Kölner Messe-Chef im Interview„2022 wird das Wendejahr in der Corona-Pandmie“
- Schwer leidet die Kölner Messe in der Corona-Pandemie.
- Über die derzeit schwierige Lage und Zukunftsprojekte sprachen Ralf Arenz und Tobias Wollf mit Kölns Messechef Gerald Böse.
Köln – Herr Böse, an diesem Samstag werden Sie 60. Wie feiern Sie in Corona-Zeiten?
Ich feiere im kleinen Kreis. Eine ursprünglich geplante größere Veranstaltung habe ich bereits zu Jahresbeginn abgesagt. Das geht ja gerade vielen so.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Privat wünsche ich, dass alle gesund bleiben und dass es friedlich in der Welt zugeht. Beruflich glaube ich fest daran, dass das Jahr 2022 als das Wendejahr in der Corona-Pandemie in die Geschichte eingeht.
Die Pandemie hat jetzt im zweiten Jahr deutliche Spuren in der Messebilanz hinterlassen. Wie fällt Ihre Bilanz für 2021 aus?
Wir legen keine schönen Zahlen vor: Mit einem Umsatz von rund 130 Millionen bleiben wir deutlich hinter dem ursprünglichen Wirtschaftsplan zurück. Unter den gegebenen Umständen ist das aber durchaus beachtlich. Und der Verlust erreicht auch nicht den befürchteten dreistelligen Wert.
Wie hoch ist der Verlust denn?
Der Abschluss liegt noch nicht vor. Es wird ein hoher zweistelliger Verlust, keine 50 Millionen, aber auch keine 99.
Zur Person
Am 22. Januar 1962 in München geboren, fing Gerald Böse 1989 nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre als Trainee bei der Messe München an. Nach Stationen bei der Igedo Company in Düsseldorf und der Messe Karlsruhe wechselte er 2008 als Vorsitzender der Geschäftsführung nach Köln.
Einen Umsatz von 191,7 Millionen Euro bei einem Fehlbetrag von 11,4 Millionen erzielte das Unternehmen damals. Die Messe litt unter hohen Mietzahlungen für die neuen Nordhallen. Schwarze Zahlen plante sie für 2012, was angesichts der Finanzkrise als zunehmend ambitioniert erschien. Böse initiierte 2010 ein Effizienzprogramm und eine Reorganisation. 2019 erreichte der Umsatz 413 Millionen bei einem Gewinn nach Steuern von 30,5 Millionen. Bis 2034 wird das Kölner Messegelände mit einem Investitionsvolumen im hohen dreistelligen Millionenbereich umfassend modernisiert und unter anderem um das Kongresszentrum Confex für 4000 Menschen erweitert.
Böse lebt in Köln, er hat hier seine Frau Julia geheiratet, hier wurde sein zweiter Sohn Nikolas geboren. (raz)
Was sind die Gründe für die etwas bessere Entwicklung?
Wir haben die Verluste reduziert beispielsweise durch Sparmaßnahmen und Einstellungsstopp, so dass wir jetzt mit 960 Mitarbeitenden 40 weniger haben als vor der Pandemie. Wichtig war uns aber immer, unser hervorragendes Team zu halten, das wir für die Zeit nach Corona dringend brauchen. Wir haben Kurzarbeit genutzt und die Investitionen in das Messegelände um vier Jahre gestreckt. Hallensanierungen sowie die Freiraum- und Fassadengestaltung haben wir verschoben. Das bringt uns 30 Millionen an Liquidität in diesem Jahr. An Investitionen in das neue Event- und Kongresszentrum Confex und den Ost-West-Boulevard halten wir aber fest. Das Confex schließt 2024 eine Lücke im Angebot in Köln, es wird jetzt schon stark nachgefragt und auch schon gebucht.
Spielt die Organisation des Impfzentrums durch Koelncongress auch eine Rolle?
Ja, unsere Tochter Koelncongress hat einen Umsatz von 30 Millionen Euro erzielt. Das Impfzentrum, das regional sicher entscheidend zur Pandemiebekämpfung beigetragen hat, war auch für die Messe profitabel. Außerdem haben wir durch die Expo in Dubai, wo wir den Deutschen Pavillon organisieren, Erlöse in 2021 erzielt. Und wir sind im Herbst mit Messen wie der Anuga und den Kunstmessen wieder gestartet.
Lassen Sie uns nach vorne schauen. Die Süßwarenmesse ISM steht an.
Wir sind sehr zufrieden, dass über 1000 Unternehmen ihre Produkte zeigen werden, zusätzlich über 200 bei der Zuliefermesse ProSweets Cologne. Auf der ISM gibt es viele kleinere und mittelständische Unternehmen, oft im Rahmen ausländischer Gruppenbeteiligungen, die die Messe exakt zu diesem Zeitpunkt der Süßwarensaison dringend brauchen. Hier übernehmen wir Verantwortung und sehen uns in der Pflicht, die Messe unter strikter Anwendung unserer Sicherheits- und Hygienekonzepte durchzuführen.
Sie haben Messen verschoben. Wird der Kalender nicht zu eng?
Weltweit ist der Messekalender aus dem Takt geraten. Klar ist, dass jeder Messeplatz versucht, seine Messen optimal zu platzieren. Da kann es auch einmal zwei Messen zum gleichen Thema in zwei Wochen auf zwei Kontinenten geben. Die werden die Aussteller nicht beide bespielen. Es wird also eine Konsolidierung bei den Messethemen und den Veranstaltern geben.
Sortiert sich die Messelandschaft nach der Pandemie grundlegend neu?
Digitalisierung, Nachhaltigkeit und auch Kontinentalisierung sind große Herausforderungen für die Branche. Wenn das Reisen weiter schwierig bleibt, wird es kontinentale Leitmessen geben. Darauf bereiten wir uns auch mit Kooperationen vor, etwa mit der Messe Parma, mit der wir ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet haben, um eine Messe für Ernährungstechnologie zu veranstalten. Mit der Messe in Rimini/Verona, die die weltgrößte Messe für Speiseeis organisiert, kooperieren wir jetzt, um das Thema im Rahmen unserer Auslandsmessen gemeinsam zu besetzen.
Welche Rolle will die Kölner Messe in Zukunft spielen?
Wir wollen in Deutschland regelmäßig unter die Top drei der Messen und weltweit unter die größten zehn. Das Confex etwa gibt uns neue Möglichkeiten. Hier kann ein Kongress mit 4000 Teilnehmern stattfinden, in einem Teil der angrenzenden Halle 1 dann die dazu passende Ausstellung, in dem anderen das Galadiner. Messen, die das ganze Gelände belegen, wird es weiter geben. Daneben aber auch Messen, die vielleicht nur zwei Drittel oder weniger belegen. Diese kleineren Messen können wir auf unserem flexiblen, teilbaren Gelände gleichzeitig veranstalten. Das ist ein großer Vorteil für uns.
Wird die Messe bei dem geplanten Umsatz von 250 Millionen Euro im laufenden Jahr schwarze Zahlen schreiben?
2022 ist für uns das Wendejahr. Schwarze Zahlen werden wir 2023 oder 2024 schreiben: Ich glaube, bereits 2023.