Am Dienstag wurde in Wilhelmshaven der erste deutsche Anleger für Flüssigerdgas eröffnet. Die sogenannten LNG-Terminals sollen die Energieunabhängigkeit von Russland erhöhen. Doch es gibt auch Kritik.
Fragen & AntwortenWas man jetzt zu den LNG-Terminals wissen muss

Der erste Anleger für Flüssigerdgas (LNG) in Deutschland ist fertiggestellt und am Dienstag eröffnet worden.
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Die ersten deutschen LNG-Terminals stehen kurz vor dem Betriebsbeginn. Zwar sind die Gasspeicher für den Winter inzwischen fast voll, doch verflüssigtes Erdgas soll in den kommenden Jahren die Energieversorgung zusätzlich absichern. Es gibt Fortschritte dabei, die Abhängigkeit von Russland zu verringern – aber ebenso ein paar wunde Punkte.
Wie sieht der Zeitplan für den Betriebsbeginn aus?
Der erste Anleger für Flüssigerdgas ist gestern in Wilhelmshaven eröffnet worden. In rund einem Monat soll ein beladenes Spezialschiff, eine sogenannte schwimmende Speicher- und Regasifizierungsanlage (FSRU), an dem Landungsplatz anlegen. Das geht aus einer gestern veröffentlichten Mitteilung von Niedersachsen Ports hervor, einem Hafenbetreiber im Besitz des Landes. Niedersachsen Ports hat den Anleger bauen lassen. Von Mitte Januar an sollen dann Tanker mit LNG in Wilhelmshaven eintreffen. Der Energiekonzern Uniper nimmt an, dass noch im Dezember die Infrastruktur auf Landseite komplett bereitstehen wird. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) will noch ein zweites Terminal ansiedeln: Wilhelmshaven II soll Ende 2023 starten, vorerst ebenfalls als Schwimmterminal.
In Stade hatte ein privates Konsortium bereits vor dem Krieg Russlands gegen die Ukraine angefangen, eine Anlage in der Nähe des Chemieparks vorzubereiten. Ende 2023 soll dort eine schwimmende Plattform starten. Ein fester Umschlagplatz soll bis 2026 fertig sein.

Zahlreiche Medienvertreter und Ehrengäste stehen auf einem Schiff vor dem Anleger für das LNG-Terminal in der Nordsee vor Wilhelmshaven.
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Noch in diesem Jahr soll in Brunsbüttel ein Schwimmterminal seine Arbeit aufnehmen. Der erste LNG-Tanker soll Ende Dezember festmachen. Parallel plant die German LNG Terminal GmbH eine feste Anlage, die 2026 in Betrieb gehen könnte. In Lubmin will das Unternehmen Deutsche Regas mit einem schwimmenden Terminal LNG importieren. Zunächst war von einem möglichen Betriebsbeginn zum 1. Dezember zu hören – ob dies klappt, war zuletzt aber nicht klar. Ein zweites Terminal soll 2023 an den Start gehen.
Wo könnte es noch Hindernisse geben?
Wegen des Zeitdrucks in der Energiekrise wurden Planungsverfahren beschleunigt, die Landesregierungen legten allerdings Wert auf eine Veröffentlichung von Projektunterlagen. Kritiker können Einwendungen gegen die Vorhaben einreichen. Zu Wilhelmshaven I steht der Zeitplan bis auf Weiteres. Auch in Mecklenburg-Vorpommern liegen Dokumente zur Öffentlichkeitsbeteiligung aus. In Lubmin sind Beschwerden bis zum 28. November möglich – was eventuell zu Verzögerungen führen könnte. Abgesehen von Anliegern hat sich vor allem unter Natur- und Meeresschützern Widerstand formiert. So befürchten Vertreter mehrerer Umweltorganisationen durch die neuen Anlagen im Wasser mehr Stress für marine Ökosysteme.
Woher sollen die ersten LNG-Lieferungen kommen?
Bisher erhalten Deutschland und andere europäische Länder das LNG vor allem aus den USA. Zu den größten Exporteuren zählt auch Katar. Weitere wichtige LNG-Ausfuhrländer sind Australien, Malaysia oder Nigeria. Mit konkreten Angaben zur Herkunft der Lieferungen halten sich manche Betreiber noch zurück. Brunsbüttel soll zum Beispiel Gas aus Abu Dhabi erhalten.
Was ist mit der Anbindung der Pipelines?
Wilhelmshaven I wird über eine 26-Kilometer-Pipeline an das überregionale Gasnetz angebunden. Sie führt bis zum Anschlusspunkt Etzel und ist laut Wirtschaftsministerium fast fertig. Die Leitung soll anfangs 10 Milliarden, später bis zu 28 Milliarden Kubikmeter pro Jahr transportieren und für Wasserstoff genutzt werden können. In Stade wird das Gas direkt ins Netz des niederländischen Betreibers Gasunie eingespeist. „Dafür laufen die entsprechenden Vorbereitungen für das Genehmigungsverfahren“, heißt es aus der Landesregierung. In Schleswig-Holstein wird vom Hafen Brunsbüttel aus bereits eine drei Kilometer lange Leitung gebaut. Die gesamte Anbindetrasse an das europäische Verbundnetz soll über 50 Kilometer lang werden.
Welche Mengen wird das Gas zu welchem Preis ersetzen?
Über die beiden Wilhelmshavener Schwimmanlagen sollen 10 Milliarden Kubikmeter wiederverdampftes Gas pro Jahr umgeschlagen werden können. Auch für die FSRU in Stade sind 5 Milliarden Kubikmeter vorgesehen. Die Planer des festen Terminals dort gingen bislang von etwa 13 Milliarden Kubikmetern aus – was für bis zu 15 Prozent des deutschen Gasbedarfs reichen könne.
Bezogen auf die bislang aus Russland bezogenen Mengen schätzte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), dass es gelingen könnte, diese später einmal ganz über in Niedersachsen ankommendes LNG zu ersetzen. Vor Beginn des Ukraine-Krieges importierte Deutschland mehr als 50 Prozent seines Erdgasbedarfs aus der Russischen Föderation.
Über die Brunsbütteler FSRU sollen 3,5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr ins Netz gelangen, für die feste Anlage nach früheren Angaben rund 8 Milliarden Kubikmeter. In Lubmin plant man für beide Terminals jeweils etwa mit 5 Milliarden Kubikmetern jährlich.
Zu welchen Konditionen das LNG auf den Energiemarkt kommt, ist noch relativ unsicher. Die Weltmarktpreise schwanken, und die in laufenden Verträgen noch gebundenen Mengen können das Angebot knapp halten. (dpa)