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Interview mit Vermögensforscher„Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Vermögen und Glück“

Lesezeit 5 Minuten
Euro-Geldscheine mit unterschiedlichen Werten liegen aufeinander.

Macht Geld glücklich? Wir haben einen Vermögensforscher befragt.

Thomas Druyen forscht zum Leben und zur Psyche der Superreichen. Im Interview mit Stefanie Witte erklärt der Soziologe, wie Zufriedenheit, Glück und Reichtum zusammenhängen und wie groß die Chancen sind, auch als Angestellter reich zu werden.

Professor Druyen, ab welchem Betrag auf dem Konto kann man sich denn aus psychologischer Sicht entspannt zurücklehnen?

Da muss man unterscheiden zwischen dem Grad der Zufriedenheit und der Vorstellung von Reichtum. Die Zufriedenheit ist sehr gut erforscht: Demnach ist der Mensch bei einem Jahreseinkommen von 70000 bis 100000 Dollar brutto zufrieden. Wichtig ist: Da geht es nicht um Millionen oder Milliarden. Es geht vielmehr darum, seinen Alltag und seine Zukunft abgesichert zu wissen. Reichtum wiederum hängt von Kultur und Region ab. 100000 Euro in Deutschland hören sich für viele Vermögende sehr gering an. Derselbe Betrag wäre in Nigeria schon eine Millionärsexistenz. Zufriedenheit ist messbar. Glück und Reichtum sind es nicht.

Wie reich kann man als normaler Angestellter werden?

Die absoluten Topverdiener – etwa Vorstandsvorsitzende eines Konzerns – bekommen zwar Millionen. Sie sind aber nie vergleichbar mit einem Elon Musk oder Jeff Bezos, die Milliarden haben. Normales Einkommen endet in der Regel bei um die zehntausend Euro im Monat – und das betrifft nur einen winzigen Bruchteil der Bevölkerung. Wenn ich davon etwas zur Seite lege, hinke ich dennoch Menschen hinterher, die Millionen oder Milliarden investieren können. Geld verdient man heutzutage leichter, indem man Geld investieren kann.

Macht ein großes Vermögen zufriedener als hohes Einkommen?

Dazu gibt es bislang keine weltweit gültigen Statistiken. Die Klientel der Superreichen ist nur schwer erfassbar. Die meisten von ihnen stehen für Interviews nicht bereit. Aus 25 Jahren Praxiserfahrung, in denen ich Multimillionäre und Milliardäre interviewe, kann ich sagen, dass es keinen solchen Zusammenhang zwischen Vermögen und Glück gibt. Man ist nicht glücklicher, je reicher man ist. Auch da kommt es wieder auf die Kultur an. In Deutschland haben die Leute desto mehr Angst, Vermögen zu verlieren, je mehr sie besitzen.

Laut Statistik ist es wahrscheinlich, dass mehr als die Hälfte der Erben das Vermögen ihrer Vorfahren nicht erhalten können. Ist es angesichts dieses Drucks nicht einfacher, nicht reich zu sein?

Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen dem tagträumerischen Wunsch, reich zu sein, und den Implikationen echten Vermögens. Da würden die meisten schon wieder abwinken. In den meisten Fällen bedeutet das nämlich, dass man mehr als zwölf oder vierzehn Stunden pro Tag arbeitet. Und natürlich ist die Gefahr groß, etwas zu verlieren. Jeder Mensch würde ja erst mal sagen, dass es erstrebenswert sei, reich zu sein. Sonst würden nicht so viele Leute Lotto spielen. Aber auch da verlieren mehr als 70 Prozent der Millionäre ihre Millionen nach drei bis vier Jahren wieder. Geld wird nur erheblich mehr, wenn man es arbeiten lassen kann. Ansonsten braucht man es einfach auf.


Zur Person

Thomas Druyen leitet seit 2009 das Institut für Vergleichende Vermögenskultur und Vermögenspsychologie an der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien. Der 65-Jährige stammt aus Süchteln und lebt in Düsseldorf.


