AboAbonnieren

NRW-Bauministerin im Interview„Bei diesen permanent wechselnden Bedingungen investiert kein Mensch“

Lesezeit 4 Minuten
NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach spricht im Interview über Anliegerbeiträge und kommunale Altschulden.

Ina Scharrenbach hat in den Ferien durchgearbeitet. Einbruch des Wohnungsbaus, Kritik an ihrem Vorschlag zur Lösung des kommunalen Altschuldenproblems und am geplanten Gesetz zu Straßenausbaubeiträgen – Nordrhein-Westfalens Bau- und Kommunalministerin konnte sich über ein „Sommerloch“ nicht beklagen. Tobias Blasius besuchte die CDU-Politikerin zum Gespräch in ihrem Ministerium.

Die Zahl der Baugenehmigungen bricht ein. Der Traum vom Eigenheim oder der bezahlbaren Wohnung rückt für viele in weite Ferne. Wie kann die Politik gegensteuern?

Die wirtschaftliche Gesamtlage plus Steigerung von Zinsen und Materialkosten sind schwierige Rahmenbedingungen, aber die Bundesregierung verstärkt mit ihrer Art der Baupolitik sogar noch die Unsicherheit. Hin und Her bei der Kfw-Förderung, Gebäudeenergiegesetz, jetzt auch noch die kommunale Wärmeplanung – bei diesen permanent wechselnden Bedingungen investiert kein Mensch. Privatleute und Wohnungsbaugesellschaften warten ab, bis sich der bundespolitische Nebel lichtet.

Was tun Sie in eigener Verantwortung?

Wir erleben zurzeit einen echten Run auf die öffentliche Wohnraumförderung. Wir haben dieses Jahr die öffentliche Wohnraumförderung für mittlere Einkommen geöffnet – das erste Mal in der Geschichte Nordrhein-Westfalens. NRW hat bundesweit zudem die verlässlichste Förderkulisse mit bis zu 55 Prozent Tilgungsnachlässen für die Modernisierung bestehender Wohnungen. So kann es gelingen, bei der Eigentumsbildung und im preisgebundenen Wohnraum echte Fortschritte zu erzielen. Ich bin jedenfalls vorsichtig optimistisch, dass wir die 1,6 Milliarden Euro an Fördermitteln, die zur Verfügung stehen, in diesem Jahr auch wirklich bewilligen können.

War das abrupte Ende des Grunderwerbsteuer-Puffers in NRW da nicht genau das falsche Signal?

Mein Kollege aus dem Finanzministerium beendet das Förderprogramm nicht abrupt, sondern lässt es auslaufen – mit Planungssicherheit für alle, die ihre Immobilie vor dem 14. Juli gekauft haben. Angesichts der tendenziell sinkenden Marktpreise für Häuser und Wohnungen erscheint mir der Zeitpunkt, ein von vornherein befristetes Programm zu beenden, vertretbar. Für die Zielgruppe, die davon profitiert hat, gibt es weiterhin alternative Hilfen des Landes beim Erwerb von Wohneigentum.

Die Straßenausbaubeiträge sorgen weiterhin für Verärgerung. Das Land hat zwar ein Förderprogramm aufgelegt, um Eigentümer zu entlasten, aber Unsicherheit und bürokratischer Aufwand bleiben. Warum ändern Sie nicht einfach das Gesetz?

Wir starten in diesem Jahr ein Gesetzgebungsverfahren, das die Beitragspflichten für Eigentümerinnen und Eigentümer endgültig abschaffen wird. Außerdem soll darin geregelt werden, wie das Land den Kommunen die entgangene Anliegerbeteiligung an den Kosten der Straßenerneuerung erstattet. Unsere Fachleute erarbeiten gerade eine rechtssichere Lösung. Glauben Sie mir: Alle sind die Debatte leid. Unser 65-Millionen-Förderprogramm ist ein wichtiger Schritt gewesen, um die Belastung der betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümer schnell faktisch auf null zu setzen.

Ihr Vorschlag für eine Altschuldenlösung wird von den Kommunen als „Mogelpackung“ abgelehnt, weil das Land bloß ohnehin zugesagtes Geld für Städte und Gemeinden neu verteile. Was ist schiefgelaufen?

Bundes- und Landesregierung haben sich gemeinsam verpflichtet, die Herausforderung der kommunalen Altschulden anzugehen. Der Bund prüft noch immer, aber wir wollten ein Konzept vorlegen, mit dem wir zumindest den Einstieg in die dringend benötigte Hilfe schaffen - obwohl im Landeshaushalt 2024 kein Euro Spiel ist und absehbar kein Geld vom Himmel fallen wird. Wir garantieren einen Anteil der Kommunen an der Grunderwerbsteuer von 460 Millionen Euro jährlich, so dass wir als Land sehr wohl frisches Geld zuschießen werden, wenn das tatsächliche Steueraufkommen niedriger ist. Außerdem übernehmen wir das Zinsänderungsrisiko bei kommunalen Krediten, die aufs Land übergehen.

Wie wird der Bund sich beteiligen?

Wir warten täglich auf eine Antwort aus Berlin und sind zuversichtlich, dass sich die Ampel an ihren eigenen Koalitionsvertrag halten wird. Neue Sorgen bereiten den Kämmerern aber leider die Pläne des Bundesfinanzministers für sein Wachstumschancengesetz, das ein weiterer Griff des Bundes in die kommunalen Kassen wäre. Das würde massive Gewerbesteuerausfälle bedeuten, allein für Städte und Gemeinden in NRW könnten es 400 Millionen Euro weniger pro Jahr sein. Das wäre schon eine Hausnummer, die in der gegenwärtigen Lage kaum aufzufangen ist.