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Teure UnterstützungOhne Zeitarbeit geht es in der Pflege nicht

Lesezeit 4 Minuten

Um 31 Prozent ist die Zahl der Leiharbeitnehmer in der Altenpflege innerhalb von zwei Jahren gestiegen.

Köln – Wenn Matthias Menne neue Pflegekräfte für seine Zeitarbeitsfirma sucht, muss sich der Geschäftsführer des Personaldienstleisters Rehcura nicht lange umschauen. Selbst im Bekanntenkreis wird er von langjährig festangestellten Fachkräften angesprochen, ob sich ein Wechsel in die Leiharbeit lohnen könne. „Früher habe ich Ordner aufgeschlagen und Leute für Einsätze abtelefoniert. Heute bewerben sich bei uns immer mehr Pflegekräfte gezielt aus einer Festanstellung heraus“, sagt Menne. „Die Leute wollen verlässliche Arbeitszeiten und freie Tage, weniger Überstunden und weniger Druck.“

Nach Angaben der Agentur für Arbeit in NRW ist die Zahl der Leiharbeitenden in der Altenpflege innerhalb von zwei Jahren um 31 Prozent gestiegen – von 2791 Personen im März 2019 auf 3660. In der Krankenpflege gab es ein Plus von 19 Prozent.

Mehr Geld, Dienstwagen: Pflegekräfte werden in Jobportalen umworben

In Jobportalen werden Pflegekräfte umworben – von Dienstwagen ist die Rede. Es gebe Unternehmen, heißt es in der Branche, deren Zeitarbeitskräfte 30 Prozent mehr Geld verdienten als das Stammpersonal. Geworben werde auch damit, dass man sich Schichten aussuchen könne oder nicht auf einer Covid-Station arbeiten müsse.

„Von Zeitarbeitskräften wird eine hohe Flexibilität verlangt, dafür erhalten sie etwas höhere Gehälter“, gibt Menne zu bedenken. „30 Prozent mehr ist aber zu weit vom Lohnniveau entfernt und damit nicht nachhaltig.“ Und dass Fachkräfte sich ihre Dienste aussuchen, sei mitnichten gängige Praxis. Vielmehr setze die Zeitarbeit da an, wo das Gesundheitswesen zu unflexibel sei. Menne erzählt von einer Mutter, die als Alleinerziehende nur Frühdienste machen konnte. Bei einer Bewerbung in einem Pflegeheim wurde sie abgewiesen, über Menne aber an genau diese Einrichtung überlassen.

Zeitarbeits-Pflegekräfte sind für Kliniken teuer

In den Kliniken ist die Zeitarbeit Segen und Ärgernis zugleich. Zwar lassen sich so Personalengpässe auffangen – Zeitarbeit ist aber teuer, heißt es auch bei Kölner Betreibern von Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen. Die Cellitinnen zur hl. Maria, die acht Krankenhäuser in Köln und Wuppertal betreiben sowie 24 Seniorenhäuser, nutzten Zeitarbeit vorrangig bei der Pflege und in erster Linie zur Überbrückung von krankheitsbedingten Engpässen, so Pressesprecher Christoph Leiden. Die entstünden etwa durch verstärkt auftretende Krankheitszeiten im Winter sowie in der Urlaubszeit oder jetzt in der Pandemie, wenn Mitarbeiter in Quarantäne seien.

„Die Mehrkosten sind nur zum Teil durch die Pflegebudgets in den Krankenhäusern abgedeckt, die Häuser müssen die Kosten für die Zeitarbeit also in erheblichem Maß selber tragen“, so Leiden. Mehraufwand entsteht schon dadurch, dass neben den laufenden Personalkosten auch noch die externe Firma bezahlt werden müsse. Auch in den Seniorenhäusern werde der Mehraufwand durch die Pflegesätze nicht abgedeckt.

Das sehen auch die Kliniken der Stadt Köln so. Der Einsatz von Beschäftigten aus Zeitarbeitsfirmen für Krankenhäuser sei deutlich teurer als das eigene Personal, bestätigt Pressesprecherin Sigrid Krebs. Vor allem aber seien eigene Beschäftigte mit den hausinternen Abläufen und Ansprechpartnern besser vertraut. Zugleich sorgten ungleiche Löhne und Einsatzzeiten in den Teams immer wieder für Unfrieden. Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter wählten bei längerfristiger Beschäftigung häufig die „attraktiveren Arbeitszeiten“, sagt Krebs.

Dennoch: „Durch den generellen Pflegekräftemangel, der die Kliniken Köln wie alle in Deutschland trifft, durch kurz- oder langfristige Erkrankungen, Quarantäne, Reha-Maßnahmen oder Ähnliches kommt es immer wieder zu Ausfällen, die kurzfristig nur durch Zeitarbeitskräfte abgefangen werden können“, so Krebs. Die Kliniken Köln wollen ihr Pflegeteam weiter verstärken und setzen dazu etwa auf sehr flexible Arbeitszeiten, verstärkte Ausbildungskapazitäten, Entlastung der Pflegefachkräfte von pflegefremden Tätigkeiten und den Einsatz ausländischer Pflegekräfte.

Pflegekräfte halten: Kölner Cellitinnen setzen auf Teilzeit und 5-Tage-Woche

Einen ähnlichen Weg gehen die Cellitinnen. In den Seniorenhäusern seien durch die die Einführung der Fünf-Tage-Woche statt der 5,5-Tage-Woche die Arbeitszeiten für die Mitarbeitenden verbessert worden. Zudem würden, wo es immer möglich sei, Teilzeitstellen eingerichtet, wenn Mitarbeitende Stunden reduzieren wollten, und Wunscharbeitszeiten berücksichtigt. Der Einsatz von Zeitarbeitsfirmen sei zwar punktuell erforderlich, jedoch keine Antwort auf den grundsätzlichen Fachkräfte- beziehungsweise Pflegefachkräftemangel in der Branche. Hier sei die Politik gefordert, den Pflegeberufen den Rücken zu stärken.

Auch Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor der Universitätsmedizin Essen, sieht den Gesetzgeber in der Pflicht: Eine Gegenfinanzierung müsse gesichert werden, zudem brauche es mit Blick auf Dienste und Entlohnung eine faire Gleichbehandlung. „Der Gesetzgeber muss hier bessere Rahmenbedingungen setzen, sonst ufert die Zeitarbeit weiter aus“, so Werner.