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VerpackungsmüllWas die neue EU-Verordnung für die Region bedeutet

Lesezeit 6 Minuten
Eine Person löst den Aluminiumdeckel von einem Plastikbecher.

Aluminium und Plastik: Wie ein solcher Becher nach der geplanten neuen EU-Verpackungsverordnung bewertet wird, ist noch nicht klar. Fürs Recycling würde es helfen, wenn mehr Verbraucher die verschiedenen Stoffe voneinander lösen würden.

Neue Vorschriften fordern einen steigenden Anteil recyclingfähiger Verpackungen, stellen Hersteller auch in unserer Region aber vor besondere Herausforderungen.

Die Staaten der Europäischen Union möchten ihren Verpackungsmüll reduzieren. Anfang des Monats haben sich Unterhändler auf eine neue Verpackungsverordnung geeinigt (die Rundschau berichtete), im Anschluss daran nahm diese mit einer vorläufigen Einigung der Regierungsvertreter eine weitere Hürde. Zu den wesentlichen Zielen gehört es, Verpackungen generell zu reduzieren und jene, welche in Umlauf kommen, zu einem höheren Anteil als bislang recyclingfähig zu gestalten. Also alles gut?

In die richtige Richtung geht es durchaus, „Nachhaltigkeit ist jetzt das große Thema“, sagt Tina Gerfer, Geschäftsführerin der Wilhelm Rasch GmbH & CO. KG in Hürth. Die Spezialmaschinenfabrik stellt Anlagen her, in denen Süßwarenproduzenten ihre Produkte verpacken. Zum klassischen Sortiment ihrer Kunden, die von der geplanten EU-Verordnung unmittelbar betroffen sind, gehören kleinstückige Schokoladen, Pralinen, Hohlfiguren wie aktuell die Osterhasen oder im Advent Weihnachtsmänner, traditionell in bunte Alufolie eingehüllt.

Schwierigkeiten für Hersteller: Anpassung der Produktverpackungen

„Aluminium ist ein Monomaterial, das dem Wertstoffzyklus wieder zugeführt werden kann“, so Gerfer. Insofern lässt es sich vor dem Hintergrund der neuen Verordnung weiternutzen, doch ein anderer Punkt kann eine Rolle spielen: „Jetzt ist das Bestreben, dass die Folien möglichst dünn werden. Wenn wir dünneres Material verwenden, muss man aber schauen, ob es reißt oder schrumpelt, was natürlich keiner möchte.“ Man versuche, so wenig Verschnitt wie möglich zu produzieren, aber: „Ändern die Kunden die Folienabmessungen, dann brauchen sie neue Druckzylinder, eigentlich alles neu.“ Kosten und Nutzen müssten gegeneinander abgewogen werden.

Während Hersteller darum ringen, Verpackungsmaterial einzusparen, sehen sie sich vor der Herausforderung, auch den Erwartungen der Verbraucher gerecht zu werden: „Süßwaren sind ein Volksluxus, an der Verpackung hängt viel Gefühl. Schön verpackte Schokolade hat etwas von einem Geschenk“, so die Expertin, die das Unternehmen in dritter Generation führt. Ebenso unwillkommen wie ein Osterhase in zerrissener Folie ist den Verbrauchern ein Beutel mit verschiedenen unverhüllten Pralinen, die alle gleich schmecken, da sie das Aroma der intensivsten Sorte angenommen haben. Einzelverpackungen haben sich daher auch für kleinste Einheiten durchgesetzt – und diese Verpackungen müssen über eine Fettbarriere verfügen.

Mehr Flexibilität gibt es bei den Transportverpackungen und Kartonagen. Hier wird bereits an Mehrweglösungen gearbeitet – und diese Behälter dürfen dann auch aus Kunststoff sein, da sie im Kreislauf bleiben. Was die Hürther Unternehmerin sich generell wünschen würde, sind Lösungen, die sich nicht nur auf die EU erstrecken: „Wir brauchen einheitliche Regeln, aber die sollten überall gelten, wenn wir von Nachhaltigkeit und Umwelt sprechen, denn wir haben doch nur eine Welt. Was hier gut ist, kann ja nicht woanders keinen Sinn machen. Es wäre wichtig, dass man da größer denkt und es nicht scheitern lässt an nationalen Befindlichkeiten.“

Ausnahmen für Waren mit geschützter geografischer Angabe

Nationale Befindlichkeiten haben übrigens auch innerhalb der geplanten EU-Lösung noch ihren Platz: Lebensmittel mit geschützter geografischer Angabe sind von der Vorschrift ausgenommen. Das hat zum Beispiel zur Folge, dass bestimmte französische Käsesorten in Holzschachteln gehandelt werden dürfen. Sinnvoll sei das nicht, findet Verpackungsingenieur Julian Thielen, der als Head of „Made for Recycling“ die Abteilung der Verpackungsoptimierung beim Kölner Kreislaufwirtschaftsdienstleister Interseroh+ leitet. Er sagt: Holz habe zwar ein gutes Image, doch wiederverwerten ließen sich solche Schachteln nicht.

