Rund um den Umbau des Unternehmens und Zukunftspläne sprachen Ralf Arenz und Tobias Wolff mit Christoph Kempkes, dem Chef des Agrarhandelshauses RWZ.
Agrarhandelschef im Interview"Preiskapriolen sind das neue Normal"

Ein RWZ-Lkw vor einem Rapsfeld. Die RWZ ist eines der großen Agrarhandelshäuser der Republik.
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Wie oft schauen Sie derzeit auf den Wetterbericht?
(lacht) Von Berufs wegen schaue ich mehrmals täglich auf den Wetterbericht. Die Landwirtschaft und wir als Agrarhändler sind naturgemäß vom Wetter abhängig und in diesem Sommer ist uns Petrus nicht besonders wohlgesonnen.
Auf den Agrarmärkten gab es in der Vergangenheit immer wieder Kapriolen bei den Preisen. Haben Sie schon eine Idee, wie dieses Jahr läuft?
Solche Kapriolen sind das neue Normal. Damit müssen wir umgehen lernen. Das möchte ich auch nicht beklagen, denn solche Brüche bieten auch Chancen. Aber: Das Klima ändert sich. Politische Ereignisse dominieren nach Jahren relativer Stabilität vermehrt das Preisgeschehen auf unseren Märkten. Das strikte regulatorische Umfeld verengt die Handlungsspielräume der Landwirte und zwingt diese zu einer anderen, weniger intensiven Landwirtschaft. In diesem Anpassungsprozess gibt es Gewinner, aber auch viele Verlierer.
Haben Sie schon eine Prognose, wie die Ernte in diesem Jahr ausfällt?
Für eine finale Beurteilung ist es noch etwas früh. Es gibt große regionale Unterschiede und man kann auch nicht alles über einen Kamm scheren. Futtergerste ist schon länger im Silo und ok. Die Braugerste – wichtig fürs Kölsch – sieht mäßig aus. Beim Weizen konnte wegen des Regens zeitweise nicht geerntet werden, sodass die Qualität gelitten hat. Dem vor einem Monat noch wegen Trockenheit gefährdeten Mais dagegen hat der Regen gutgetan. Kartoffeln und Rüben liegen noch im Acker; da treibt die nass-schwüle Witterung aber die Pilzbildung, die Pflanzen müssen geschützt werden. Kartoffeln und hier insbesondere die sogenannten Verarbeitungskartoffeln, welche zu Pommes oder Chips verarbeitet werden, sind zurzeit ein rares und somit teures Gut. Hier passt immerhin der aktuell sehr auskömmliche Preis für die Landwirte.
Gibt es Landwirte, die besonders unter Druck stehen?
Die Weinernte kann noch gut werden, allerdings leiden die Winzer unter einem starken Preisverfall für Fasswein – und das gilt für andere europäische, traditionell Wein-affine Länder gleichermaßen. Dies hat wohl mit inflationsbedingter Konsumzurückhaltung um bis zu 20 Prozent zu tun. Ähnlich schlecht ergeht es zurzeit auch den Gemüse- und Gartenbauern. Tante Annemarie kauft jetzt halt nur mehr vier statt sechs Geranien für ihren Balkon. Die Tierhaltung ist bereits seit einiger Zeit unter Druck. Viele Landwirte geben hier auf. Da der Deutsche aber trotzdem sein Kotelett auf dem Grill haben will, wird vermehrt importiert, sodass fürs Klima auch nichts gewonnen ist. Generell werden die wichtigen Inputfaktoren für landwirtschaftliche Erzeugung, insbesondere Dünger, der stark am Gaspreis hängt, Treibstoff und Landmaschinen teurer. Der Landwirt kommt hier nur über die Runden, wenn er seine erzeugte Ware dann auch entsprechend teuer verkaufen kann. Das gelingt nicht jedem.
In den letzten Jahren haben Sie die RWZ restrukturiert. Was haben Sie getan?
Als ich vor sieben Jahren zum Unternehmen kam, war die RWZ meiner Einschätzung nach finanziell überdehnt. Tanz auf zu vielen Hochzeiten. Alles wird heute komplizierter, spezialisierter, regulierter. Da muss man sich auf das konzentrieren, was man wirklich gut kann. Deshalb haben wir unsere Baustoffmärkte an einen Baustoffhändler verkauft, unsere Tierfutterwerke in einen deutlich größeren Produktionsverbund eingebracht, für unser Einzelhandelsgeschäft in den Raiffeisen-Märkten den Einkauf mit einem Schwesterunternehmen gebündelt, unseren Energiebereich auf die Versorgung des ländlichen Raumes redimensioniert und unsere Standorte in Thüringen/Sachsen an ein bereits dort tätiges Unternehmen verkauft. Zusätzlich haben wir in Kernbereichen wie beispielsweise Dünger oder Profi-Gartenbau Allianzen mit anderen Unternehmen gesucht.
An Größe haben Sie dadurch nicht verloren?
Nein, weil wir dort, wo wir relative Stärken haben, mit Hilfe der frei gesetzten Ressourcen stark gewachsen sind. Dazu zählen die Bereiche Kartoffeln und Landmaschinen – national wie international. Stark voran gekommen sind wir auch bei Betriebsmitteln wie Dünger, Pflanzenschutz und Saatgut, im Handel mit Getreide, mit Ölsaaten und mit Holz.
