Interview zu „Taxmenow“Warum dieser Millionär mehr Steuern für Reiche fordert
- Peter Reese ist Mitglied der Organisation „Taxmenow“.
- Zusammen mit anderen Millionären fordert er höhere Steuern für Reiche.
- Im Interview mit Corinna Clara Röttker erklärt er warum seine eigene Steuererklärung so niedrig ausfällt.
Herr Reese, es gibt Gutverdiener, die schimpfen über hohe Steuern. Sie dagegen haben sich der Organisation „Taxmenow“ angeschlossen und fordern die Politik auf, Millionäre wie Sie hierzulande höher zu besteuern. Warum?
Weil sich die Millionäre und Milliardäre in Deutschland auf legalem und illegalem Weg aus der Finanzierung des Gemeinwesens zunehmend verabschieden. Gerade das oberste Prozent der Besitzpyramide zahlt faktisch sowohl anteilig als auch in absoluten Zahlen gemessen deutlich geringere Steuern, als die Leistungsträger des Landes und sogar als Normalverdiener. Großzügig gerechnet zahlen Milliardäre effektiv acht Prozent Steuern auf ihr Einkommen aus Kapital und keine Steuern auf den permanent steigenden Wert ihres Vermögens. Erklären Sie das mal einem Normalverdiener, dessen Lohn je nach Steuerklasse schnell mal mit effektiv 25 Prozent besteuert wird.
Zur Person
Peter Reese (51) war Gründungsmitarbeiter bei Verivox. Als das Vergleichsportal 2015 an ProSiebenSat.1 Media verkauft wurde, profitierte er finanziell. Heute betreibt Reese eine Marketingagentur in Heidelberg. Er ist Mitglied der Organisation „Taxmenow“, der rund 50 hochvermögende Unterzeichner aus Deutschland und Österreich angehören. Sie fordern die Politik dazu auf, Reiche höher zu besteuern.
Was denken Sie, wenn Sie Ihre Steuererklärung anschauen?
Ich denke: Oh, das ist aber wenig. Mein effektiver Steuersatz ist definitiv zu niedrig und nicht fair. Das war nicht immer so: Während der Helmut-Kohl-Regierung gab es einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent für sehr hohe Einkommen. Das war völlig okay, doch nach und nach wurden viele Steuerprivilegien erlassen, die nur Reiche und Superreiche in Anspruch nehmen können. Kapital und Einkünfte aus Kapital wurden immer niedriger besteuert, während Einkünfte aus Arbeit und der Konsum immer höher belastet wurden. Zwar wurde der Spitzensteuersatz gesenkt, aber dafür die Progression niemals angepasst, sprich der Anstieg des Steuersatzes in Abhängigkeit vom zu versteuernden Einkommen. Heute ist der Spitzensteuersatz für hohe Einkommen mit 42 Prozent sehr niedrig, wird aber viel zu früh erhoben, in der Praxis schon für zu versteuernde Einkommen ab knapp 58000 Euro.
Das heißt, dass bereits Normalverdiener den Spitzensteuersatz zahlen müssen, während sehr viel größere Einkünfte nur knapp höher besteuert werden. Kurzum: Unser Steuersystem betreibt eine Umverteilung von unten nach oben und der Normalverdiener ächzt unter der kalten Progression und den hohen Verbrauchssteuern.
Welcher Steuersatz wäre denn aus Ihrer Sicht für Menschen wie Sie angemessen?
Zunächst einmal geht es darum, dass die Reichen generell wieder Steuern zahlen, was sie de facto fast nicht mehr tun. Unter Millionären und Milliardären ist es komplett selbstverständlich geworden, Steuern zu hinterziehen, zu tricksen und zu täuschen und es ist leider größtenteils auch noch legal. Das Vermögen der Reichsten ist zu ungefähr 30 Prozent in Steuersümpfen geparkt. Wir reden hier über Billionen von Euro, die dem Staat und der Gemeinschaft komplett entzogen sind.
Aber konkret: Was schlagen Sie vor? Wie stellen Sie sich die Besteuerung in Deutschland konkret vor?
Wie bereits gesagt werden hierzulande Vermögenswerte so gut wie gar nicht besteuert. Die Vermögenssteuer ist ausgesetzt und die Erbschaftssteuer so weit ausgehöhlt, dass große Erbschaften faktisch steuerfrei übergeben werden können. Einkünfte aus Kapital werden ebenfalls nur pauschal besteuert. Erträge aus Immobilienspekulation oder Investitionen in Gold, Bitcoin, Kunst oder Oldtimer sind nach einer Haltefrist steuerfrei. Das müssen wir ändern. Sämtliche Einkünfte, egal ob aus Arbeit oder Kapital, sollten wieder progressiv besteuert werden. Auch ist die Reichensteuer mit 45 Prozent, die erst ab 250000 Euro greift, sehr niedrig. Umgekehrt muss man bereits ab 9745 Euro Jahreseinkommen den ersten Euro versteuern. Jeder weiß, dass davon kein Mensch in Deutschland gut und in Würde leben kann. Warum verschieben wir das nicht in Richtung 20000 oder 30000 Euro und alles, was man davor verdient hat, darf man einfach steuerfrei behalten? Das und ähnliche Dinge ließen sich ganz locker finanzieren, wenn die Millionäre und Milliardäre auch mal richtig Steuern zahlen würden.
Viele Wohlhabende spenden aber ja auch bereits Teile ihres Vermögens oder geben es für sozial und nachhaltig orientierte Investments aus. Haben Sie keine Angst, dass der Staat die zusätzlichen Einnahmen verschwenden könnte?
Wenn man die Mehreinnahmen dazu verwenden würde, bei den unteren Einkommensklassen weniger Steuern zu kassieren, dann hätte der Staat gar nicht mehr Geld zur Verfügung. Man würde nur den Leuten, die das Geld wirklich brauchen, das Leben einfacher machen. Davon abgesehen darf man sich als Gemeinschaft und Staat nicht davon abhängig machen, dass Multimillionäre und Milliardäre gerade Lust haben, ein Kinderkrankenhaus zu spendieren. So funktioniert das nicht. Öffentliche Güter und soziale Sicherheit müssen verlässlich finanziert werden. Eine Zuwendung nach Gusto und Gutsherrenmanier ist zudem nicht demokratisch, sondern abgehoben und elitär. Und vergessen wir nicht, welchen ungesunden Einfluss die großen Vermögen schon heute auf die Politik haben; dieser Einfluss wird auch über Spenden und Zuwendungen ausgeübt.