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Interview mit Nachhaltigkeits-ChefWie die Deutsche Post grüner werden will

Lesezeit 6 Minuten
09.03.2023, Niedersachsen, Hannover: Die Logos von Deutsche Post und DHL leuchten am Morgen auf einem Schild vor einer Zustellbasis.

Die Logos von Deutsche Post und DHL

Als „Head of Sustainability“ der Deutschen Post DHL ist Christoph Hempsch (43) verantwortlich für den Bereich Nachhaltigkeit. Mit Jürgen Polzin spricht er über das Warten auf neue Elektro-Lkw, ein mögliches Umweltlabel auf Paketen und Klimaversprechen.

Herr Hempsch, was verbinden Sie mit dem Begriff Nachhaltigkeit?

Ich persönlich verbinde damit auch ein Stück weit die Generationenfrage: Wie gehen wir mit unserem Planeten und mit seinen Ressourcen um? Und wie lange reichen die eigentlich? Ich habe zwei kleine Kinder. Werden sie ein Leben führen, wie ich es heute kann? Es wird im Rahmen von Nachhaltigkeit und Klimaschutz sehr viel über Technologien gesprochen. Und ich hoffe, dass sie uns nutzen. Aber am Ende wird es wohl nicht ohne Verhaltensänderungen gehen.

Ihr Unternehmen hat 2022 in Deutschland mehr als sechs Millionen Pakete pro Werktag befördert und weltweit einen Ausstoß von über 36 Millionen Tonnen CO2 verursacht. Wie wollen Sie das Geschäftsmodell umweltverträglicher machen?

Momentan kommen etwa 70 Prozent unserer konzernweiten Emissionen aus der Luftfracht, etwa 20 Prozent aus dem Straßentransport. Auf Deutschland beziehungsweise den Post- und Paketbereich entfällt dabei nur ein geringer Anteil. Dennoch: Unser Geschäftsmodell ist noch nicht komplett nachhaltig, aber man könnte natürlich auch kritisch fragen: Ist denn der Konsum der Waren, die sich in den Paketen befinden, nachhaltig? Unser Ziel ist: Wir leisten unseren Beitrag, indem wir versuchen, die Pakete so nachhaltig wie möglich durch Deutschland zu transportieren.

Ein Postbote verteilt Briefe in der historischen Innenstadt von Lüneburg.

Klassisch per Rad: Ein Postbote verteilt Briefe in der historischen Innenstadt von Lüneburg.

Wo fällt das am schwersten?

Die größte Herausforderung für den Konzern ist, die Frachtflugzeuge mit geringeren Emissionen fliegen zu lassen. Da gibt es bisher noch nicht so viele technische Lösungen. Wir haben bei einem Start-up die ersten Elektro-Flugzeuge bestellt, aber das sind kleine Flugzeuge für geringere Lasten. Im Prinzip bleiben uns nur Treibstoffe aus nichtfossilen Quellen, die etwa mit biologischen Materialien oder zukünftig aus Wasserstoff entstehen sollen. Noch aber gibt es nur geringe Produktionskapazitäten, die Kraftstoffe sind sehr teuer. Wir haben uns verpflichtet, große Mengen zu kaufen, damit die Produzenten ihre Kapazitäten ausbauen und so die Kosten sinken können.

Bis zum Jahr 2050 will Ihr Unternehmen alle logistikbezogenen Emissionen auf netto null reduzieren. Wie wollen Sie das im Straßentransport schaffen?

In der Zustellung in Deutschland setzen wir inzwischen über 23000 Elektro-Transporter ein, das ist mehr als ein Drittel unserer Zustellfahrzeuge. Dazu kommen dann noch mal fast 20000 Zustellbezirke, wo gar kein Auto eingesetzt wird, sondern Fahrräder beziehungsweise E-Bikes und E-Trikes. Wir kaufen jedes Jahr 6000 weitere Elektroautos hinzu und mustern im gleichen Umfang Dieselautos aus. Unsere größte Herausforderung aber ist der überregionale Transport mit Lkw.

Dort entsteht der Großteil der Emissionen. Wie lange, glauben Sie, wird es dauern, diesen Teil der Flotte zu erneuern?

Wir haben jetzt die ersten 13 Elektro-Lkw im Einsatz. Es ist also noch ein langer Weg. Doch alle großen Hersteller arbeiten intensiv an der Entwicklung von Batterien und Fahrzeugen für die Langstrecke. Die ersten davon werden in diesem Jahr schon in Serie kommen, aber eben noch nicht über alle Fahrzeugsegmente. Ich persönlich glaube, dass da in den nächsten zwei, drei Jahren sehr viel Bewegung ins Thema kommen wird. Doch auch hier wird sich die Frage nach Produktionskapazitäten und Preisen stellen. Und was ein weiteres Problem ist: Es gibt zurzeit nur sehr, sehr wenige öffentliche Strom-Ladesäulen, die für Lkw geeignet sind. Ebenso fehlen Tankstellen, an denen man Lkw mit Gas oder gar mit Biogas betanken kann.

Warum verlagern Sie nicht mehr Paket-Transporte auf die Schiene?