Überhaupt, das Image: Das kann zu recht unvernünftigen Verbraucherentscheidungen führen. So greifen beispielsweise Kunden zu Milchprodukten in 3-K-Bechern – die also aus drei Komponenten bestehen, nämlich einem weißen Plastikbecher, der mit einer leicht ablösbaren Pappbanderole ummantelt und mit Alufolie bedeckt ist, denn Papier ist beim Verbraucher positiv belegt.

Problemfall: Mehrkomponenten-Verpackungen

Es gibt jedoch einen Haken: „Wenn wir die Verbraucher für eine Trennung brauchen, können wir es vergessen. Das machen nur ein paar Hardcore-Mülltrennfans“, sagt Thielen. Der Alltag in den Sortieranlagen zeige, dass nur ein paar Prozent der Verbraucher die wenigen Extra-Handgriffe erledigen: „Schon der Deckel bleibt meist am Joghurtbecher“, vom Ablösen der Pappe ganz zu schweigen. Im Sortierprozess können die Komponenten nicht mehr getrennt werden: „Bestenfalls wird so ein Becher aufgrund des Deckels zum Aluminium gezogen und dieser Teil recycelt. Aber der dicke Joghurtbecher, der mindestens 70 bis 80 Prozent ausmacht, geht verloren“, beschreibt Thielen.

Und ob das mit der neuen EU-Verpackungsverordnung besser wird, ist noch längst nicht klar. Es müsse nämlich erst noch geklärt werden, ob so ein Becher als einzelne Komponente eingestuft würde – dann entspräche er nicht den Gesetzesvorgaben – oder ob es sich der Definition nach um drei Komponenten handelt, da die Stoffe leicht zu trennen sind – unabhängig davon, ob die Verbraucher das dann auch tun oder nicht.

Wenn wir die Verbraucher für eine Trennung brauchen, können wir es vergessen. Das machen nur ein paar Hardcore-Mülltrennfans.
Julian Thielen, Ingenieur bei Interseroh

Trotz solcher Unklarheiten überwiegen für Verpackungsingenieur Julian Thielen aber die positiven Aspekte der geplanten EU-Verordnung: „Es ist für uns wahnsinnig wichtig, dass Einsatz und Nachfrage von Rezyklaten mehr gefördert werden.“ Beides gebe Sortierern und Recyclingunternehmen mehr Investitionssicherheit als die jetzige Situation: „Aktuell ist die Branche auf den guten Willen der Verpackungshersteller angewiesen, Rezyklate einzusetzen. Das passiert, wenn es günstiger ist, aber nicht mehr, wenn das Material wieder teurer ist.“ Meist sei aber genau das der Fall: Der Einsatz von Rezyklaten, also Kunststoffen, die aus recycelten Produkten hergestellt wurden, ist zehn bis 25 Prozent teurer als der Einsatz von neuen Rohstoffen: „Deswegen braucht es gesetzliche Verpflichtungen. Wir können in unseren Anlagen bis zu 810 000 Tonnen im Jahr sortieren, da zählt jeder Prozentpunkt – oder anders: ein Prozent mehr oder weniger entsprechen bis zu 8 000 Tonnen.“ Die neue Verordnung legt fest, dass ab 2030 mindestens 80 Prozent einer Verpackung recyclingfähig sein sollen.

Aktuell ist die Branche auf den guten Willen der Verpackungshersteller angewiesen, Rezyklate einzusetzen. Das passiert, wenn es günstiger ist, aber nicht mehr, wenn das Material wieder teurer ist.
Julian Thielen, Verpackungsingenieur

Trotzdem sind Thielen zufolge derzeit Plastikflaschen in der Entwicklung, die von außen fest mit einer nicht abtrennbaren Pappschicht ummantelt sind. Ab 2030 dürfte so etwas nicht mehr zulässig sein, da durch die feste Verbindung beider Materialien nicht mindestens 80 Prozent des Stoffes wiederverwertet werden können. „Die Hersteller wissen das, aber sie wissen auch, dass sich die Pappflasche gut verkauft“, so Thielen. Aus Recyclingsicht sei Plastik gar nicht schlecht und etwa bedruckte Plastik-Joghurtbecher denen mit Pappmanschette vorzuziehen. Aber: „Sobald Papier mit im Spiel ist, geht der Absatz 20 bis 30 Prozent nach oben. Und diese Zahlen, gehen heute leider vor. Ein Problem ist das Kunststoff-Bashing, Papier wird häufig deutlich besser wahrgenommen“, sagt er.

Diverse Skandale im Recyclingsystem hätten auch das Vertrauen beschädigt: „Es gilt, das Vertrauen in die Systeme wieder zu stärken. Entscheidend dafür ist es auch, transparent über Materialien, mögliche Kreisläufe und nicht zuletzt die richtige Mülltrennung aufzuklären. Wenn Leute wissen, wofür sie es tun, ist es leichter.“