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Therapie verweigertWann Krankenkassen nicht zahlen müssen

Lesezeit 6 Minuten

In der Vergangenheit gab es immer wieder Fälle, in der die Krankenkasse Leistungen verweigert hat.

Viele US-Amerikaner beneiden uns um unser Gesundheitssystem. Wer in Deutschland schwer erkrankt, kann darauf hoffen, dass die Krankenkasse seine Therapie bezahlt. Doch es gibt auch Fälle, in denen die Behandlung verweigert wird.

Darf eine Krankenkasse zum Beispiel einem kranken Raucher, der weiter raucht, Leistungen verwehren? Einem unter Raucherlunge leidenden Mann wurde aus diesem Grund ein tragbares und daher teureres Sauerstoffgerät mit Flüssigsauerstoff auf Dauer verweigert. Da er nicht mit dem Rauchen aufhöre, senke der Patient unnötig seinen Sauerstoffgehalt im Blut, rechtfertigte sich seine Kasse. Das nicht transportable Gerät, das ihn an seine Wohnung fesselt, müsse ihm genügen. Aber ist das auch zulässig?

Selbst verschuldete Lage

Der Raucher legte Widerspruch ein, den die Krankenversicherung ablehnte. Es folgte ein Eilantrag. Den wies das Sozialgericht Heilbronn jedoch aus folgenden Gründen zurück: Durch das stationäre Gerät habe der Mann einen ausreichend Sauerstoff im Blut. Er könne daher warten, bis die Entscheidung, ob ihm seine Krankenkasse das mobile Gerät rechtmäßig verweigern darf, verkündet sei. Zudem berge der Flüssigsauerstoff des neuen Geräts zusammen mit dem Umstand, dass der Mann weiter in dessen Nähe rauche, auch eine hohe Explosionsgefahr (Az.: S 9 KR 4030/13 ER).

Diese Entscheidung ist ein Einzelfall. Dennoch gibt es Regeln für Fälle, die für eine Verweigerung ausschlaggebend sein können. Eine Bestimmung, nach der die gesetzliche Krankenversicherung bei ungesunder oder riskanter Lebensweise die Leistung generell verweigern darf, gibt es jedoch nicht – auch wenn das immer wieder Kern heftiger Diskussionen ist.

Krankenkassen müssen wirtschaftlich arbeiten

Die Entscheidung zeigt die allgemeine Erfahrung mit Leistungskürzungen der gesetzlichen Krankenkassen: Es sind mit weitem Abstand die Kosten, die den Ausschlag für eine Behandlung geben. Gesetzliche Krankenkassen unterliegen einem Wirtschaftlichkeitsgebot. Das besagt, dass Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen. Das Maß des Notwendigen dürfen sie nicht überschreiten.

Unwirtschaftliche und unnötige Leistungen können Versicherte nicht beanspruchen. Solche Behandlungen dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken bzw. die Krankenkassen nicht bewilligen. Ansonsten können Vorstandsmitglieder der Krankenversicherung haften.

Nicht selten verschanzen sich Krankenkassen aber hinter dieser Regelung. Hunderttausende Patienten bekommen das jedes Jahr zu spüren, wenn ihre Kasse bestimmte Medikamente, Hilfsmittel oder Rehas ablehnt. Die Gründe sind dabei so vielfältig wie Krankheitsbilder und Behandlungsmethoden. In der Regel hilft dann nur Widerspruch einzulegen, und diesen zusammen mit dem behandelnden Arzt gut zu begründen.

Verwirft der Krankenversicherer diesen ebenfalls, müssen Betroffene notgedrungen vor das Sozialgericht ziehen. Die Verfahren dort sind kostenfrei. Aufgrund der schwierigen Materie sollte man sich einen Anwalt nehmen - nicht zuletzt kann es hilfreich sein, die Aufsichtsbehörden zu informieren.

Wenn eine Krankenkasse den Antrag auf eine Leistung ablehnt, die sich ein Versicherter erhofft hat, kann er dagegen Widerspruch einlegen. Das gilt nach Angaben von Andrea Fabris von der Beratungsstelle Potsdam der Unabhängiggen Patientenberatung Deutschland (UPD) auch, wenn im Bescheid der Kasse nicht steht, dass ein Widerspruch möglich ist. „Wichtig wäre, im Vorhinein zu schauen: Habe ich überhaupt diesen Anspruch?“, sagte sie. Im Zweifel könne der Betroffene sich darüber bei Beratungsstellen, zum Beispiel bei der UPD, informieren.

