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Millionen BetroffeneSo werden ältere Kunden von den Banken abgehängt

Lesezeit 3 Minuten

Onlinebanking ist für viele ältere Menschen mehr eine Hürde als eine Erleichterung. (Symbolbild)

Köln – „Soll ich mit 85 Jahren noch einen Computerkurs belegen, nur damit ich eine Überweisung tätigen kann?“ Jürgen Richter ist gefrustet.

Seinen richtigen Namen will er nicht nennen. Ihm ist es unangenehm, dass er in der Welt von Onlinebanking und Smartphone-Apps nicht mehr zurechtkommt. Er fühlt sich abgehängt.

Damit ist er nicht allein. Mit dem zunehmenden Druck, alle Geldgeschäfte im Internet zu erledigen, stellen immer mehr Banken und Sparkassen vor allem ältere Menschen vor große Probleme. Infolge von Kostendruck und Digitalisierung haben die Geldhäuser ihr Filialnetz und Öffnungszeiten teilweise so stark reduziert, dass den Kunden wenig anderes übrig bleibt, als sich auf Onlinebanking und Co. einzulassen. „Für mich ist das ein Problem, denn das kann ich nur, wenn ich einen PC oder Smartphone habe und diese auch bedienen kann“, so Richter.

In Deutschland ist das kein kleines Problem. Über 18 Millionen Menschen sind hierzulande über 65 Jahre alt. Der Studie Digital-Index 2021/2022 der Initiative D21 zufolge benutzen zwar unter den 60- bis 69-Jährigen knapp 90 Prozent das Internet, fast 64 Prozent sind es bei den über 70-Jährigen. „Das bedeutet trotzdem, dass immer noch viele Millionen ältere Menschen offline sind“, sagt Nicola Röhricht von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO).

Knapp vier Millionen Menschen haben das Internet noch nie genutzt

Laut dem Statistischen Bundesamt haben, Stand 2021, zudem rund sechs Prozent der Menschen in Deutschland im Alter zwischen 16 und 74 Jahren noch nie das Internet genutzt. Das entspricht rund 3,8 Millionen Einwohnern. Dennoch, so ist es immer zu hören, sollen sie alle nicht von der fortschreitenden Digitalisierung abgehängt werden.

Das aber verlangt den älteren Menschen immer mehr ab. Vera Müller ist 66 Jahre. Auch sie heißt eigentlich anders, möchte aber lieber anonym bleiben. Sie ist zwar digital aktiv, kauft etwa im Internet ein, googelt nach Erklärvideos zum Thema Stricken, benutzt Nachrichtendienste. Ihre Bankgeschäfte erledigt sie mittlerweile auch online.

Dennoch ist es für die Pensionärin nicht immer leicht, der Logik ihres Smartphones zu folgen und die Tücken der Technik zu bewältigen. Erscheint eine ungewohnte Benutzeroberfläche oder hängt sich das Programm auf, weiß sie schnell nicht weiter. „Vonseiten der Bank gibt es kaum Hilfestellungen. Doch bei den vielen unbekannten Begrifflichkeiten, zig Passwörtern und Pin-Codes, die man eingeben muss, verliert man schnell den Überblick“, sagt sie.

Vielen Älteren droht digitale Isolation

Die Banken hingegen versprechen, die Bedürfnisse älterer Menschen im Blick zu haben. Neben der Beratung in den Filialen umfassten konkrete Maßnahmen etwa die optimierte Darstellung von Inhalten auf dem Bildschirm, Telefonbanking oder große Tastenfelder an Bankautomaten, sagt ein Sprecher des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) auf Anfrage. „Was die Banken machen, ist nicht alles falsch“, sagt Röhricht von der Seniorenorganisation BAGSO, doch das helfe nur in einigen Bereichen.

Die Bundesvereinigung der Senioren-Assistenten (BdSAD) warnt bereits vor einer digitalen Isolation älterer Menschen. „Senioren können ihre Überweisung nicht mehr zum Brieffach bringen. Sie werden zum Onlinebanking gezwungen. Wer sich damit nicht auskennt, weder Netz noch Laptop besitzt, schaut in die Röhre“, formuliert es BdSAD-Vorsitzende Carolin Favretto. Sie spricht von einer „fatalen Entwicklung“. Viele hätten nicht die finanziellen Möglichkeiten, sich mit digitalen Geräten oder einen Internetanschluss auszustatten.