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Kölner Handwerk übt scharfe Kritik an der Regierung„Bürokratisieren die Wirtschaft kaputt“

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Handwerkskammerpräsident Hans Peter Wollseifer bei einer Rede.

Handwerkskammerpräsident Hans Peter Wollseifer kritisierte bei der Mitgliederversammlung der Kreishandwerkerschaft hohe Steuern und überbordende Bürokratie in Deutschland.

Auf der Mitgliederversammlung der Kreishandwerkerschaft Köln wurde massive Kritik an der Ampelkoalition in Berlin und einer zunehmenden Regulierung aus Brüssel laut.

Der Kölner Handwerkskammerpräsident Hans Peter Wollseifer sprach von einer „überbordenden Bürokratie“, für die die Handwerksbetriebe inzwischen mehr als ein Drittel ihrer Arbeitszeit aufwenden müssten: „Wir bürokratisieren unsere Betriebe und unseren Wirtschaftsstandort Deutschland kaputt.“ Bei der Höhe von Steuern und Abgaben sei Deutschland „Vizeweltmeister unter den Industrienationen“ – nur in Belgien kassiere der Staat noch mehr.

Von großen Versprechungen fast nichts geblieben

Die Ampelregierung nannte Wollseifer „einen stotternden Motor“, der ab und zu aussetze. „Bazooka. Doppelwumms, Zeitenwende. Was ist davon übrig geblieben, von diesen guten Vorsätzen, von diesen großen Versprechungen? Fast nichts“, sagte er. Die Standortbedingungen in Deutschland hätten sich „derart verschlechtert, dass große Industriebetriebe abwandern und Handwerksbetriebe schließen, weil man hier bei uns vielfach keine Zukunft sieht“. Nicht nur die Bauern würden auf die Barrikaden gehen. Es herrsche allgemein große Verunsicherung und „Vertrauensverlust in das politische Handeln, oder besser gesagt in das politische Nichthandeln“, betonte Wollseifer.

In der Politik und vielfach auch in der Verwaltung herrsche „eine Misstrauenskultur gegenüber Selbstständigen und Unternehmern in unserem Land“, so der Handwerkskammerpräsident. Er habe den Eindruck, in der EU-Kommission in Brüssel und in den deutschen Ministerien gebe es mittlerweile immer mehr „Beamte und Politiker, die sich auf die Fahne geschrieben haben, diejenigen, die unser Land am Laufen halten, die Steuern zahlen, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Verantwortung übernehmen, zu kontrollieren, zu überwachen, zu gängeln und mit Bußgeldern und Strafen zu bedrohen“.

Auch in Richtung der Stadt Köln übte Wollseifer Kritik, er bemängelte etwa „die mittlerweile für uns Handwerker unsägliche Verkehrs- und Parksituation“ und den „teils erbärmlichen Zustand unserer Berufskollegs“. Von der Stadt forderte er eine neue Mittelstands- und Handwerksvereinbarung mit Konzepten zu Verkehr, Flächen, Fachkräfteinitiative, Azubi-Wohnen und Berufsschulentwicklung.

Neben Wollseifer hatten Kölns Kreishandwerksmeister Nicolai Lucks und Hauptgeschäftsführer Thomas Günther als Gastredner auch den Stadtentwicklungsdezernenten Andree Haack eingeladen. Der sagte, neue Vorschriften brächten Licht und Schatten. Schatten, weil sie zu mehr Bürokratie führen und „nerven“. Licht, weil neue Normen auch neue Aufträge und somit Umsatz bedeuten. „Aber ich bin trotzdem der Meinung, dass wir als Staat überreguliert sind. Wir müssen nicht alles über Gesetze und Normen regulieren“, so Haack.

Handwerkshöfe wie in München als Vorbild

Er erlebe, „dass jeden Tag die Verwaltung sich viel zu viel mit sich selbst beschäftigen muss, weil es eben so viele Normen gibt“. Die müsse die Stadt ernst nehmen. Trotzdem sei in der Verwaltung „der Grat zwischen ‚Geht nicht‘ und ‚Will nicht‘ manchmal sehr schmal“, räumte der Beigeordnete ein.

Zum Wunsch des Handwerks nach mehr Flächen sagte Haack: „München hat eine stadteigene Gesellschaft gegründet, die eigene Handwerkshöfe betreibt und somit sichert. Ziel ist die wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung mit handwerklichen Dienstleistungen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir auch in Köln ein solches System aufbauen.“ Er werde sich gemeinsam mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Köln Business mit diesem Thema näher beschäftigen.