Jede Woche fahren zwischen 50 und 60 ganze Züge mit Paketen durch Deutschland, das sind etwa sechs Prozent unserer Transporte. Das hört sich erst einmal nicht nach viel an, bedeutet aber rund 120 Millionen Pakete pro Jahr auf der Schiene – weit mehr als jeder andere Paketdienstleister über diesen Weg transportiert. Diese Züge fahren zum Teil am Wochenende, wo es ein Lkw-Fahrverbot am Sonntag gibt und wir keinen Laufzeitverlust haben. Die Züge fahren aber zu einem großen Teil auch unter der Woche, jeden Tag. Teilweise transportieren wir damit Pakete, die es auch mit dem Lkw über Nacht nicht geschafft hätten.

Trotzdem ist die Gesamtmenge der Pakete in Zügen vergleichsweise klein. Zweifeln Sie an der Pünktlichkeit der Bahn?

Die größte Herausforderung ist eigentlich eine betriebliche, denn so ein Zug fasst 50 bis 70 Container, deren Verladung auf die Bahn drei Stunden dauert. Und es vergeht noch mal Zeit für die Kontrolle der Züge durch die Bahn vor der Abfahrt. Da geht dann tatsächlich noch ein Mensch von Wagen zu Wagen, um zu gucken, ob die Kupplungen wirklich fest sind. Das heißt, Sie verlieren gegenüber dem Lkw drei bis vier Stunden, in denen der Zug gar nicht in Bewegung ist. Und das erklärt dann auch, warum wir die Bahn eben nur auf den wirklich langen Strecken in Deutschland einsetzen, etwa von Hamburg nach München.

Wie viel Gramm CO2 verursacht durchschnittlich der Transport eines Pakets in Deutschland?

Zwischen 400 und 500 Gramm.

Die Deutsche Post schlägt vor, dass jeder Paketdienstleister künftig den CO2-Ausstoß seiner Sendung angeben muss. Lässt sich das nicht leicht fordern, wenn Sie weiter sind als Ihre Wettbewerber?

Natürlich haben wir das Gefühl, dass wir die Nase vorn haben, was das Thema Vermeidung von Emissionen angeht, weil wir wissen, wie viel wir da in den letzten Jahren investiert haben und noch investieren werden. Was ich aber spannender finde ist, dass Verbraucher anhand dieser Angabe die Entscheidung treffen könnten, eine Ware im Internet zu bestellen oder mit dem Auto zum Geschäft zu fahren, um sie dort zu kaufen. Sie können wahrscheinlich nur fünf bis zehn Kilometer mit ihrem Auto fahren und haben schon mehr Emissionen verursacht, als wenn sie ein Paket empfangen.

Wie können Verbraucher in Deutschland denn eigentlich sicher sein, dass die Angaben auf den Paketen vergleichbar sind?

Diese Transparenz ist natürlich nur möglich, wenn alle auf die gleiche Art und Weise messen und nicht irgendjemand einen Teil der Emissionen unter den Tisch kehrt. Sonst ist der Verbraucher nicht mehr in der Lage, das auseinanderzuhalten. Einheitliche Standards für die Erhebung der Emissionen sind da zwingende Voraussetzung.

Verschiedene Unternehmen, auch ihres, sind kritisiert worden, Begriffe wie „klimaneutral“ missbräuchlich zu verwenden. Die Deutsche Post nennt einige Dienstleistungen nur noch „klimafreundlich“. Warum?

Wie bieten seit inzwischen fast 15 Jahren den Service GoGreen an. Dabei erheben wir, wie viele Emissionen beim Transport der Sendung entstehen und investieren in Klimaschutzprojekte weltweit, um diese Emissionen an anderer Stelle auszugleichen. Wir investieren ausschließlich in Technologie-getriebene Projekte, etwa in ein Biogas-Kraftwerk in Vietnam. Diese Projekte müssen nach dem Goldstandard zertifiziert sein und somit strenge und nachprüfbare Kriterien erfüllen. Den Ausgleich von Emissionen haben wir jahrelang als klimaneutral bezeichnet, auch wenn tatsächlich Emissionen entstanden sind. Wir verstehen aber, dass die Bezeichnung irreführend sein kann. Inzwischen findet man auf den Briefumschlägen oder Paketen in der Regel die Aufschrift „klimafreundlicher Versand“. Für Privatkunden ist das im Brief- beziehungsweise Paketpreis inklusive.

Für den neuen Service GoGreen Plus müssen Ihre Kunden 3,79 Euro im Jahr bezahlen, wenn sie Sendungen klimaneutral empfangen wollen. Worin besteht der Unterschied?

Bei GoGreen Plus investieren wir die Einnahmen in Projekte in unserem Betrieb in Deutschland, um somit Emissionen zu vermeiden, bevor sie überhaupt entstehen. Beispielsweise investieren wir in Lkw, die mit Biogas angetrieben werden. Wir glauben weiterhin, dass das Ausgleichen von Emissionen eine gute Idee ist, wenn man bei den Klimaschutzprojekten die besten Standards ansetzt. Aber letztlich ist es nur ein Pflaster über eine Wunde, die man nicht schließen konnte. Unser erstes Ziel ist es, Emissionen zu vermeiden. Und das tun wir mit GoGreen Plus.