AboAbonnieren

Erneuerbare EnergienWie Strom bei Dunkelflauten gespeichert werden kann

Lesezeit 4 Minuten
Aussicht über Köln mit dem Kohlekraftwerk Niederaussem am Horizont. Wenn Wind und Sonne nicht liefern, wird vermehrt auf Kohle gesetzt. (Archivfoto)

Aussicht über Köln mit dem Kohlekraftwerk Niederaussem am Horizont. Wenn Wind und Sonne nicht liefern, wird vermehrt auf Kohle gesetzt. (Archivfoto)

Wenn im Winter kein Wind weht, kommen Kohle und Gas ins Spiel. Künftig sollen Alternativen her. Die Forschung läuft.

Bei wenig Sonne und kaum Wind herrscht in Deutschland die Dunkelflaute. In diesem Winter gab es schon mehrere dieser Zeiten, in denen Solaranlagen und Windräder saison- und wetterbedingt kaum Strom lieferten. Auch in den vergangenen Tagen sah der Anteil der Erneuerbaren Energien mau aus.

Dann muss der Strom woanders herkommen, derzeit vor allem aus steuerbaren Kohle- und Gaskraftwerken. Perspektivisch sollen diese abgeschaltet werden. Und dann?

Bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus Solar und Wind kommen

Ein Stromsystem, das hauptsächlich auf Solar und Wind setzt, bis 2030 sogar bis 80 Prozent, braucht für eine sichere Versorgung Ausgleichsmechanismen. Zum einen könnte der Verbrauch in Zukunft stärker an die Menge des vorhandenen Stroms angepasst werden. Auch der grenzüberschreitende Stromhandel und der Netzausbau sind wichtig. Außerdem müssen andere Erzeuger einspringen - dabei kommen eine Reihe von Optionen infrage.

Batteriespeicher können kürzere Zeiträume überbrücken, also ein paar Sekunden, um das Netz stabil zu halten, oder ein paar Stunden während der Nacht. Großspeicher aus Lithium-Ionen-Akkus, die den Batterien in Elektroautos ähneln, können blitzschnell überschüssigen Strom aus dem Netz aufnehmen und später wieder einspeichern. Dabei weisen sie laut dem Forschungszentrum Jülich eine hohe Effizienz von 80 bis 90 Prozent auf.

Batteriespeicher-Abdeckung noch weit entfernt

Diese Speicherung und Rückverstromung findet zunehmend statt, an vielen Orten werden Speicher aus Lithium-Ionen-Akkus aufgebaut. Andere Batteriespeicher spielen noch kaum eine Rolle. In den vergangenen Jahren wurden die Lithium-Ionen-Akkus nicht nur leichter und kleiner, sondern auch viel günstiger. „Auch sind sie sehr langlebig, fast wie Verbrennungskraftwerke - das ist nicht wie beim Handy“, sagt Martin Winter, Leiter des MEET Batterieforschungszentrums der Uni Münster und des Helmholtz-Instituts Münster, einer Außenstelle des Forschungszentrum Jülich.

Deutschland braucht große Kapazitäten. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE geht davon aus, dass bis zum Jahr 2045 ganze 180 Gigawattstunden (GWh) an zentralen und dezentralen elektrischen Speichern benötigt werden. Davon ist das Land weit entfernt: Derzeit haben die Speicher eine Kapazität von 17,8 GWh, wie aus den Battery Charts der RWTH Aachen hervorgeht.

Lithium-Abhängigkeit ist Problem bei Speichern

Da der Rohstoff Lithium nicht endlos und überall verfügbar ist, werden andere Batterie-Typen erforscht und erprobt. Nach Angaben von Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm wird man Lithium zunehmend durch Natrium ersetzen - bekannt etwa als ein Bestandteil von Natriumchlorid, also Kochsalz.

