Sparkassenpräsident im Interview„Die Verwahrung von Geld kostet“
- Die Sparkassen sind bislang recht gut durch die Corona-Krise gekommen.
- Die Negativzinsen und die Einlagenflut sorgen jedoch für Probleme.
- Zunehmend fehlten Ertragsmöglichkeiten, sagt Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, im Interview mit Corinna Clara Röttker.
Herr Schleweis, Ihre Kunden horten so viel Geld wie nie zuvor auf den Girokonten. Der Einlagenzuwachs stieg 2020 um 79,1 Milliarden Euro – ein Rekordplus von 7,9 Prozent. Sie sagten, Sie fühlen sich von dem Vertrauen liebevoll umarmt, so ganz glücklich sind Sie damit aber nicht.
Wir empfinden das große Vertrauen der Menschen als besondere Wertschätzung. Die Sparkassen sind für die meisten Menschen ein sicherer Hafen. In Zeiten von Null- und Negativzinsen sind diese immensen Einlagenzuflüsse allerdings für uns und auch für unsere Kunden ein ernsthaftes Problem.
Wie sieht dieses Problem aus?
Zur Person
Helmut Schleweis ist seit dem 1. Januar 2018 Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes mit Sitz in Berlin. Der DSGV ist der Dachverband der etwa 400 deutschen Sparkassen. Der 66-Jährige Schleweis war zuvor 16 Jahre lang Vorstandschef der Sparkasse in seiner Heimatstadt Heidelberg. (EB)
Für Kunden ist es nicht sinnvoll, bei Nullzinsen Geld auf dem Girokonto zu parken und gegebenenfalls Verwahrentgelte zahlen zu müssen. Denn auf diese Weise kann man nicht am volkswirtschaftlichen Wertzuwachs teilhaben. Schrittweise verliert das Vermögen so an Wert. Und auch für die Kreditinstitute ist das ein Problem. Weil die Marktzinsen derzeit negativ sind, können diese Einlagen nicht ertragreich im Markt eingesetzt werden. Die Verwahrung von Geld kostet, und auf jeden Euro fallen Bankenabgabe und die Sicherungskosten an. Es ist für uns immer mehr eine Herausforderung, mit den Einlagen betriebswirtschaftlich sinnvoll umzugehen.
Was raten Sie Ihren Kunden, mit dem Geld auf den Girokonten stattdessen zu machen?
Als Erstes rate ich immer: Suchen Sie sich einen Berater, um für Ihre persönliche Situation eine individuelle Lösung zu finden. Ansonsten gibt es bei negativen Marktzinsen vor allem zwei Möglichkeiten, um am Wertzuwachs zu partizipieren: Entweder Sie investieren in Sachanlagen wie Immobilien, oder Sie sparen mit Wertpapieren. Zudem sollten Sie etwas Liquidität zur Verfügung haben, falls beispielsweise unerwartet größere Reparaturen oder Anschaffungen fällig werden.
Wie begegnen die Sparkassen der Herausforderung?
Das Wichtigste ist, allen unseren Kunden über Wertpapiersparverträge eine gut rentierliche Anlageform anzubieten. Schon ab 25 Euro pro Monat bieten Sparkassen ihren Kunden das regelmäßige Wertpapiersparen an. Das ist für alle Seiten attraktiv: Die Kunden entgehen der Zinsfalle und profitieren von den Wertzuwächsen am Kapitalmarkt, und die Sparkassen müssen nicht sinnlos Geld für Einlagen auf Girokonten aufwenden. Denn sonst wären sie betriebswirtschaftlich gezwungen, ihre Preispolitik zu überprüfen.
Sie haben immer betont, dass Negativzinsen bei Sparkassen erst ab hohen Freibeträgen von 100000 Euro aufwärts fällig werden. Doch jetzt erheben nicht nur immer mehr Sparkassen Strafzinsen, sondern es sinken auch die Freibeträge. Werden sie irgendwann bei null Euro liegen?
