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ZeitenwendeBei Shell in Wesseling endet die Rohölverarbeitung

Lesezeit 3 Minuten
Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen, M), Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, Marco Richrath, Senior Vice President Chemical & Products Northwest EU (l), und Jan-Peter Root Wassink, General Manager Energy an Chemicals Park Rheinland (r), stehen vor einer Shell Destillationsanlage, die abgeschaltet wird.

Der Energiekonzern Shell stellt in den kommenden Tagen seine Rohölverarbeitung am Standort Wesseling bei Köln ein.

Im südlichen Teil des Energy and Chemicals Park Rheinland wird die Rohöl-Destillation in den nächsten Tagen eingestellt. Neues Herzstück des Werksteils wird eine Grundölanlage. 400 Jobs fallen sozialverträglich weg. 

„Wir stehen an einem historischen Wendepunkt“, wählte Marco Richrath, verantwortlich als Vice President Chemicals & Products Europa bei Shell am Freitag in Wesseling große Worte. Der Anlass: Im Werksteil Wesseling endet in Anwesenheit von NRW-Wirtschaftsminsterin Mona Neubaur (Grüne) die Rohöldestillation. Und das an einem der ältesten und bedeutendsten Standorte von Shell für die Rohölverarbeitung zu Kraft- und Heizstoffen. Seit 1940 wurden hier zunächst aus Kohle, später aus Rohöl Benzin, Diesel und Kerosin hergestellt.

Herzstück hier ist die Rohöl-Destillationseinheit D 500, die die Silhouette des Werks prägt. Richrath wollte die Stilllegung zum einen als Bekenntnis zur Nachhaltigkeit verstanden wissen. Shell will 2050 klimaneutral sein. Und besonders kräftig sinken die CO-2-Emissionen in Wesseling. Durch die Stilllegung der D 500 fallen 620.000 Tonnen CO-2 weniger an. Im Vergleich zu den 3,17 Millionen Tonnen 2023 ist das ein Rückgang um knapp 20 Prozent.

Mehr Wert mit weniger Emissionen.
Shell-Manager Marco Richrath

„Mehr Wert mit weniger Emissionen“, nennt Richrath als Ziel. Shell sichere so auch die Wettbewerbsfähigkeit. Im Bau ist etwa eine Anlage, in der ab 2028 hochwertige Grundöle hergestellt werden. Diese kommen in Schmierstoffen, in der Pharma- und Kosmetikindustrie sowie als Kühlflüssigkeit zum Einsatz. Sie werden länger genutzt als Treibstoffe und setzen so weniger CO-2 frei. Weiterverarbeitet wird Gasöl aus dem Werksteil Godorf, das über Pipelines nach Wesseling kommt. So wird aus den beiden Werksteilen ein integrierter Chemiepark.

Bei der Verarbeitung setzt Shell auf einen neuartigen Elektroheizer, der Strom aus Erneuerbaren Energien nutzt. „Das ist neu in der Industrie“, sagt Standortleiter Jan-Peter Groot Wassink. Die Anlage, es ist die einzige derartige von Shell in Deutschland, hat eine Jahreskapazität von 300.000 Tonnen. Das entspricht etwa neun Prozent es EU-Bedarfs oder 40 Prozent des deutschen Bedarfs. Was die Anlage kostet, verrät Shell nicht. Die Rede war gestern nur von „erheblichen Investitionen “.

Großanlage zur Herstellung von Wasserstoff ist im Bau

Neben der Grundölanlage entsteht in Wesseling auch ein 100-Megawatt-Elektrolyseur, der 2027 fertig sein soll. Er arbeitet wie eine Zehn-Megawatt-Anlage, die seit 2021 in Betrieb ist. Sie stellen Wasserstoff mit Erneuerbaren Energien aus Wasser statt aus Erdgas her. Gebraucht wird er etwa zur Entschwefelung von Rohöl oder Erdgas.

„Veränderungen gab es hier schon immer“, so Wassink. Letztlich sei das die Basis für den Erfolg, so Richrath. Raffinerien müssten ihre Geschäftsmodelle neu ausrichten und sie freue sich, dass Shell im Rheinland auf diesem Weg vorankommt, so Neubaur . Wettbewerbsfähig könne zukünftig nur sein, wer rechtzeitig in neue Technologien und Prozesse investiere, so Neubaur weiter.

Rohölverarbeitung in Godorf bleibt in Betrieb

Das tut Shell auch in Godorf. Hier ist vor knapp einem Jahr eine Verflüssigungsanlage für sogenanntes Bio-LNG eingeweiht worden. Sie kann pro Jahr 100.000 Tonnen Flüssiggas herstellen, das durch Kühlen auf minus 162 Grad entsteht. Für den Grundstoff Biomethan sorgen Gülle und Mais, den eine Shell-Tochter in Dänemark herstellt und ins Netz einspeist. In Köln wird dann Gas aus dem Netz verflüssigt. Bio-LNG ist CO-2-ärmer, wodurch pro Jahr die CO-2-Emissionen um bis zu einer Million Tonnen reduziert werden. Auch sollen die Emissionen durch Verfahrensverbesserungen sinken. 

In Betrieb bleibt die Rohölverarbeitung am Standort Godorf. Dieser Betriebsteil war mit einer Jahreskapazität von gut neun Millionen Tonnen größer als der Wesselinger Teil mit gut sieben Millionen Tonnen. Shell werde alle Lieferverpflichtungen trotz der Abschaltung der Rohölverarbeitung in Wesseling erfüllen können, hieß es.

Durch den Umbau des Parks sowie durch Anpassungen der Strukturen etwa in der Verwaltung fallen aber Jobs weg. Shell beschäftigt derzeit 1500 Mitarbeitende. So viele arbeiten auch bei Dienstleistern. Bei Shell sinkt die Zahl der Mitarbeitenden aber auf 1100. Das geschehe über mehrere Jahre sozialverträglich und sei mit der Arbeitnehmervertretung abgestimmt, betonte das Shell-Management.