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Verbraucherschützer warnenKunden wechseln ungewollt den Telefonanbieter

Lesezeit 4 Minuten
Eine Frauenhand hält einen Telefonhörer und wählt eine Nummer.

Der Wechsel des Telekommunikationsanbieters kann zum Abenteuer werden.

Über 2000 Beschwerden über 1 N Telecom im Jahre 2022 waren den Verbraucherzentralen im Mai eine Warnung vor dem Düsseldorfer Telekommunikationsanbieter wert. Verbraucher sagen, sie seien auf einen Werbebrief hereingefallen.

1 N Telecom warb in persönlich adressierten Briefen unter Angabe der Festnetznummer für seine Dienste und gewann auch Kunden, die wohl wegen der Namensähnlichkeit zur Deutschen Telekom annahmen, es handele sich lediglich um eine Änderung des laufenden Vertrags mit ihrem bisherigen Anbieter, so die Verbraucherschützer. Wer die beigefügten Dokumente unterzeichnete, dem wurde der bisherige Vertrag gekündigt - und viele hatten einen neuen Vertrag, den sie nicht wollten. So wie Leser, der MagentaTV nutzt, um Sportsendungen zu sehen und das auch weiter tun will.

Der unerwünschte Vertragsabschluss lässt sich nicht einfach rückgängig machen, so die Verbraucherzentrale. 1 N Telecom ignoriere Widerrufe, war eine Kritik. Auch fehlten Widerrufsbelehrungen. Und 1 N verlangte einen Schadenersatz bei vorzeitiger Kündigung in mittlerer dreistelliger Höhe. Unser Leser zahlte 400 Euro.

Verbraucherzentralen zogen vor Gericht

Bestimmte Vertragsklauseln darf 1 N Telecom nach Klagen des Verbraucherzentrale Bundesverbands und der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg nicht mehr verwenden. Dabei geht es etwa um mögliche Vertragskündigungen, wenn der Kunde mit mehr als dem doppelten Monatsbeitrag im Rückstand ist, so die Verbraucherzentrale. Auch muss 1 N eine E-Mail-Adresse zur Kontaktaufnahme angeben und in der Widerrufsbelehrung auf eine E-Mail-Adresse verweisen, unter der das Unternehmen erreichbar ist - auch für Kündigungen. Weitere Verfahren haben die Verbraucherschützer angestrengt.

Das Grundproblem, dass Kunden Verträge geschlossen haben, die sie nicht wollen, bleibt aber bestehen. Und auch um Schadenersatz kommen viele Kunden nicht herum. Ob der gezahlt werden muss, ist sehr einzelfallabhängig, sagt Felix Flosbach, Experte für Telekommunikation der Verbraucherzentrale NRW. Es komme darauf an, ob der Vertrag rechtzeitig rückabgewickelt wurde oder die Verbraucherinnen und Verbraucher gegebenenfalls getäuscht wurden. „Leider gibt es sehr viele Fälle, in denen wohl rechtskräftige Verträge zustande gekommen sind und die Verbraucherinnen und Verbraucher die missliche Lage zu spät erkannt haben“, so Flosbach.

14 Tage Zeit für Widerruf

Innerhalb von 14 Tagen können Verbraucher einen Vertrag widerrufen, nachdem sie ein Angebotsschreiben zurückgeschickt haben, das per Brief eingegangen ist. Die Frist beginnt einen Tag nach Eingang des Schreibens beim Vertragspartner, so die Verbraucherschützer. Verbraucher sollten selbst nachhalten, wann sie das Schreiben abgeschickt haben, um die Frist ermitteln zu können.

Der Widerruf sollte gut dokumentiert sein etwa durch Einwurf-Einschreiben. Verbraucher können das unterschriebene Widerrufschreiben  auch noch einscannen und an den Anbieter senden. Gibt es Fehlermeldungen bei der Sendung, sollten Verbraucher die dokumentieren, raten die Verbraucherschützer.

Das Willkommensschreiben nach Annahme des Angebots trifft meist nach Ablauf der Frist ein. Wird den Verbrauchern erst dann klar, was sie unterschrieben haben, ist es für einen Widerruf zu spät. Dann hilft vielleicht eine Anfechtung. Das geht im Falle einer arglistigen Täuschung. Verbraucher müssen aber darlegen, dass die Voraussetzungen für eine Anfechtung gegeben waren.

Leider gibt es sehr viele Fälle, in denen wohl rechtskräftige Verträge zustande gekommen sind und die Verbraucherinnen und Verbraucher die missliche Lage zu spät erkannt haben
Felix Flosbach, Verbraucherzentrale NRW

Widerruf oder Anfechtung macht den Portierungsauftrag zur Rufnummernmitnahme nicht rückgängig, so die Verbraucherschützer. Das muss beim alten Anbieter geschehen. Die Rücknahme des Portierungsauftrags, ohne dass der Vertrag beim neuen Anbieter rückgängig gemacht worden ist, kann zu Schadensersatzpflicht führen, so die Verbraucherschützer. Da sollten Verbraucher sich abgesichert haben, dass der neue Vertrag wirklich rückgängig gemacht werden kann.

Falls Widerruf und Anfechtung nicht möglich sind, könnten Verbraucher den neuen Vertrag auch für die Mindestvertragslaufzeit von meist zwei Jahren nutzen. Kündigen könnten sie, so die Verbraucherschützer, beim neuen Unternehmen sofort - und nach Ablauf der Mindestlaufzeit zum alten oder einem anderen Anbieter wechseln.


Vor der Unterschrift

Prüfen Sie den Absender von Werbeschreiben oder Vertragsunterlagen stets genau und gleichen Sie ihn gegebenenfalls mit bestehenden Vertragsunterlagen ab, raten die Verbraucherschützer.

Verbraucher müssen auf Werbepost nicht reagieren, lautet ein weiterer Tipp. Personalisierte Werbung per Post ist in der Regel unzulässig, wenn es in der Vergangenheit keine Vertragsbeziehung mit dem Anbieter gab. Wie 1 N Telecom an die Daten gekommen sind, können Verbraucher erfragen. Unternehmen müssen das auf Anfrage mitteilen. Sie sind auch verpflichtet, diese zu Werbezwecken zu sperren, wenn Verbraucher das wünschen. Die Verbraucherzentralen halten dazu Musterbriefe bereit.