Tipps im InterviewEin Vermögensforscher erklärt, wie man in Deutschland reich wird

Copyright: dpa
Berlin – Thomas Druyen hat als Vermögensforscher viele Millionäre und Milliardäre interviewt. Er weiß, wie man es in Deutschland zu Reichtum bringt, und hat eine beruhigende Erkenntnis für alle Normalsterblichen.
Herr Druyen, von wem reden wir eigentlich, wenn wir von Reichen und Vermögenden sprechen? Ab wann ist man in Deutschland reich?
Gute Frage. In der Vermögensforschung unterscheiden wir streng zwischen Reichtum als rein quantitativer Größenordnung und Vermögen als qualitativer Dimension. Letzteres hat auch eine immaterielle Seite und etwas mit Verantwortungsübernahme, Kompetenz und Enkelfähigkeit zu tun. Laut Reichtumsbericht der Bundesregierung beginnt Reichtum bei 3700 Euro im Monat. Wenn ich hingegen von Reichen rede, meine ich Menschen mit einem Vermögen jenseits der 30 Millionen.
Zur Person
Prof. Dr. Thomas Druyen ist Direktor des Institutes für Vergleichende Vermögenskultur und Vermögenspsychologie an der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien und Professor für transgenerationales Vermögensmangement in Unternehmerfamilien an der Universität Witten/Herdecke (WIFU). Der Soziologe ist der Begründer der Vermögenskulturforschung. (ccr)
Das klingt etwas willkürlich.
Das ist es, aber es gibt keine verbindlichen Grenzziehungen. Darin steckt auch seit Jahrzehnten das Problem der Diskussionen über Reiche und Vermögende: Immer werden Äpfel mit Birnen verglichen, es gibt keine faire, präzise und objektive Auseinandersetzung. Jeder urteilt, wie es ihm gefällt, je nach eigenem Standpunkt.
Sind Sie als Professor reich oder gar vermögend?
Ich gehöre ganz klar zur ersten genannten Kategorie, aber unüberbrückbar weit von der zweiten entfernt. Der normale Professor gehört sicher nicht zur Kategoire der Reichen im Sinne meines Institutes. Dies bedarf unternehmerischer, investorischer und geldspezifischer Talente. Sicher gibt es auch einige Professoren, die darüber verfügen. Ich nicht.
Kann man mit seinem Einkommen in Deutschland überhaupt reich werden?
Im Prinzip und durchschnittlich keineswegs mit Einkommen, wenn wir jetzt weiter von Millionen ausgehen. Natürlich gibt es Vorstände, Vorsitzende und Manager von Konzernen und Unternehmen, die Millionen verdienen. Aber das ist prozentual auf die gesamte Bevölkerung gemünzt die Ausnahme. Wir müssen immer das Ganze im Blick behalten. Bei über 80 Millionen Menschen gibt es zirka 400000 Millionäre.
Wie wird man dann reich?
Es geht nur über unternehmerische, technologische, plattformstiftende und investitionsorientierte Aktivitäten. Aber ich will mich nicht mit einer Antwort lächerlich machen, die mindestens eines Buches bedarf. Das ist ja das Problem: Es werden ein paar Faustregeln suggeriert, die für die meisten Menschen niemals umsetzbar sind.
Wie meinen Sie das?
Es gibt so viele Ratgeber und Glücksritter, die die Formel fürs Reichwerden versprechen. Die einzigen, die davon wirklich profitieren, sind die Anbieter selbst. Die Chance beim Lotto von 1 zu 140 Millionen beschreibt sehr gut die Hoffnung, über Nacht reich zu werden.
Was heißt das jetzt für meinen Reichtum?
Natürlich kann man in Deutschland mit Ideen, mit vollem Einsatz, hoher Disziplin und visionärer Kraft erfolgreich sein, mehr als in den allermeisten Ländern der Welt. Aber die Ausgangsfrage ist keineswegs, ob man reich werden will, sondern welchen Nutzen man stiftet, denn nur so findet man Kunden und Verwertung. Ich will nicht verschweigen, dass wirklich superreich zu werden einfacher ist, wenn man schon reich ist. Einkommen ist Zeitlupe, Investition ist Lichtgeschwindigkeit.
Heute gibt es andere Möglichkeiten als früher, reich zu werden – vor allem für junge Menschen, in den sozialen Medien oder mit digitalen Start-ups. Was verändert sich dadurch?
Alles. Hier haben wir es mit einer historisch einmaligen Zäsur zu tun. Noch nie gab es für junge Erfinder und Schöpfer solche Gelegenheiten, aus dem Stand sogar Milliardär zu werden. Mark Zuckerberg von Facebook ist nur das berühmteste Beispiel.
Es ist heute also einfacher, aus eigener Kraft reich zu werden?
Früher brauchte man Handelsimperien, Reedereien, Ölgesellschaften, Privatbanken mit enormer Logistik und Beziehungen. Heute kann dir ein genialer Algorithmus oder eine zukunftsweisende Start-up-Idee schon zweistellige Millionenbeträge einbringen. Zumindest die Chance auf Reichtum ist heute höher denn je. All dies wäre ohne die technische und exponentielle Revolution im Verbund mit künstlicher Intelligenz und Digitalisierung niemals möglich gewesen. Insofern gibt es absolut neue Modelle und Lebensentwürfe junger hochvermögender Frauen und Männer.
