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Interview zur „Job Fort“-Kampagne der Bundeswehr„Bei uns herrscht Fassungslosigkeit“

Lesezeit 4 Minuten
kampagne Bundeswehr Fort

  1. Eine Anzeige der Bundeswehr in Köln sorgt unter der Belegschaft von Ford für große Empörung
  2. Über die Bestürzung und die Stimmung vor Ort hat Ralf Arenz mit Betriebsratschef Hennig und Ford-Arbeitsdirektor Ludwig gesprochen.

Die Bundeswehr wirbt in Köln um Ford-Mitarbeiter – und verärgert damit Belegschaft und Ford-Führung. Ralf Arenz sprach mit dem Betriebsratschef Martin Hennig und Ford-Arbeitsdirektor Rainer Ludwig.

Wie finden Sie die laufende Werbe-Kampagne der Bundeswehr um Ford-Mitarbeiter?

Hennig: Ich halte die Kampagne für geschmacklos und überzogen. So kann man keine Mitarbeiter abwerben.

Ludwig: Ich bin überrascht und schockiert darüber, dass ein Bundesministerium eine solche Kampagne startet. Ich vermisse jeglichen Respekt gegenüber unseren Mitarbeitern und unserem Unternehmen. Werbung darf übertreiben, aber hier wurde eine Grenze überschritten.

Dabei war Ford in Kontakt mit der Bundeswehr und auch mit der Bahn. Beide suchen Personal und könnten Ford-Mitarbeiter übernehmen.

Ludwig: Es hat Gespräche mit der Arbeitsagentur, der Bahn und dem Bundespersonalamt der Bundeswehr Natürlich sind wir bereit, konstruktiv und abgestimmt über zum Beispiel Jobmessen nachzudenken. Die Vorgehensweise der Werbekampagne ist allerdings auch vor diesem Hintergrund völlig kontraproduktiv.

Hennig: Umso erstaunlicher ist diese mit uns nicht abgesprochene Kampagne der Bundeswehr.

Hatten Sie Kontakte zu den Kollegen bei VW, wo eine ähnliche Kampagne läuft? Hennig: Ich habe durch Zufall von der Kampagne bei VW erfahren, die zeitgleich läuft. Hier erstaunt mich schon die Wortwahl. „Etwas für das Volk wagen“, das klingt für mich schon nach rechter politischer Ecke.

Zur Person

Rainer Ludwig ist Mitglied der Geschäftsführung der Ford-Werke. Seit 2004 ist der 54-Jährige Arbeitsdirektor und damit zuständig für das Personal- und Sozialwesen. Der Diplom-Ingenieur ist seit 1989 in verschiedenen Positionen der Ford-Organisation tätig.

Martin Hennig ist 59 Jahre alt und seit 1975 bei Ford. Seit 1984 ist er Mitglied des Betriebsrates. 2013 wurde er Betriebsratsvorsitzender des Kölner Standortes und auch Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats und des Euro-Betriebsrates.

Ludwig: Wir vom Management hatten keinen Kontakt zu VW. Wir haben aber Kontakt zu unseren Hersteller-Verband VDA aufgenommen, der den Staatssekretär im Verteidigungsministerium angeschrieben hat, um unsere Haltung zur Kampagne der Bundeswehr darzulegen. Uns ärgert, dass wir als wir erste Hinweise auf eine solche Werbekampagne hatten, keinen Kontakt zur Bundeswehr aufnehmen konnten. Weder der Staatssekretär noch die Ministerin waren für uns zu erreichen.

Was stört Sie besonders?

Hennig: In der Werbung um die Ford-Mitarbeiter wird deren bisherige Tätigkeit in den Dreck gezogen. „Mach, was wirklich zählt“ heißt doch, dass die bislang nur Mist gemacht haben. Dabei haben sie lange Jahre zum Wirtschaftswachstum beigetragen. Die Kampagne ist ein Schlag ins Gesicht der Belegschaft.

Wie reagiert die Belegschaft?

Ludwig: Bei uns herrscht große Fassungslosigkeit.

Hennig: Ich kann das nur unterstreichen. Hier fahren Wagen mit großen Plakatwänden an den Werkstoren entlang. Dabei könnten die Mitarbeiter gezielt viel besser auf Jobangebote angesprochen werden.

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Die Ankündigung der Streichung von über 5000 Stellen in Deutschland ist jetzt eine gute Woche her. Wie ist die Stimmung bei Ford?

Hennig: Die Stimmung ist natürlich gedrückt und es gibt eine große Verunsicherung. Das liegt auch daran, dass den Mitarbeitern die Perspektive fehlt. Die ganze Branche streicht ja Stellen. Da wollen die Mitarbeiter Klarheit, wie es bei Ford weiter geht. Sonst befürchten sie, dass es ein Sterben auf Raten gibt. Die Angebote der Geschäftsleitung stoßen auf Interesse. Viele lassen sich bei uns darüber beraten. Es geht aber um individuelle Entscheidungen, die jeder Mitarbeiter für sich treffen muss.

Was sagt die Bundeswehr?

Das Verteidigungsministerium rechtfertigt die Kampagne der Bundeswehr.„Wir wollen uns den Menschen, die von einem Stellenabbau betroffen sind, als berufliche Alternative vorstellen. Gerade für Fachpersonal aus den Bereichen Technik und Handwerk könnte das eine bisher unbekannte Perspektive sein. Bundesweit bieten wir mehrere tausend gute, sichere Jobs an – auch in Köln als einer der größten Arbeitgeber“, so eine Sprecherin des Ministeriums. Die Botschaften „Job Fort?“ in Köln und „Einen Job fürs Volk wagen.“ in Wolfsburg würden auch von Mittwoch bis Freitag als Anzeigen in den sozialen Netzwerken Facebook und Instagram ausgespielt. (raz)