Eine Studie der Bergischen Universität Wuppertal und der IHKn in NRW zeigt auf, dass es Frauen an Netzwerken, Vorbildern und Unterstützung fehlt
Studie über GründerinnenFrauen haben mehr Nachteile als Männer – aber warum?
Als Carmen Breuer-Mentzel 2011 ihr erstes Unternehmen gründete, hörte sie skeptische Fragen wie: „Und das als Frau?“ Inzwischen hat sie drei Unternehmen aufgebaut, erlebte aber erst kürzlich die Situation, dass ein Kamera-Team auf einer Messe nicht sie als Unternehmerin mit eigenem Stand ansprach, sondern den Mann am Stand daneben – und dann hinterher kommentierte: „Ach, wir dachten, Sie als Frau gehören zu einem Stand dazu.“
Die Beraterin aus dem sauerländischen Wenden ist mit ihren Erfahrungen kein Einzelfall. „Während es eine Vielzahl an männlichen Gründungsvorbildern gibt, mangelt es heute noch immer an sichtbaren und nahbaren weiblichen Vorbildern für potenzielle Gründerinnen“, sagt Professorin Christine Volkmann. Die Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftswissenschaften, insbesondere Unternehmensgründung und Wirtschaftsentwicklung, an der Bergischen Universität Wuppertal ist der wissenschaftliche Kopf hinter einer aktuellen Studie zum Thema „Gründen und Nachfolgen von Frauen in NRW“. Dies basiert auf Befragungen aus dem Sommer 2023 und entstand in Zusammenarbeit mit dem Verein IHK NRW, der zu diesem Zeitpunkt auch noch die Industrie- und Handelskammer Köln angehörte.
Verlust von Potenzial und Wachstum
Sie befasst sich mit der Frage, warum Frauen als Gründerinnen und Unternehmensnachfolgerinnen in Nordrhein-Westfalen deutlich unterrepräsentiert sind. Zur Ausgangslage heißt es darin, nur 20 Prozent der Start-ups in NRW wurden 2023 von Frauen gegründet. Generell bei den Selbständigen liege der Frauenanteil in NRW bei 37 Prozent, bei der Unternehmensnachfolge zwischen 13 und 23 Prozent, abhängig davon, ob es sie als Externe oder als Familienangehörige in einen Betrieb einsteigen. „Damit bleibt nicht nur ein großes Potential ungenutzt, wir verzichten auch auf ein Extra-Wachstum, denn Gründerinnen sind – statistisch betrachtet – meist erfolgreicher als ihre männlichen Pendants“, kommentiert Ralf Stoffels, Präsident des Vereins IHK NRW.
Von den befragten 1 416 Frauen, die sich mehrheitlich in den ersten zehn Jahren ihrer unternehmerischen Selbständigkeit befanden oder sie in unmittelbarer Zukunft konkret planen, nannten 53 Prozent bürokratische Hürden und 29,1 Prozent die Finanzierung.
Zwar haben auf den ersten Blick Frauen und Männer diese Probleme gemeinsam, der Studie zufolge gab en nicht spezifierter Teil jedoch an, bei Banken oder Beratungsstellen diskriminiert worden zu sein. Außerdem beklagen 35,5 Prozent einen Mangel an Unterstützungssystemen und 29,7 Prozent fehlende Netzwerke. „Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Selbstständigkeit – sowohl für Mütter als auch Väter – könnte daher ein bedeutender Hebel sein, um das Potenzial für mehr Selbständigkeit zu fördern“, bilanziert Dr. Nikolaus Paffenholz, Fachpolitischer Sprecher für Existenzgründung und Unternehmensförderung bei IHK NRW.
Auch auffallend: Fast 70 Prozent halten Fördermöglichkeiten für wichtig, in Anspruch genommen haben sie aber nicht einmal 20 Prozent. „Ein Grund dafür könnte sein, dass Gründerinnen Förderanträge stellen wollten, diese aber nicht bekannt genug waren“, so die Autoren der Studie.
„Um mehr Frauen für die Karriereoption der Gründung oder Nachfolge zu sensibilisieren und in der Entscheidung zu stärken, erscheint es notwendig, spezifische Angebote zur Sensibilisierung zu etablieren“, so Professorin Volkmann: „Regelmäßige Formate, wie Austauschformate mit anderen Unternehmerinnen, können dabei die Hürde nehmen, andere Unternehmerinnen kennenzulernen, um sich beispielsweise zu unternehmerischen Herausforderungen auszutauschen.“ In Köln werden diese bereits in Form des jährlichen Frauen-Business-Tages umgesetzt.
Unternehmerin Carmen Breuer-Mentzel rät aber, sich nicht auf eine Art des Netzwerkens zu beschränken: „Frauennetzwerktreffen sind wichtig, denn es gibt noch immer viele Frauen, die sich unter Frauen anders austauschen. Ich würde aber empfehlen, sich auch mutig in gemischte Netzwerktreffen zu mischen, denn dann bekommt man Standing und Respekt.“
Gender Pay-Gap
Die Benachteiligung von Frauen reicht bis in die höchste Ebene, zeigt eine Studie der Universitäten Tübingen, Paderborn und der Hochschule Ostwestfalen-Lippe am Beispiel von 84 großen europäischen Unternehmen. Während männliche Top-Führungskräfte im Schnitt vier Millionen Euro jährlich verdienten, lag das Einkommen von Frauen auf gleicher Karrierestufe bei 2,8 Millionen.