Ticken die jungen Reichen von heute anders als die alten?
Eins möchte ich an dieser Stelle proklamieren: Es gibt „die Reichen“ nicht. Je nach Alter, Kultur, Charakter, Persönlichkeit, Religion, Bildung, Milieu usw. sind sie sehr unterschiedlich, wie man auch Kluge oder Dumme nicht einfach standardisieren kann. Vor diesem Hintergrund sind junge Erfolgreiche, die mit dem Internet und all den damit verbundenen Innovationen aufgewachsen sind, völlig anders geprägt als alle anderen Generationen zuvor. Daraus ergeben sich andere Weltbilder, andere Werte, globale Perspektiven und nachlassende Hierarchiegläubigkeit. In diesem Sinne ticken sie wirklich anders.
Macht es einen Unterschied, ob ein Vermögen ererbt oder selbst erarbeitet wurde?
In den meisten Fällen einen gravierenden. Die primäre Erfahrung des Gründens, der Hoffnung, der Ängste, des Siegens, des sich Überwindens, des sich bedingungslos Einsetzens prägen das Gehirn, das Verhalten, den inneren Kompass und das Selbstwertgefühl. Das kann man weder vererben noch delegieren, geschweige denn kopieren. Wer diese Erfahrung selbst machen will, muss selbst etwas begründen. Das kann man mit 200 Millionen im Rücken zwar auch, aber die Herausforderung ist eine völlig andere.
Und was haben Menschen mit viel Geld gemeinsam?
Atmen, leben, machen, verdauen − wie wir alle. Wenn Reichtum wirklich etwas verändert oder etwas strukturell Ähnliches schafft, dann nur, wenn das Vermögen so groß ist, dass zumindest für zwei Generationen alles möglich ist.
Das müssen Sie erklären.
Wenn man durch die Welt gehen kann wie wir durch einen Supermarkt und auf absolut alles Zugriff hat, wenn man will – ob Villen, Konzerne, Kunst, Jachten, Flugzeuge, Grundstücke auf dem Mond, eben alles Denkbare. Wir reden hier von 2800 Milliardären im Jahre 2021. Etwas abgespeckt noch von jenen Multimillionären mit mehr als 500 Millionen, und das sind zirka 5000. Deren neuronales, soziales, psychologisches Mindset unterscheidet sich fundamental vom Rest der Menschheit, da außer ein paar unüberwindbaren Grenzen wie Tod und Gesetzen jeder Zwang ausgehebelt ist.
So viel Geld verändert also den Charakter des Menschen?
Die Distanz zur Notwendigkeit bei den absolut Superreichen birgt Gefahren, neurotisch zu werden, weil man mit den anderen Menschen nicht mehr wirklich in einem Boot sitzt. Nehmen wir mal Naturkatastrophen und Krankheiten heraus. Diese Getrenntheit ist eine Herausforderung für den Charakter. Man hebt schlicht ab und die anderen werden metaphorisch gesprochen zu humanen Ameisen. Daraus wiederum erwachsen auch gute Sachen wie riesige Stiftungen, Museen, Bibliotheken und Förderungen aller Art. Aber als Person auf dem Boden zu bleiben, ist dann eine echte Megaaufgabe.
Vor allem wohl für Menschen, die keinen starken Charakter haben.
Egozentriker und schwache Charaktere scheitern daran und werden von Selbstsucht geblendet. Daher gibt es auch so viele, die so tun, als seien sie Superreiche, es aber gar nicht sind.
Das könnte Sie auch interessieren:
Woran erkennt man diese? Oder sprechen Sie von denen, die sich in den Medien inszenieren?
Ja, natürlich habe ich auch die gemeint. Aber es geht weit darüber hinaus. Die goldbeladene Selbstinszenierung ist zum Beispiel sowohl ein bestimmter Teil der internationalen Musikvideo-Produktion wie auch der manische Hang manch Halbseidener zur Hochstapelei. Ein weites Feld, wie Theodor Fontane sagen würde.
Normalerweise halten sich Vermögende in Deutschland ja eher bedeckt. Warum?
In Deutschland wollen die, die über viel Geld verfügen, im Allgemeinen keinen Neid oder Aufmerksamkeit erzeugen, die durchaus Nachteile bewirken können. Das wird bewusst vermieden, viele haben zudem Bescheidenheit gelernt. Aber dieses Thema ist stark kulturbedingt und wird in China oder den Vereinigten Staaten ganz anders behandelt.
Ich fasse zusammen: Geld oder sogar Reichtum machen nicht automatisch glücklich?
Keineswegs. Glück kann man nicht kaufen. Aber eine aktuelle Studie hat ohnehin ergeben, dass nicht mehr als 25 Prozent aller Deutschen danach trachten. Das halte ich für sehr klug und würdevoll. Wir sollten dem „Gott Geld“ die Gefolgschaft kündigen.