TierwohlkennzeichenWarum uns ein Hackfleisch-Engpass drohen könnte

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Berlin – Seit Jahren arbeitet die Bundespolitik an einem Tierwohlkennzeichen. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) hat jetzt einen Entwurf vorgelegt, mit dem zumindest ersichtlich werden soll, wie das Schwein gelebt hat. Doch trotz der langen Vorlaufzeit sind Vertreter aus Wirtschafts- und Tierschutzverbänden alles andere als zufrieden. Das wird aus Stellungnahmen deutlich.
Scharfe Kritik am Entwurf von Cem Özdemir
So heißt es beispielsweise: Özdemirs Entwurf sei „fachlich unausgereift, in weiten Teilen lückenhaft, bürokratisch und im Übrigen nicht erforderlich.“ Eingereicht hat diese Einschätzung der Trägerverein der Initiative Tierwohl (ITW). Sie sieht sich durch die Pläne des Ministers in der Existenz bedroht.
Kein Wunder: Weil die Politik nicht vorankam, riefen Handel, Landwirtschaft und Verarbeiter die Initiative vor einigen Jahren ins Leben. Bei ihr werden bessere Bedingungen im Stall aus einem Fonds vergolten, den die Handelskonzerne befüllen. Kommt das staatliche Kennzeichen, stellt sich die Frage, wie es mit der vierstufigen ITW weitergehen soll.
Was ist beim Tierwohlkennzeichen geplant?
Özdemir plant ein verpflichtendes fünfstufiges Kennzeichen zunächst nur für Frischfleisch vom Schwein im Supermarkt. Schweinefleisch der Stufe 1 soll dabei aus Ställen gemäß des gesetzlichen Mindeststandards stammen. Stufe 2 bietet etwas mehr Platz pro Tier und kleine, weitere Extras.
Beide Stallsysteme sind nach außen hin abgeschottet. So sehen derzeit die meisten Anlagen in Deutschland aus. Ab der Stufe 3 müssen die Ställe zumindest teilweise offen sein, sodass den Schweinen Frischluft um den Rüssel weht. Stufe 4 umfasst Auslauf oder gleich Freilandhaltung. Bio-Ware kommt exklusiv in die fünfte Stufe.
Kritiker nennen Özdemirs Pläne eine Mogelpackung
Der Trägerverein der ITW nennt Özdemirs Pläne eine Mogelpackung. Denn es interessiert nur, wie das Schwein in den letzten Wochen seines Lebens im Maststall gelebt hat. Sprich: Kam das Schwein in einem Ferkelstall gemäß gesetzlichem Mindeststandard zur Welt und zog dann später in einen Freiland-Betrieb, kommt das Fleisch in die Stufe vier.
Der Verband der Fleischwirtschaft (VDF), in dem alle großen Schlachtkonzerne wie Tönnies oder Westfleisch organisiert sind, wittert Wettbewerbsvorteile für Konkurrenz aus dem Ausland. Denn die soll laut Gesetzentwurf nicht verpflichtend teilnehmen. Das Kennzeichen bleibt für Schweinehalter und Fleischproduzenten aus den Niederlanden, Dänemark oder Spanien freiwillig.
Konkrete Warnung vor einem Engpass bei Hackfleisch
Bedeutet in der Rechnung des VDF: Keine Bürokratiekosten für die Konkurrenten, keine höheren Kosten für bessere Haltung. Am Ende könnte das ausländische Fleisch also billiger angeboten werden als heimische Ware. „Schweinefleisch aus Deutschland würde verdrängt und damit die Versorgung mit Schweinefleisch aus Deutschland verringert“, heißt es in der Stellungnahme des Verbandes.
Davor warnt auch der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH). Unter seinem Dach sind alle großen Handelsketten organisiert.
Aber die Kritik geht noch weiter und wird im Fall des Hackfleischs sehr konkret: Denn auch das soll gekennzeichnet werden. Weil dabei aber häufig Fleisch von verschiedenen Bauernhöfen in einer Verpackung landet, soll in Prozent angegeben werden, aus welcher Haltungsstufe welcher Teil der Ware stammt. Das sei praktisch nicht umsetzbar, monieren die Händler und warnen vor Hackfleisch-Engpässen: „Es drohen Mängel bei der Warenverfügbarkeit.“
Auch aus dem Bereich der Tierschutzverbände kommt keine Unterstützung für den Özdemir-Plan. Der Tierschutzbund beispielsweise kritisiert, dass auch geschlossene Stallsysteme berücksichtigt werden. Das sei weder tierschutzgerecht noch zeitgemäß.