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Zweifel an  SicherheitHuawei beliefert NRW-Unis mit Cloudspeicher – trotz Spionageverdacht

Lesezeit 5 Minuten
Ein Mann tippt auf seinem Smartphone, während er in der Nähe einer Werbetafel für die chinesische Technologiefirma Huawei steht.

Huawei wurde von NRW-Hochschulen beauftragt Cloudspeicher bereit zu stellen.

Die NRW-Hochschulen beauftragen den chinesischen Konzern Huawei mit der Bereitstellung der Cloudspeicher – ein mutiger Schritt, angesichts der anhaltenden Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit.

„Riesen-Wolke macht Forschungsdaten sicher“ betitelte das NRW-Wissenschaftsministerium vor neun Monaten seine Pressemitteilung zum neuen riesigen Datenspeicher „Datastorage.NRW“ für alle öffentlich-rechtlichen Hochschulen. Nun, wenige Wochen vor der Freischaltung des Cloudspeichers gibt es Zweifel an der Sicherheit der Daten. Denn wie das Ministerium bestätigte, hat bei der europaweiten Ausschreibung der chinesische Technologie-Konzern Huawei den Zuschlag bekommen, weil er alle Kriterien erfüllt und das beste Preis-Leistungsangebot abgegeben habe. Huawei liefert die benötigten Objekt- und Hochleistungsspeicher im Wert von 3,7 Millionen Euro. Cisco (USA) liefere weitere Komponenten für rund 230.000 Euro. Die Universität Bonn und die Technische Hochschule Köln prüfen jetzt, ob sie die Cloudspeicher überhaupt nutzen werden.

Huawei steht seit Jahren im Verdacht, als Einfallstor für chinesische Spionage zu dienen. Da das Unternehmen nicht an Börsen gehandelt wird, gilt seine Eigentümerstruktur als undurchsichtig und staatlicher Einfluss als wahrscheinlich.

Vor allem die USA dringen darauf, den Konzern aus dem Markt zu drängen. Erst im Juli hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit allen hiesigen Mobilfunkanbietern verabredet, dass bis 2029 alle Huawei-Netzwerkkomponenten aus den deutschen Netzen entfernt werden.

Konkrete Belege für die Vorwürfe sind rar

Auch die forschungsstarken Universitäten in Oxford, in Stanford (Kalifornien) sowie das Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben ihre Zusammenarbeit mit Huawei eingestellt. Ob berechtigt oder nicht: Regierungskreise befürchten offenbar, bei wachsenden politischen Spannungen könne Chinas Führung technische Systeme von Huawei als Druckmittel oder zur Infiltration nutzen. Konkrete Belege für die Vorwürfe sind indessen rar.

Das neue Prestigeprojekt der schwarz-grünen NRW-Regierung ist im Hinblick auf die Datensicherheit eine Herausforderung. Forschende sollen in der Cloud „ihre Daten unkompliziert, jederzeit und von jedem Ort aus ablegen, gemeinsam bearbeiten und verwalten können – von Labormesswerten über Simulationen von Experimenten bis hin zu umfangreichen Studien“, schreibt das verantwortliche Ministerium für Wissenschaft und Kultur in einer Pressemitteilung.

Zehn Millionen Euro kostet das Angebot. Sein Kern sind riesige Datenspeicher und Serverfarmen mit einem Speichervolumen von zehn Petabyte. Damit könne ein Äquivalent von 5000 Milliarden beschriebener DIN-A4-Seiten gespeichert werden, verteilt auf Standorte der federführenden RWTH Aachen, der Universitäten Duisburg-Essen, Köln und Paderborn sowie der Digitalen Hochschule NRW, so das Ministerium.

Weshalb nutzt die Landesregierung überhaupt Komponenten von Huawei?

Besonders seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine seien vermehrt Hackerangriffe auf Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften festgestellt worden. Wie aus einer Antwort der Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der SPD-Fraktion hervorgeht, waren Angriffe an der Ruhr-Universität Bochum, der Hochschule Ruhr-West, der Uni Köln, der Heinrich-Heine-Universität und der Kunstakademie Düsseldorf, der Bergischen Universität Wuppertal sowie jeweils zweimal an der Universität Duisburg-Essen und der Fachhochschule Münster erfolgreich. Der neue Cloud-Speicher für alle NRW-Hochschulen solle kommen, „damit die Forschungsdaten unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch zuverlässiger gesichert werden können“.