Das Ziel der Sparkassen war immer, ihre Kunden so lange wie irgend möglich von den negativen Marktzinsen zu schützen. Das haben wir viele Jahre durchgehalten. Wir haben aber auch immer gesagt: Wenn diese Marktbedingungen so anhalten, wird das nicht auf Ewigkeit gehen. Niemand kann auf Dauer betriebswirtschaftlich gegen die Marktbedingungen handeln. Deshalb müssen auch Sparkassen handeln – sie machen das aber individuell, weil nur dort über Preise entschieden werden kann.
Negativzinsen sind aber auch ein lukratives Geschäft für die Banken. Einer Stichprobe zufolge haben 2018/2019 von 22 Banken elf mehr Geld durch Negativzinsen verdient, als sie selbst aufwenden mussten.
Von der Untersuchung habe ich auch gelesen, sie überzeugt mich nicht. Ich kenne keine Sparkasse, die von der Zinssituation profitiert. Alleine für die Verwahrung von Geld müssen die Sparkassen in diesem Jahr vermutlich über 240 Millionen Euro an die EZB zahlen. Und noch gravierender ist, dass bei negativen Marktzinsen Ertragsmöglichkeiten fehlen. Bisher war es so: Kundengelder wurden ertragreich im Markt eingesetzt. Daraus wurden die Verwahrkosten getragen – und am Überschuss hat der Kunde durch Einlagenzinsen teilhaben können.
Wenn die Ertragsmöglichkeiten fehlen, wie ambitioniert muss dann gespart werden, damit die Sparkassen in diesen herausfordernden Zeiten bestehen können?
Das ist eine wirklich herausfordernde Aufgabe. Durch mehr Zusammenarbeit in unserem Verbund versuchen wir, Kostenvorteile zu erzielen. Mehrfacharbeit wird reduziert und Dienstleistungen, die eine Sparkasse vor Ort selbst nicht wirtschaftlich erbringen kann, werden auf andere Verbundunternehmen verlagert. Und natürlich nutzen wir die Digitalisierung, um unsere Prozesse schneller und kostengünstiger zu machen.
Führt das am Ende dazu, dass die Zahl der Sparkassen-Filialen weiter sinken wird?
Ich persönlich bin ein Fan der Filiale, weil sie nah am Kunden ist. Wenn aber immer mehr Kunden Online-Dienstleistungen nutzen, muss sich die Filiale wandeln. Dann dient sie nicht mehr dem täglichen Service, sondern mehr der umfassenden Beratung. Und die benötigt jeder von uns, aber seltener als die täglichen Bankgeschäfte. Deshalb sinkt die Zahl der Filialen.
Sparkassen wie Volksbanken vermarkten sich als „die Bank von nebenan“. Sind sie das mit dem schrumpfenden Filialnetz überhaupt noch?
Die Sparkassen haben nach wie vor das dichteste Filialnetz in Deutschland. Wir sind überall in der Fläche präsent: Im Jahr 2020 wurden insgesamt 467 mitarbeiterbesetzte Filialen geschlossen, aber gleichzeitig auch 224 SB-Filialen neu eröffnet, so dass wir am Jahresende noch immer insgesamt über 12000 Geschäftsstellen hatten. Niemand sonst hat so viele Geschäftsstellen. Und das ist ja nur ein Teil unseres Angebotes. Immer mehr Menschen nutzen die digitalen Services ihrer Sparkasse und erledigen einfache Bankgeschäfte bequem von zu Hause. Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass unsere Kunden in bestimmten Lebenssituationen, wenn es zum Beispiel um Themen wie Altersvorsorge, oder den Erwerb einer Immobilie geht, die Beratung vor Ort sehr schätzen und diese gezielt aufsuchen. Deswegen bleibt die Filiale auch in Zukunft das Gesicht der Sparkasse zum Kunden.