Die RWZ ist jetzt keine Genossenschaft mehr, sondern seit Ende Juli dieses Jahres eine Aktiengesellschaft. Was sind die Vorteile?
Wir gehören inzwischen zu den 300 größten Unternehmen in Deutschland. Um so ein Rad zu drehen und das Unternehmen weiterzuentwickeln, brauchen wir frisches Kapital. Das geht als AG leichter. Zudem ist der rechtliche Rahmen für die Bildung von Allianzen durch den Wechsel der Rechtsform einfacher geworden. Wir können nun auch unsere Mitarbeitenden am Unternehmenserfolg beteiligen und so hoffentlich besser halten.
Agrarhandel, Betriebsmittel, Agrartechnik und Kartoffeln sind Wachstumsfelder. Gibt es weitere?
Grundsätzlich bin ich zuversichtlich für die Aussichten der Land- und Forstwirtschaft. Gegessen wird immer. Zudem verfügt diese über Flächen und nachwachsende Rohstoffe, beides wichtig als ein Baustein für die bevorstehende Energiewende. Landwirtschaft ist als signifikanter CO2-Emittent Mitverursacher und Opfer des Klimawandels zugleich – kann aber auch ein Teil der Lösung sein. Breit geständerte PV-Anlagen auf Brachflächen oder Grünland – also nicht in Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion – kann Umweltschutz mit landwirtschaftlicher Nutzung paaren. Aus Tierexkrementen kann man Biogas oder Wasserstoff erzeugen. Auf Kalamitätsflächen im Wald – sprich dort, wo der Borkenkäfer die Fichten zerstört hat – könnte man Windräder platzieren, um so dem Waldbesitzer ein Einkommen für die Wiederaufforstung zu schaffen. Es gibt viele Chancen. Leider passt der rechtliche Rahmen noch nicht, weil politisch oft Ideologie vor Sachverstand geht und es Gerangel zwischen den zuständigen Ministerien gibt.
Welche Rolle spielt die RWZ dabei genau?
Die erneuerbaren Energien sind für uns ein deklariertes Wachstumsfeld. Das kostet zwar erst mal viel Geld, aber der Strombedarf wird auf jeden Fall steigen. Wir arbeiten hier mit einem Partner, der Firma BMR, zusammen. Wir finden die Flächen, dann projektieren wir gemeinsam und die bauen dann. Die Landwirte vertrauen uns dabei. Wir sind immer offen für Beteiligungen. Das können Individuen, lokale Unternehmen oder Kommunen sein; das befördert Akzeptanz.
Weshalb erfolgt der Umzug aus der Innenstadt nach Marienburg? Immerhin haben Sie einen prominenten Sitz direkt am Breslauer Platz.
Die strategische Grundsatzentscheidung war: Wollen wir Geld in einem alten Hochbunker binden oder dieses realisieren und in die Geschäftsentwicklung investieren. Wir haben uns für Letzteres entscheiden – allerdings schweren Herzens. Wir bleiben Köln treu und freuen uns jetzt auf ein topmodernes neues Büro im Reiterstaffel-Quartier, wo wir zunächst mal mieten werden. Einzig ärgerlich ist nur, dass die Stadt Köln es auch absehbar nicht schafft, eine effiziente Straßenbahnanbindung entlang der Bonner Straße fertigzustellen. Deshalb planen wir, unseren Mitarbeitenden einen Shuttle-Service vom Hauptbahnhof zur Reiterstaffel anzubieten.
Sie werden sich, was die reine Fläche angeht, dann verkleinern. Nominell ziehen wir von knapp 11 000 Quadratmetern auf 6500 Quadratmeter. Dazu muss man allerdings sagen, dass der alte Bunker (das Gebäude gegenüber des Bahnhofes gründet auf einem Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg, d. Red.) kaum noch modernen Ansprüchen genügt und keine effiziente Raumaufteilung hat. Zudem verändert sich die Arbeitswelt. Nicht jeder mag mehr jeden Tag ins Büro kommen.
Für wann ist der Umzug geplant?
Die Projektierer rechnen mit einer Fertigstellung des neuen Gebäudes gegen Ende 2024. Also gehe ich von einem Umzug zu Pfingsten 2025 aus.
Das Unternehmen
Christoph Kempkes wurde 1967 in Xanten geboren. 1992 schloss er sein Studium der Wirtschaftswissenschaften ab. Seit 2016 ist er Vorstandschef der RWZ. Die RWZ, eines der größten Agrarhandelshäuser Deutschlands, handelt mit Agrarerzeugnissen, Betriebs- und Futtermitteln, Agrartechnik und Holz. Sie betreibt Autohäuser, Haus- und Gartenmärkte sowie einen Brennstoffhandel. Das Geschäftsgebiet erstreckt sich über weite Teile von NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Sie ist auch in Frankreich, Österreich und Benelux vertreten. 2400 Mitarbeitende, 250 in Köln, erwirtschafteten 2022 einen Umsatz von drei Milliarden Euro.