollständig genutzt und Steuern werden fällig. Generell gebe es eine Tendenz zu Verfügungen, bei der jeder Partner den eigenen Nachlass regele. Diesen Weg gehen 45 Prozent, 2028 waren es noch 34 Prozent.

Besondere Herausforderungen stellen sich in Patchwork-Familien. Jede Patchwork-Familie ist anders, so der Notar Dirk Höfinghoff. Da ist der aktuelle Partner, der versorgt werden soll, gemeinsamen Kinder, Ex-Partner oder Ex-Partnerin sowie Kinder aus dieser Verbindung. Spezielle Regelungen hat aber nur jeder Fünfte dieser Erblasser getroffen. Dabei raten Notare dringend dazu. Und die sollte wegen der Komplexität niemand zu Hause treffen.

Bürger empfinden Erbrecht als kompliziert

73 Prozent der Befragten empfinden das Erbrecht als kompliziert. Genaue Vorstellungen über die gesetzliche Erbfolge haben nur 34 Prozent, die Freibeträge kennen nur 15 Prozent. Entsprechend steigt nach der Umfrage die Zahl derer, die sich Rat bei Finanz- und Rechtsexperten geholt haben.

Kesselmeyer empfiehlt auch, den digitalen Nachlass zu regeln. Explizite Anweisungen dazu haben nach der Umfrage nur vier Prozent verfasst. Zwei Drittel haben sich dagegen noch keinen Gedanken darüber gemacht, was mit E-Mails, Social-Media-Konten oder Daten in der Cloud geschehen soll. Sollten sie aber. „Wer möchte, dass seine Erben auch über den digitalen Nachlass verfügen können, muss tätig werden“, so Kesselmeyer. Einen automatischen Zugriff gibt es nach aktueller Rechtsprechung jedenfalls nicht. Kesselmeyer plädiert vor allem für eine frühzeitige Planung des Nachlasses und für Gespräche mit den Erben über die eigenen Vorstellungen und Wünsche. Und neben dem Testament sollte Vorsorge für den Notfall durch Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht getroffen werden.