Ist es mit Blick auf Zufriedenheit ein Unterschied, ob ich in vermögenden Verhältnissen aufgewachsen bin oder mir Reichtum selbst erarbeitet habe?

Mit Vermögen aufgewachsen zu sein bringt Vorteile mit sich: Bildung, Netzwerke zum Beispiel. Ein schwerwiegender Nachteil ist, dass man den absoluten Willen, die intrinsische Motivation, die Obsession eines Menschen, der etwas neu aufbaut, in der Regel nicht hat. Bei den meisten ist ein gewisser Verwöhnungsgrad zu beobachten, den Start-upper noch nicht haben.

Wie stehen denn die Chancen heutzutage, reich zu werden, wenn man nicht gerade erbt?

Die Chance, reich zu werden, war nie so groß wie heute. Wer früher reich werden wollte, musste ein Unternehmen aufbauen und zum Beispiel ein großes Handelsimperium oder eine Privatbank führen oder Reeder sein. Heute kann man eine Software erdenken, wie Facebook, und diese dann, noch bevor sie Gewinn macht, für 300 Millionen Dollar verkaufen. Selbst in vermeintlich armen Ländern kann jemand eine neue Technologie entwickeln und damit reich werden; das war früher nicht möglich.

Laut einer amerikanischen Studie sind viele Reiche zufrieden aufgrund ihres Status und weniger Vermögende aufgrund sozialer Beziehungen. Sind die vergleichsweise Ärmeren dann den Reicheren nicht in puncto Zufriedenheit überlegen?

Das soziale Miteinander, Freundschaften und gegenseitige Unterstützung schaffen eine viel höhere soziale und emotionale Zufriedenheit. Das stimmt, und das gilt meiner Ansicht nach weltweit. Der Stolz auf den Status ist dagegen etwas Amerikanisches. In Deutschland versuchen sich viele Reiche eher ein wenig zu verstecken. Vermögende Menschen werden hierzulande häufig noch kritisch gesehen. Das spiegelt sich in den Medien wider: Es gibt ein paar Reiche, die in der Öffentlichkeit vorkommen, Dirk Rossmann zum Beispiel. Aber die meisten wird man nicht zu Gesicht bekommen. Bei den Jüngeren verändert sich das etwas.

Welche Unterschiede gibt es denn zwischen den Generationen?

Nehmen wir mal beispielhaft die 60-Jährigen und 30-Jährige. Letztere haben eigene Ideen, wie man mit Geld umgehen kann. Wenn sie dann in Verantwortung kommen, lässt sich aber beobachten, wie sie teils eher konservative Ansichten ihrer Eltern übernehmen. Die haben Banker, Notare, Unternehmensberater um sich herum. Da ist es nicht ganz leicht, Grundlegendes zu verändern. Es gibt aber auch die ganz junge Generation – die 15- bis 20-Jährige, deren Gehirne ganz anders funktionieren als die ihrer Vorfahren. Die sind mit Smartphones und Virtual Reality groß geworden. Deren Horizont ist viel weiter, viel technikgetriebener. Die Enkel haben immer noch eine große Empathie für ihre Großeltern. Aber die Lebensrealitäten unterscheiden sich immer mehr und damit die Werthaltungen.

Inwiefern?

Jüngere Reiche überzeugt die Politik überhaupt nicht mehr. Die Klimafrage ist das beste Beispiel, ebenso der demografische Wandel. Wir sind nicht darauf vorbereitet, dass jetzt 19 Millionen Babyboomer in Rente gehen, obwohl wir das lange wussten. Gleiches gilt für Gesundheitssysteme. Wir handeln in Deutschland postreaktiv, nicht präventiv. Ältere Generationen haben große Probleme damit, nein zu sagen, wenn das monetäre Einbußen bedeutet. Ein Investment in die Zukunft, deren Rendite man nicht kennt, läuft unserer Haltung in Deutschland zuwider. Das werden jüngere Generationen voraussichtlich anders handhaben.