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Kommt jetzt das Kneipensterben?Hohe Kosten bedrohen Kölns Gastroszene massiv

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Costa Fotiadis, Inhaber des ‚Filos‘:

Costa Fotiadis, Inhaber des 'Filos': „Es ist kaum noch zu stemmen.“

An Fachkräften mangelt es, die Energiekosten sind hoch, die Inflation frisst den Gewinn - und nun droht eine Mehrwertsteuererhöhung: Kölns Gastronomen schauen pessimistisch in die Zukunft.

Für den Gastronom ist das Glas allein aus wirtschaftlichen Gründen halb leer, anstatt halb voll. Die Branche neigt also nicht von Hause aus zu Pessimismus. Doch die Grundstimmung ändert sich gerade. Gewaltig. Corona mag vorbei sein, doch die in der Pandemiezeit wurzelnde Personalnot lebt weiter. Die Inflation trifft die Branche doppelt: An der Kasse beim Einkauf und beim Sparzwang der Gäste. Die gestiegenen Energiekosten sind in einer Branche, in der das Frittierfett nicht kalt werden darf, kaum einzudämmen.

Der verregnete Sommer hat der Außengastronomie kräftig in die Suppe gespuckt. Und jetzt auch noch die Mehrwertsteuer. In der Pandemie wurde für die Gastronomie der Satz von sieben statt 19 Prozent angesetzt. Im Januar soll diese „Hilfe“ wieder rückgängig gemacht werden. Eine unverbesserliche Frohnatur, wer da noch Optimist bleibt. Die Kölner Gastroszene steht vor einem Umbruch. Oder gar vor einem Erdrutsch?

„Das ganze Geschäft auf wackeligen Beinen“

Seite 41 Jahren betreibt Costa Fotiadis das „Filos“ an der Merowinger Straße. „Es ist nicht mehr zu stemmen“, sagt er mit Blick auf die Preisexplosionen. Das gesamte Geschäft stehe auf wackeligen Beinen, da man die Preissteigerungen nicht komplett weitergeben könne. Das Kölsch kostet in dem Südstadtlokal nun 2 Euro statt 1,80 wie früher. „Eigentlich müsste es 2,50 Euro kosten, aber das kann ich meinen Gästen doch nicht zumuten. Die haben doch selbst unter der Inflation zu leiden.“

Vor allem die Energiekosten machen dem Gastronom zu schaffen, aber auch die Preise für Lebensmittel. „In der Corona -Krise haben wir viele Hilfen bekommen, das war großes Kino. Aber nun fühlen wir uns etwas allein gelassen.“ Vor allem fürchtet er die Rückkehr zum vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent, die zum Jahreswechsel kommen soll. „Wenn das kommt, wird es existenzbedrohend“, sagt Fotiadis. Zumal der Sommer verregnet war und trotz des treuen Stammpublikums die Einnahmen überschaubar blieben. Dazu komme, dass er kaum noch Personal findet. „Ich bin 65 Jahre alt, aber so viel wie jetzt habe ich noch nie gearbeitet.“

„Die Energiekreise haben sich verdoppelt“

Personalprobleme, davon kann Anna Heller ein Liedchen singen. „Es ist nicht mehr so schlimm wie direkt nach Corona, ich habe nun schon mehr Personal. Ich könnte aber noch mehr gebrauchen — und vor allem besser qualifiziertes“, sagt die Inhaberin der Brauerei Hellers, des Brauhauses Hellers und des Hellers im Volksgarten. „Die Energiepreise haben sich für mich verdoppelt.“ Der Regen, die Inflation... Nichts geht an ihr und ihren Betrieben spurlos vorbei. Genickbruch für viele Betriebe Und wenn jetzt noch die Mehrwertsteuer kommt, werde das für nicht wenige Betriebe zum Genickbruch, ist sich Heller sicher. „Der Staat macht eine Milchmädchenrechnung auf, wenn er glaubt, so hole er sich die 3,3 Milliarden Euro zurück, die die Senkung gekostet haben soll“, warnt sie.

Der Staat macht eine Milchmädchen- rechnung auf.
Anna Heller, Brauerei Hellers

Unter dem Strich werde er eher mehr Geld verlieren als gewinnen, wenn 50 Prozent der Betriebe deshalb dicht machen müssten. Daniel Rabe könnte dafür ein Beispiel sein. Der bekannte Kölner Gastronom hat in diesem Jahr die Bagatelle-Bar in der Südstadt geschlossen und nun auch die Schlüssel für die Bagatelle in Sülz weitergereicht. „Der Strom hat in der Bagatelle Südstadt vor 2 Jahren 2000 Euro im Monat gekostet, jetzt sind es 5000 Euro“, rechnet er vor. Zwar bekäme er 1000 Euro durch die Strompreisbremse zurück. Doch bleibe es dabei: Der Tarif habe sich verdoppelt. Viele Betriebe seien bereits überschuldet.

„Gastronomie rechnet sich nur noch selten, davon sind wir überzeugt“, schreibt Rabe, der lange bei der IG Gastro Vorsitzender war und mit seiner Frau die Lokale führt. Leider mache es unter diesen Umständen keinen Spaß mehr. Zudem seien die Löhne stark gestiegen, das sei im Prinzip auch richtig, „wir können es uns aber nicht mehr leisten.“ Rabe sagt finster: „Wir ziehen uns langsam zurück, die Zukunft der schönsten Branche der Welt ist nicht mehr gesichert.“

Die Kneipe als sozialer Kitt

Schwarz sieht auch Christoph Becker, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Nordrhein (Dehoga) — zumindest, wenn die 19 Prozent kommen. Aber ist es nicht recht und billig, die einstige „Corona-Hilfe“ nun wieder zurückzudrehen? Bei dieser Frage wird der Chef des Interessenverbandes energisch.„Das war keine Hilfe, das war ein grundsätzliches Problem“, stellt er klar. „Der Gastronom kauft das Schnitzel mit einem Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent ein, brät es und verkauft es mit einem Satz von 19 Prozent.“

Das hätte schon immer ein durchlaufender Posten sein müssen. Eine Prognose, wie vielen Betrieben die 19 Prozent das Genick brechen werden, will Becker nicht wagen. Schon bei dem jetzigen „Rattenschwanz an Problemen“ hätten rund zehn Prozent in Köln aufgegeben. Ob es immer an den genannten Faktoren lag, weiß Becker natürlich nicht. Aber dass sie in vielen Fällen eine Rolle gespielt haben, da ist er sich sicher.

Und er warnt angesichts der dunklen Wolken, die er aufziehen sieht: „In der Pandemie haben die Menschen darunter gelitten, sich nicht treffen zu dürfen. Nun treffen sie sich wieder. Wo? In der Gastronomie.“ Das müsse Berlin auch mit einkalkulieren.