Dieses Material sei umweltfreundlich, kostengünstig und überall auf der Welt vorhanden - anders als Lithium, das nur aus wenigen Ländern komme und man sich also abhängig mache, sagte Fichtner in einem Gespräch seiner Universität. Mittlerweile sind Natrium-Ionen-Akkus marktreif und werden beispielsweise in kleinen E-Auto-Prototypen eingesetzt.

Allerdings haben Natrium-Ionen-Akkus eine geringere Energiedichte, sie sind also schwerer und größer als Lithium-Ionen-Akkus. „Man braucht immer mehr, im Extremfall bis zu dreimal mehr“, gibt Winter zu bedenken. Das bedeute: „Bis zu dreimal so viele Materialien, Zellgehäuse, Feinchemikalien, auch dreimal so viele Öfen, Lastwagen für den Transport und Fläche.“

Windräder bei Gummersbach-Hardt.

Windräder, hier im Oberbergischen Kreis, können keine Energie für mehrere Tage in Batteriespeicher einspeisen. Es wird stattdessen auf Chemie gesetzt. (Archivfoto)

Längere Windflauten von einigen Tagen können nicht durch Batteriespeicher abgedeckt werden, dazu werden auch bei starkem Ausbau die Kapazitäten nicht reichen. „Da müssen wir auf Chemie setzen, also Moleküle mit grüner Energie herstellen, die man verbrennen kann“, meint Winter.

Mithilfe von elektrischem Strom - idealerweise künftig aus Erneuerbaren - kann Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten werden. Der Wasserstoff wird dann in Brennstoffzellen oder Kraftwerken genutzt - teilweise soll das in alten Gaskraftwerken passieren. Oder der Wasserstoff wird weiterverwendet, um synthetische Kraftstoffe zu erhalten.

„Leider ist das alles sehr ineffizient“, sagt Winter. Allerdings kann der Wasserstoff auch woanders hergestellt werden - etwa in sonnenreichen Ländern - und in Schiffen oder Pipelines nach Deutschland gebracht werden. Denkbar ist künftig, mit Wasserstoff auch saisonale Speicher aufzubauen.

Neue Wege werden erforscht

Das gezielte Verschmelzen von Atomkernen, um Energie zu gewinnen, ist zwar schon möglich - richtige Fusionskraftwerke dürften aber erst in einigen Jahrzehnten ans Netz gehen. Auch sei es schwierig, an ausreichende Mengen des Rohstoffs Tritium zu gelangen, erklärte das Büro für Technikfolgenabschätzung des Bundestages jüngst in einem Bericht.

Eigentlich müssten diese Kraftwerke dann dauerhaft mit hoher Leistung laufen, sonst lohne sich die Investition nicht, meint Fusionsforscher Christian Linsmeier vom Forschungszentrum Jülich. Sie können also nicht bei einer Dunkelflaute für ein paar Tage zugeschaltet werden. Vorstellbar wäre vielmehr vielleicht die Produktion von Wasserstoff.

Wärme als Lösung?

Eine weitere Möglichkeit der Speicherung besteht darin, mit dem billigen Strom aus Spitzenzeiten etwas zu erhitzen und die so entstandene Wärme zu speichern. Wie Forschende in einer Studie in der Fachzeitschrift „PNAS Nexus“ berichten, könnten beispielsweise Ziegel in einem isolierten Behälter erwärmt werden.

Wenn benötigt, könne die Wärme wieder freigesetzt werden - etwa um Zement-, Stahl-, Glas- und Papierfabriken mit erneuerbarer Energie zu betreiben. Die Kosten für diese Speicherung liegen laut Hauptautor Mark Jacobson von der Stanford University bei einem Zehntel von Batterien. Allerdings ist fraglich, inwiefern solche experimentellen Ansätze bald weit verbreitet eingesetzt werden könnten.

Forschung passiert auch in anderen Bereichen, etwa in der Batterieentwicklung. Am Helmholtz-Institut Münster und an den Instituten auf dem Jülicher Campus etwa tüfteln Wissenschaftler an Festkörperbatterien, Metall-Luft-Batterien und sogenannten Redox-Flow-Batterien. (dpa)