Weshalb aber nutzt die Landesregierung überhaupt Komponenten von Huawei? Weil Huawei bei der vorgeschriebenen europaweiten Ausschreibung gemäß geltender Richtlinien das beste Preis-Leistungsangebot abgegeben habe, erklärte das Wissenschaftsministerium gegenüber der Rundschau auf Anfrage. „Und an das Vergaberecht sind wir gebunden“, ergänzte Dr. Thomas Eifert vom IT-Center der RWTH Aachen auf Nachfrage der Rundschau. „Hätten wir Huawei ausgeschlossen, wäre das ein Verstoß gegen das Vergaberecht gewesen.“ Huawei liefere nur zertifizierte Speicher- und keine Netzwerkkomponenten, diese seien von dem Verbot der Bundesregierung nicht betroffen, so ein Sprecher des Ministeriums. Zudem gebe es auch keine Warnung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zur Verwendung von Huawei-Speicherkomponenten.

Die Systeme werden nach Aussage des Ministeriums in den Rechenzentren der beteiligten Hochschulen durch Fachpersonal dieser Hochschulen betrieben. Das System verfüge nur über die für den Betrieb unbedingt notwendigen Außenverbindungen. Auch zu Wartungszwecken bestehe für die Lieferanten nur ein für den Einzelfall freigegebener und beaufsichtigter Zugang, so der Sprecher weiter. Im Übrigen gebe es keine Verpflichtung der NRW-Hochschulen, sich an dem hochschulübergreifenden Dienst „DataStorage.nrw“ zu beteiligen.

Weiterhin Insellösung für die Forschungsdaten

Und wie stehen die Hochschulen zu dem Projekt? Die Technische Hochschule Köln verweist darauf, dass sie derzeit ein Forschungsdatenmanagement aufbaue. In diesem Zusammenhang werden auch Möglichkeiten zur Speicherung der Daten geprüft. Das Datastorage könnte eine Möglichkeit für die Speicherung der Forschungsdaten sein, so die Sprecherin weiter. In der Regel würden an der TH Köln auch bei Konsortiallösungen die Verträge interne Prüfverfahren durch die Datenschutzbeauftragten durchlaufen. Erst nach Abschluss dieser Prüfungen falle eine Entscheidung, so die Sprecherin.

Auch an der Uni Bonn ist noch keine Entscheidung darüber gefallen, ob die Hochschule an dem Großprojekt teilnimmt. „Unabhängig von einer etwaigen Entscheidung über die künftige Verwendung werden wir in jedem Fall auch unsere bisherigen Datenspeichersysteme weiter betreiben“, teilt die für Wissenschaftskommunikation zuständige Sprecherin Katja Fels schriftlich mit. Speicherkomponenten von Huawei nutze die Bonner Hochschule jedenfalls nicht, versichert Fels.

Und die Universität Köln ist bei datastorage.nrw als Kooperationspartner ohnehin mit im Boot. Eine Stellungnahme zu der Vergabe an Huawei gab es auf Anfrage nicht. Die Pressestelle verwies an die RWTH Aachen. Projektleiter Eifert stellt klar, dass über die Vergabevorgaben etwaige Risiken minimiert wurden. Aber ganz ließen sich Risiken nie ausschließen. Die Huwaei-Produkte selbst, aber seien sehr gut, so Eifert. Am Vorläuferspeicher RDS.nrw seien bislang ein Dutzend Hochschulen angeschlossen gewesen, wie viele es künftig sein werden, ist offen.


Datenspeicher mit vier Standorten

„DataStorage.nrw“ wird mit seinen Speichern an den Standorten Aachen, Duisburg-Essen, Köln und Paderborn betrieben. Der mögliche Ausfall eines Standorts – beispielsweise durch einen Cyberangriff – werde durch die drei weiteren Hochschulen aufgefangen, heißt es in einer Pressemitteilung des Wissenschaftsministeriums.

Das Projekt zur Unterstützung des Forschungsdatenmanagements baue auf dem Vorgängerprojekt „RDS.nrw“ auf, biete aber gemeinsam die dreifache Speicherkapazität und kann erstmals zusammen mit der neuen Software Coscine.nrw von allen Hochschulen genutzt werden.

Die Plattform Coscine wird seit 2018 an der RWTH Aachen als Open-Source-Software entwickelt und schafft für Forschende eine Umgebung, in der das Management der Forschungsdaten umgesetzt werden kann. Sie können gestalten, wer Zugriff auf ihre Forschungsdaten erhält, welche projektspezifischen Metadaten vergeben werden und welche Daten archiviert werden.