Peter Jungen nahm erneut auf Einladung der chinesischen Regierung an einer Konferenz in dem Land teil. Ralf Arenz sprach mit ihm über die Reise.
Kölner Unternehmer Peter Jungen„China muss freie Kräfte mobilisieren“
Wir haben bewegte Zeiten. War das bei den Konferenzen und Gesprächen spürbar?
Ja, in zweifacher Weise. Zum einen waren innerchinesische Probleme spürbar. Zum anderen erleben wir, dass Chinas Partner Russland eine gewaltige Niederlage im Nahen Osten erlitten hat und unter Umständen den Zugang zum Mittelmeer verliert. Russland konnte Assad, seinem wichtigsten Verbündeten in der Region, nicht helfen.
Was hat sich innerhalb Chinas verändert?
Die Entwicklung ist eine andere. Wirtschaftswachstum ist für China der Schlüssel zur inneren Befriedung. Mit dem enormen Aufschwung, den China in 45 Jahren zum Industriestaat genommen hat, gingen Jahrzehnte der Ruhe einher. Das muss nicht so bleiben. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist von Werten um die 200 US-Dollar auf 11 000 bis 12 000 Dollar gestiegen.
Die Zeit der hohen Wachstumsraten scheinen vorbei.
In sich entwickelnden Ländern gibt einen Bereich von etwa 11 000 bis 15 000 Dollar Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung, in dem es oft nicht mehr vorwärtsgeht. China könnte in einer derartigen Falle, einer „Middle Income Trap“ stecken, aus der der Sprung zu den hochentwickelten Industrieländern nicht gelingt. In dem Bereich genügt Kopieren nicht mehr. Hier sind Innovationen und Unternehmerschaft nötig. Hier müssen freie Kräfte mobilisiert werden.
Ist das nicht gerade ein sehr ungünstiger Zeitpunkt für eine derartige Falle?
Ja! Die Wirtschaftsleistung pro Kopf hat seit drei Jahren kaum noch zugenommen. Dabei liegt China etwa auf dem Niveau von Russland, die politische Führung orientiert sich aber an den USA. Das Bruttoinlandsprodukt in absoluten Zahlen liegt für China bei 17,8 Billionen, für die USA 27,3 und für Deutschland 4,4 Billionen. Um zu den USA aufzuschließen, muss China schneller wachsen als jetzt gerade. Und der Weltmarkt ist weniger aufnahmefähig. Es gibt Protektionismus, und Zollschranken werden hochgezogen, die Chinas Wirtschaft bremsen.
Zieht der Konsum in China nicht an?
Der Konsum müsste angekurbelt werden. Gleichzeitig ist der Export wichtig. China muss da einen Mittelweg finden.
Sie haben früher schon betont, dass es in China viel Wagniskapital gibt für Start-ups, die doch innovativ sind.
Ja, das lag einmal bei 100 Milliarden Dollar pro Jahr vor drei Jahren. Jetzt sind es noch 60 Milliarden. In den USA sind es etwa 300 Milliarden. Etwa 60 bis 70 Prozent des Wagniskapitals in der Welt sind in den USA und in China, das auch deutlich vor Europa liegt. Die USA setzten neue Ideen aber ausgesprochen schnell um, auch viel schneller als wir in Europa.
Mir scheint, Sie waren schon einmal optimistischer aus China zurückgekommen. Täuscht mein Eindruck?
Ich bin weniger optimistisch. China hat Überkapazitäten etwa bei der Stahlerzeugung oder dem Autobau, auch gibt es einen großen Leerstand bei Wohnungen. Die schönen Tage scheinen vorbei.
Kann China denn jetzt überhaupt noch Lokomotive der Weltwirtschaft sein?
Keine Lokomotive, aber China ist immer noch ein schneller Zug. Und täuschen wir uns nicht: Das hat Auswirkungen auf Deutschland und Europa. China war einer unserer wichtigsten Handelspartner. Ein Dämpfer für China bedeutet auch einen Dämpfer für Deutschland.