Werbung im Netz ist omnipräsentWie seriös ist die neue Schnäppchen-App Temu?

Lesezeit 4 Minuten
Ein Handy zeigt die Temu-App

Mit der neuen Temu-App können Verbraucher schnäppchen machen.

Wer steckt hinter der neuen Schnäppchen-App und worauf sollten Verbraucher achten? Wir geben einen Überblick.

Wer sich aktuell durch die sozialen Netzwerke bewegt, kommt kaum an Werbung für die Shopping-App Temu vorbei. Temu verspricht, dass Verbraucher dort einkaufen können „wie Milliardäre“. Dabei wirbt der Online-Marktplatz mit verschiedenen Produkten zu extrem niedrigen Preisen: eine Smart-Watch für 16 Euro, Airpods für 5 Euro oder ein Paar schwarze Socken für 39 Cent. Verkauft wird alles von elektronischen Geräten über Kleidung bis hin zu Wohnaccessoires, Küchen- oder Beautyprodukten – versandkostenfrei. Wer steckt dahinter? Hier wichtige Fragen und Antworten zum Thema:

Das steckt hinter Temu

Temu ist eine digitale Shopping-Plattform, die nach eigenen Angaben 2022 in Boston gegründet wurde. In den USA gehört Temu neben Amazon und Shein inzwischen zu den erfolgreichsten Online-Marktplätzen, und auch in Europa ist die App auf dem Vormarsch. In Deutschland ging sie im April 2023 an den Start. Wer dort bestellt, sollte etwas direkt vom Hersteller geliefert bekommen. Anders als Amazon betreibt Temu keine Warenlager, sondern fungiert nur als Shopping-Marktplatz. Im Impressum der Website von Temu ist auch ein Unternehmen angegeben: Die Whaleco Technology Limited. Diese sitzt für den deutschen Markt in Irland, hat ihre Ursprünge aber in China. Der Online-Marktplatz ist ein Tochterunternehmen des chinesischen E-Kommerz-Giganten Pinduoduo. Dieser verfügt über ein großes Netzwerk an chinesischen Produzenten, und so kommt ein Großteil der Ware auf Temu direkt aus China.

So funktioniert die App

Der Name Temu wird Ti-mu ausgesprochen und steht für „team up, price down“. Damit ist folgendes Prinzip gemeint: Je mehr Freunde man zur App hinzufügt, je mehr Gutschein-Codes man einreicht und weitergibt und je mehr Käufer ein Produkt hat, desto günstiger wird der Preis. Deshalb posten viele Influencer und Nutzer in den sozialen Medien Gutscheincodes für Temu. Doch die Plattform birgt auch Risiken, wie Experten warnen.

Gefährliche Produkte

Ähnlich wie auf den Plattformen Wish oder Alibaba werden auf Temu elektronische Produkte angeboten, die nicht daraufhin überprüft wurden, ob sie sicher sind. Sie tragen beispielsweise häufig nicht das CE-Zeichen oder wenn, dann ein gefälschtes. Auch bei Kleidungsstücken und Produkten, die mit Nahrungsmitteln in Kontakt kommen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie mit Schadstoffen belastet sind, die in der EU verboten sind.

Anonyme Verkäufer

Wer auf Temu etwas kauft, schließt keinen Kaufvertrag mit der Plattform ab, sondern mit dem jeweiligen Anbieter, der das Produkt über Temu anbietet. Über den Anbieter erfährt man vor dem Kauf jedoch so gut wie nichts. Die meisten Verkäufer haben ihren Sitz in China. Bei einer solchen Konstellation ist es für Verbraucher sehr schwierig, ihre Rechte, beispielsweise im Fall einer Reklamation, durchzusetzen. Der Verbraucherzentrale-Bundesverband rät, nach Möglichkeit nicht in Vorkasse zu gehen, sondern die Ware erst zu bezahlen, wenn man sie erhalten hat und zufrieden ist.

Temu und EU-Recht

Konsumenten innerhalb der EU steht ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu. Wie dieses Widerrufsrecht auszusehen hat, wie die Formulierungen lauten müssen und welche Ausschlüsse des Widerrufsrechts für Online-Shops möglich sind, all das ist streng geregelt. Abweichungen sind, wenn überhaupt, nur zugunsten der Konsumenten möglich. Diese Vorgaben werden bei Temu nach Angaben der Organisation Watchlist Internet gleich mehrfach verletzt. So wird beispielsweise die Rückgabe von „von der Verpackung befreiten Kleidungsstücken“ oder Artikeln, die als nicht umtauschbar gekennzeichnet sind, ausgeschlossen.

Schlechte Nutzer-Wertung

Auf Bewertungsportalen wie „Trustpilot“ berichten Käufer von teils minderwertiger Ware, die völlig unbrauchbar sei, von Problemen mit Rücksendungen, und es gibt auch Berichte darüber, dass die bestellte Ware sehr lange unterwegs war oder nie angekommen sei. Die Gesamtbewertung bei Trustpilot liegt bei 3,5 von 5 Sternen. Auffällig ist, dass fast alle 5-Sterne-Rezensionen mit Gutscheincodes versehen sind. Das stellt doch sehr infrage, ob es sich bei den sehr guten Bewertungen tatsächlich um authentische Nutzerbewertungen und nicht vielmehr um Werbemaßnahmen seitens Temu handelt. Zudem hat das WDR-Magazin „Servicezeit“ einen Probeeinkauf bei Temu gemacht und dabei festgestellt, dass manche Produkte durch den Transport in einer dünnen Plastikhülle bei Ankunft bereits beschädigt waren. Außerdem fiel auf, dass Waren oft viel kleiner waren als auf den Produktfotos.

Fragwürdige Werbung

Nutzer berichten darüber, dass sie kurz nach der Registrierung bei der Onlineshopping-Plattform eine Flut an Werbe-Mails und ständig Benachrichtigungen auf dem Smartphone zu neuen Angeboten bekommen. Mit Spezialangeboten und spielerischen Elementen soll zudem zu Käufen animiert werden, so die Verbraucherzentrale.

Zusätzliche Gebühren

Wer außerhalb der EU online einkauft, muss mit einigen Überraschungen rechnen. Dies betrifft schwer zu kalkulierende Einfuhrabgaben, die der Paketdienst bei Lieferung verlangt. Zoll und Einfuhrumsatzsteuer können eine scheinbar günstige Online-Bestellung deutlich verteuern. Einfuhrumsatzsteuer wird ab einem Warenwert von 5,26 Euro fällig, Zoll ab einem Warenwert von 150 Euro. Und bei einer Retoure ist es für die Käufer sehr aufwendig, diese Abgaben wieder zurückzubekommen.

Datenschutz

Laut Verbraucherzentrale-Bundesverband macht Temu keinen Hehl daraus, an personenbezogenen Daten interessiert zu sein und diese auch für kommerzielle Zwecke zu nutzen. Die App fordert sehr viele Zugriffe, zum Beispiel auf Kamera, Mikrofon, Fotos und das Adressbuch des Nutzers, die fürs Einkaufen gar nicht notwendig sind. „Wer die Plattform datensparsam nutzen möchte, sollte darauf achten, etwa dass das Standorttracking in den Einstellungen des Smartphones deaktiviert ist“, raten die Verbraucherschützer.

Nachtmodus
Rundschau abonnieren