Wenn der behandelnde Arzt zum Beispiel eine Reha als medizinisch notwendig einschätzt, sollte der Betroffene mit dem Satz „Hiermit lege ich gegen Ihren Bescheid vom Soundsovielten Widerspruch ein“ formal reagieren, rät Fabris. Das sollte schriftlich per Einwurfeinschreiben oder gegen Quittung durch persönliches Überbringen in der Geschäftsstelle des Leistungsträgers erfolgen.

„Es ist in den Bescheiden in der Regel angegeben, bis zu welchem Zeitpunkt man Widerspruch einlegen kann“, erläuterte die Patientenberaterin. Üblicherweise habe der Versicherte vier Wochen Zeit. Fehlt diese sogenannte Rechtsmittelbelehrung, habe er theoretisch ein Jahr Zeit. „Aber man sollte es ganz klar so schnell wie möglich machen“, betonte Fabris.

Wichtig in jedem Fall: Der Versicherte sollte mit seinem Schreiben zugleich die Stellungnahme oder die Einschätzung des Medizinischen Dienstes (MDK) der Kasse oder des Rentenversicherungsträgers in Kopie verlangen. Diese Beurteilung habe in der Regel zur Ablehnung geführt. Es sei wichtig, zu klären: „Was hat den Medizinischen Dienst bewogen, hier zu sagen, eine Reha ist nicht notwendig?“

Behandlung im Ausland

Eine Behandlung im Ausland ist dank entsprechender EU-Gesetzgebung inzwischen relativ problemlos möglich, zumindest in anderen EU-Ländern sowie den EWR-Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen sowie der Schweiz. Grundlage ist die sogenannte Patientenmobilitätsrichtlinie, die seit Oktober 2013 auch im deutschen Sozialrecht verankert ist. Ausgeschlossen sind nur dort erbrachte Leistungen aus dem Bereich der Pflegeversicherung, Organtransplantationen und öffentlicher Impfprogramme gegen Infektionskrankheiten.

Die Kosten für eine Auslandsbehandlung werden bis zur Höhe einer entsprechenden Inlandsbehandlung erstattet. Im Übrigen darf die Krankenkasse gesetzliche Zuzahlungen bzw. Eigenanteile sowie eine Pauschale für den erhöhten Verwaltungsaufwand von rund 7,5 bis 10 Prozent von der Kostenerstattung abziehen. Nationale Kontaktstellen helfen bei Fragen zu einer Behandlung im Ausland.

Soll die Krankenversicherung Kosten für eine Therapie in Staaten außerhalb der EU und des EWR übernehmen, dann muss sie auch nur dort möglich sein. Die Therapie muss zudem dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Sonst darf die Krankenkasse die Leistung verweigern. Näheres regelt das Sozialgesetzbuch V.

Lebensbedrohliche oder tödliche Erkrankung

Wer unter einer lebensbedrohlichen, in der Regel tödlichen Erkrankung oder vergleichbaren Erkrankung leidet, hat einen Anspruch auf Therapien, die Patienten mit weniger schweren Erkrankungen verweigert werden dürfen. Voraussetzung ist, dass eine der Therapie nicht ganz entfernt liegende Chance auf Heilung besteht oder sich zumindest eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ergibt.

Lange Wartezeiten

Die Behandlung gesetzlich Krankenversicherter setzt grundsätzlich eine Kassenzulassung des behandelnden Arztes oder Therapeuten voraus. Sonst kann der Krankenversicherer die Kostenerstattung verweigern. So heißt es im Bereich der Psychotherapie oft: sehr lange warten. Bei Wartezeiten von über sechs Wochen und fünf erfolglosen Anfragen können sich Patienten bei einem privaten Therapeuten behandeln lassen - auf Kosten der gesetzlichen Krankenkasse. Dass es nur auf diese Weise geht, muss man allerdings der Krankenkasse nachweisen, mit der man ohnehin vorher Rücksprache halten sollte.

Wechsel der Krankenkasse

Nicht zuletzt kann ein Krankenkassenwechsel sinnvoll sein. Denn immer mehr gesetzliche Kassen versuchen, sich durch ausgeweitete Leistungskataloge attraktiver zu machen. Wechseln kann man unabhängig von Vorerkrankungen oder Risiken, und nach dem Wechsel besteht ein sofortiger Leistungsanspruch. Voraussetzung ist aber eine Mitgliedschaft von mindestens 18 Monaten bei der bisherigen Krankenkasse. Außerdem muss man eine Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Monatsende einhalten und den Wechsel zum neuen Versicherer der alten Kasse vor eingetretener Kündigung nachweisen.

Der Gastautor Christian Günther ist Assessor und Redakteur bei anwalt.de.