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Neue Regelungen für StadtwerkeNeukunden und Bestandskunden sollen angeglichen werden

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Im vorigen Winter rutschten viele Discounter-Kunden in teure Tarife beim Grundversorger.

Düsseldorf – Vergleichsweise teure Strom- und Gasverträge für Neukunden, gleichzeitig Schutz der Bestandskunden – von dieser Strategie müssen sich viele Stadtwerke in Nordrhein-Westfalen verabschieden. Die neuen Vorgaben des Gesetzgebers haben Folgen für die Preisfindung, erklärt die Verbraucherzentrale NRW. Auch für Bestandskunden dürften die Energiekosten deshalb steigen.

Ende 2021 hatten einige Stadtwerke nach dem Lieferstopp von Energiediscountern zusätzliche Grundversorgungstarife verkündet, bei denen Neukunden deutlich draufzahlten. Das soll sich bald ändern. „Wir bereiten einen Grundversorgungstarif vor, bei dem es keine Unterscheidung mehr gibt zwischen Neu- und Bestandskunden“, kündigt etwa der Essener Stadtwerke-Vorstand Lars Martin Klieve im Gespräch mit unserer Redaktion an.

Städte- und Gemeindebund mahnt Energiespar-Offensive an

Wegen der russischen Gaskürzungen fordert der Städte- und Gemeindebund (DStGB) eine gemeinsame Energiespar-Offensive von Staat und Bürgern. „Es ist jetzt wichtig, gemeinsam zu verzichten, um eine sichere Energieversorgung für den kommenden Winter zu haben“, sagte DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg im Gespräch mit unserer Redaktion. Eine „umfassende Informationskampagne“ sei notwendig, um aufzuzeigen, „welchen Beitrag jeder Einzelne leisten kann“.

Städte und Gemeinden rief Landsberg zu „Flexibilität“ bei der Suche nach Einsparmöglichkeiten auf. So könnten „freiwillige Leistungen der Kommunen, wie etwa die der Büchereien, nur tageweise angeboten“ und Temperaturen an kommunalen Arbeitsplätzen „im Winter reduziert werden“. Auch mit einer Modernisierung der Straßenbeleuchtung oder der energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude könne die Energieabhängigkeit reduziert werden.

Landsberg plädierte überdies für „die kurzzeitige befristete Weiternutzung der Atomkraft in Deutschland“. Mit Blick auf den nächsten und womöglich übernächsten Winter müssten „alle europäischen Potenziale der Energiewirtschaft“ aktiviert werden, sagte er. (tob)

Die Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz treten einen Tag nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft. „Es könnte theoretisch täglich kommen“, sagt Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW. „Insofern greift die neue Praxis einiger Stadtwerke lediglich der gesetzlichen Regelung voraus.“ In der Branche wird erwartet, dass die neuen Vorgaben ab November oder Dezember gelten.

Lage weiterhin angespannt

Generell werde sich für langjährige Stadtwerkekunden der Energieverbrauch verteuern, so Sieverding. „Die Neukundentarife dürften deutlich sinken – und die Bestandskundentarife steigen. Allerdings wird schwer zu unterscheiden sein, ob die Bestandskundentarife ohnehin durch die Großhandelspreise steigen oder durch die Aufnahme von Neukunden.“

Kurz vor Weihnachten hatte der Energie-Discounter Stromio seine Lieferungen an viele Verbraucher unter Verweis auf eine „Preisexplosion an den europäischen Energiehandelsplätzen“ eingestellt. Grundversorger – meist Stadtwerke – mussten danach Kundinnen und Kunden übernehmen. Die höheren Neukundentarife begründeten die Stadtwerke damit, dass sie Energie zu hohen Großhandelspreisen zukaufen mussten.

„Durch die Kündigungswelle sind im vergangenen Winter mehr als eine Million Strom- und Gaskunden aus ihren Tarifen geflogen“, berichtet Sieverding. Die Lage sei weiterhin angespannt. „Jetzt erreichen uns täglich Preiserhöhungen von Discountern, die so drastisch sind, dass dies als Ausladung und Abschiedsbrief verstanden werden muss.“ Auf dem Energiemarkt gebe es derzeit aber kaum Alternativen. Daher laute in vielen Fällen die Empfehlung, die Ersatz- beziehungsweise Grundversorgung zu nutzen. „Das ist derzeit vielfach der günstigste Tarif – genau genommen der am wenigsten teure Tarif.“

Die Verbraucherzentrale hielt die Schaffung von Neukundentarifen für nicht rechtens und ging teils juristisch dagegen vor. „Die Splittung war nicht nur eine krasse Benachteiligung der Neukunden, sondern auch ein falsches Signal für den Energiemarkt, da sie im Charakter einer Bestrafung entsprach“, sagt Sieverding. Mit der Neuregelung gebe es nun Klarheit.

Wichtig zu wissen sei, dass die Stadtwerke künftig zwischen Ersatz- und Grundversorgung unterscheiden könnten, so Sieverding. Beim Lieferausfall des bisherigen Anbieters sei eine dreimonatige Ersatzversorgung die Regel. „In diesen drei Monaten können die Stadtwerke deutlich höhere Tarife verlangen. Wir hätten es besser gefunden, wenn Betroffene direkt in die Grundversorgung aufgenommen würden, statt drei Monate in einer deutlich teureren Ersatzversorgung geparkt zu werden.“