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Florierendes GeschäftWie mit Migration Millionen verdient wird

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Bensheim: Flüchtlingskinder gehen durch ein Zelt der Flüchtlingsunterkunft.

Bensheim: Flüchtlingskinder gehen durch ein Zelt der Flüchtlingsunterkunft.

Heime, Verpflegung, Sicherheit: Das Geschäft brummt, denn immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland.

Mit Flüchtlingen lässt sich Geld verdienen. Rund um die Unterbringung der Menschen delegiert der Staat fast alle Aufgaben an Dienstleister: Sie kümmern sich um den Betrieb der Heime, die Betreuung, die Verpflegung und um Sicherheitsdienste. Das Geschäft brummt, denn immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland.

Der vermutlich größte privatwirtschaftliche Anbieter in Deutschland ist das Unternehmern European Homecare (EHC) aus Essen mit mehr als 2000 Mitarbeitern. Im Auftrag von Bundesländern oder Kommunen betreibt EHC etwa 100 Flüchtlingsheime in Deutschland. Tendenz vermutlich steigend. Auch in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern befinden oder befanden sich Standorte. EHC ist seit den 1990er-Jahren im Geschäft.

Misshandlungen schaden dem Unternehmen nicht

Mitte des vergangenen Jahrzehnts überschattete der sogenannte Folter-Skandal von Burbach den Ruf des Unternehmens. In einer Unterkunft in der Stadt im Siegerland waren Flüchtlinge misshandelt worden. Ein Video davon ging damals um die Welt. Nachhaltig geschadet hat das EHC aber offenbar nicht. Das Unternehmen reagiert auf eine Anfrage unserer Reaktion zwar nicht. Aber der Blick in die Bilanzen und Ausschreibungen von Kommunen fördert Eindeutiges zu Tage.

Erst kürzlich sicherte sich das Unternehmen demnach einen weiteren Großauftrag: den Weiterbetrieb der Notunterkunft des Landes Nordrhein-Westfalen in Schöppingen nordwestlich von Münster. Für weitere sechs Monate sollen hier maximal 496 Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine untergebracht werden.

Kostenpunkt für das halbe Jahr laut Vergabe-Information der Behörden in NRW: 3,4 Millionen Euro. Ob am Ende auch exakt diese Summe gezahlt wird, ist unklar. Das Land will sich dazu auf Nachfrage nicht äußern – Geschäftsgeheimnis. So viel ist zu erfahren: EHC betreibt für das Land NRW nicht nur die Unterkunft in Schöppingen, sondern ist „vertraglicher Betreuungsdienstleister in acht Landeseinrichtungen mit einer regulären Gesamtkapazität von 3590 Plätzen.“

Ein Markt, auf dem sich viel Konkurrenz tummelt

Am Standort Schöppingen stach EHC mit seinem Angebot einen Mitbewerber aus. Wer der Konkurrent war, ist nicht bekannt. Aber auf dem Markt der Flüchtlingsheimbetreiber sind eine ganze Reihe von Anbietern unterwegs. EHC konkurriert hier vor allem mit Wohlfahrtsorganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz, dem Arbeiter-Samariter-Bund, den Johannitern und anderen.

Auch die bekommen Geld vom Staat für ihren Einsatz für Flüchtlinge. Anders als bei EHC lässt sich bei den Wohlfahrtsorganisationen aber schwerer nachvollziehen, um welche Gesamtsumme es dabei geht. Betrieben werden die Unterkünfte oftmals von den Ortsverbänden. Eine Gesamtübersicht gibt es nicht.

Bei EHC reicht der Blick in die Bilanzen des Unternehmens. Und die zeigen: Der wirtschaftliche Erfolg der Essener steht und fällt mit der Zahl der Flüchtlinge, die Deutschland erreichen. Je größer die migrationspolitischen Probleme, desto größer auch der Gewinn.

2016 beispielsweise, als die Behörden im Zuge der damaligen Flüchtlingskrise gut 746.000 Asylanträge verzeichneten, wies EHC am Jahresende einen Umsatz von 278 Millionen Euro aus. Der Gewinn betrug rund 32,4 Millionen Euro. EHC betrieb zu diesem Zeitpunkt 125 Heime.

Rückgang auch durch Corona

Das Geschäft wurde in der Folge aber deutlich schwieriger. In der Bilanz für das Jahr 2017 heißt es: „Aufgrund dieses insgesamt geringeren Auftragsvolumens ist es dann zu dem von uns prognostizierten erheblichen Rückgang bei Umsatz, Anzahl der Mitarbeiter und Ergebnis gekommen.“

Der Hintergrund: Der Staat brauchte einfach weniger Betten für Flüchtlinge, weil weniger Migranten Deutschland erreichten. Die Zahl der Ausschreibungen für den Betrieb von Heimen ging zurück, manche Einrichtung wurde dicht gemacht.

Die Corona-Pandemie tat in der Folge ihr Übriges: Aufgrund der Reisebeschränkungen kamen in dieser Zeit noch einmal weniger Flüchtlinge. In den Heimen selbst mussten kostspielige Infektionsschutzmaßnahmen umgesetzt werden. Kostenkalkulationen für den Betrieb der Unterbringungen waren damit vielfach hinfällig.

In der Bilanz von EHC klingt das 2021 so: „Insbesondere im Bereich der Hygieneartikel und Persönlichen Schutzausrüstung stellte ein massiver beschaffungsseitiger Kostenanstieg das Unternehmen vor eine große Herausforderung. [...]. Die dem Unternehmen dadurch entstandenen Kosten wurden nur zu einem kleinen Teil von Auftraggebern kompensiert.“

Seit 2021 geht es wieder bergauf

Aber: Seit 2021 geht es wieder bergauf. Seither steigen die Flüchtlingszahlen wieder und damit Umsatz und Gewinn – von EHC und damit mutmaßlich auch anderer Heimbetreiber. Das zeigt die jüngste veröffentlichte Bilanz für genau dieses Jahr. Demnach betrieb EHC 2021 insgesamt noch 87 Flüchtlingseinrichtungen in acht Bundesländern. Der Umsatz lag bei 97,5 Millionen Euro – ein Plus von fast 20 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020. Noch deutlicher konnte der Gewinn gesteigert werden: Er lag 2021 laut Geschäftsbericht bei 19,5 Millionen Euro, im Jahr davor waren es lediglich 470.000 Euro.

Die Essener gehen in der Prognose davon aus, den Gewinn im Jahr 2022 auf bis zu 24,5 Millionen Euro zu steigern. Oder wird es noch mehr? Gegen Ende vorigen Jahres zog die Zahl der Asylanträge noch einmal deutlich an. Hinzu kamen eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Im laufenden Jahr registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits 136.000 Asylanträge und damit mehr als im gesamten Jahr 2020.

Es sind gute Zeiten für Betreiber von Flüchtlingsheimen. Und weil sich die Politik in Sachen Asylpolitik mit nachhaltigen Reformen schwer tut, dürften die auch noch eine Weile anhalten.