Der Steuerzahlerbund wirft den Städten vor, Kosten zu hoch anzusetzen. Im NRW-weiten Schnitt sollen die Abwassergebühren um 6,8 Prozent gestiegen sein.
Ist das noch fair?Gebühren für Abwasser und Müll in NRW werden immer höher
Matthias KorfmannDüsseldorf Den Verdacht, dass viele Städte in NRW ihre neuen gesetzlichen Möglichkeiten nutzen, um die Abwassergebühren kräftig zu erhöhen, sieht der Bund der Steuerzahler in NRW mit seinem jüngsten Gebührenvergleich bestätigt. Auch viele Bürgerinnen und Bürger dürften sich fragen, ob diese Preise noch fair sind oder ob ihre Kommune damit einen Teil ihrer Haushaltslöcher stopfen möchte.
Das Land NRW hatte das Kommunalabgabengesetz nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom Mai 2022, das die alte Regelung als zu unkonkret bewertet hatte, geändert. Das OVG hatte in einem Musterverfahren gegen die Stadt Oer-Erkenschwick festgestellt, dass die Abwassergebühren dort überhöht kalkuliert worden waren. Einige Städte senkten nach dem Urteil ihre Sätze, klagten aber darüber, dass sie so nicht kostendeckend arbeiten könnten. Das neue Landesgesetz ermöglicht jetzt wieder höhere Gebühren, und das lässt sich in der Gebühren-Rangliste des Steuerzahlerbundes für das Jahr 2024 auch ablesen.
800 Euro für einen Vier-Personen-Haushalt
Erstmals muss ein Musterhaushalt (vier Personen, Verbrauch von 200 Kubikmeter Frischwasser, 130 Quadratmeter versiegelte Grundstücksfläche) in NRW für Abwasser im Schnitt jährlich mehr als 800 Euro bezahlen. Im Jahr 2023 waren es 755 Euro, so der Steuerzahlerbund, der die „historisch“ hohen Gebühren anprangert.
„Die Zahl der Kommunen, in denen die Abwassergebührenbelastung über 1100 Euro im Jahr liegt, hat sich gegenüber 2023 mehr als verdoppelt: von 12 auf 25“, erklärte Rik Steinheuer, NRW-Chef des Steuerzahlerbundes. In acht Städten müsse der Musterhaushalt sogar einen Anstieg der Abwassergebühren von über 30 Prozent verkraften: Erftstadt: 58 Prozent; Legden: 52 Prozent; Bedburg-Hau: 50 Prozent; Heinsberg: 40 Prozent; Merzenich: 39 Prozent ; Oelde: 35 Prozent; Unna: 34 Prozent; Gangelt: 31 Prozent.
Auch bei den Abfallgebühren kennen viele Städte nur eine Richtung: nach oben. Auch hier hat der Steuerzahlerbund einen Musterhaushalt erdacht, um die Entwicklung zu verdeutlichen: Vier-Personen-Haushalt, eine 120-Liter-Restmülltonne und eine 120-Liter-Biotonne. Bei einer 14-täglichen beziehungsweise vierwöchentlichen Leerung der Restmülltonne zahle der Haushalt in diesem Jahr somit im Schnitt rund drei Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Bei der wöchentlichen Leerung betrage das Plus rund sieben Prozent. Im Landesdurchschnitt zahle jener Musterhaushalt am meisten, der seine 120-l-Restmülltonne wöchentlich leeren lasse, nämlich rund 425 Euro jährlich. Wer diese Tonne alle zwei Wochen leeren lässt, zahlt im Schnitt 299 Euro im Jahr, die vierwöchentliche Leerung kostet 237 Euro, so die aktuelle Statistik.
Das ist wichtig, weil einige Städte – Köln, Düsseldorf, Essen, Mülheim/Ruhr, Bottrop, Wuppertal und Langenfeld – nur die wöchentliche Leerung anbieten. Der Steuerzahlerbund sagt dazu: „Die Leute sollten selbst entscheiden können über den Leerungsrhythmus und die Tonnengrößen.“
Die Städte sollten zudem das Mindestrestmüllvolumen nicht zu hoch ansetzen, meint Rik Steinheuer. Damit ist gemeint, dass es in vielen Kommunen strenge Vorschriften für Tonnengrößen gibt, die ein Haushalt pro Person und Woche mindestens „buchen“ muss.
Städte- und Gemeindebund wehrt sich
Der Städte- und Gemeindebund wehrt sich energisch gegen den Vorwurf, die Städte neigten dazu, ihre Bürgerinnen und Bürger bei den Abwasser- und den Müllgebühren abzuzocken. „Die Kommunen halten sich bei der Berechnung ihrer Gebührensätze konsequent an geltendes Recht. Das sieht vor, dass Kosten für Aufbau, Pflege und Betrieb einer Kanalisation oder der Abfallentsorgung umgelegt und als Gebühr berechnet werden. Es geht dabei nicht um Profite, sondern Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger“, versicherte Verbandsgeschäftsführer Christof Sommer. Die öffentliche Daseinsvorsorge sei eben nicht „für umsonst“ zu haben und müsse ständig steigende Kosten durch Inflation oder Klimaanpassung berücksichtigen.
Für eine faire Bewertung der Abfall- und Abwassergebühren biete es sich an, die Jahresgebühr durch 365 Tage zu teilen, rät der Kommunalverband. Liege die Jahres-Abfallgebühr für ein Grundstück zum Beispiel bei 365 Euro, so betrage die Abfallgebühr pro Tag einen Euro. „Im Vergleich zu anderen täglichen Ausgaben ist dies ein fairer Preis“, findet Sommer.
Die Abfallentsorgung diene der Hygiene und dem Seuchenschutz, führt Sommer weiter aus. So müssten etwa Biotonnen mit gekochten Speiseresten im Hochsommer in kürzeren Zeitabständen entleert werden als im Winter. Die Kommunen wüssten am besten, wo eine Änderung des Abfuhrrhythmus sich mit dem Bedarf der Menschen vor Ort decke.