Seit 1975 hat Toyota seine Deutschland-Zentrale in Köln. Hier arbeiten 1300 Beschäftigte, weil etwa europäische Hauptquartiere zugezogen sind. Über Modelle und Wachstumschancen sprachen Ralf Arenz und Tobias Wolff mit Deutschland-Chef André Schmidt.
Interview mit Toyota-Chef„Wir wollen möglichst viele Kunden zu alternativen Antrieben bringen“
Herr Schmidt, Toyota ist Mobilitätspartner der Olympischen und der Paralympischen Spiele und stellt 500 Brennstoffzellen-Autos des Modells Mirai zur Verfügung. Das wird auffallen. Ansonsten sieht man den Wagen nicht so häufig aus den Straßen.
Die Brennstoffzellen von Toyota treiben nicht nur den Mirai an. Diese finden Sie beispielsweise auch in unseren Bussen unter der Marke Caetano-Toyota Bus. Ein solcher Bus läuft bald auch im Testbetrieb am Flughafen Köln/Bonn. Über diese Busse und weitere Einsätze im Bereich des Lastverkehrs entsteht auch ein dichteres Tankstellennetz. Wir hatten gleich zu Anfang die Mirai-Patente freigegeben und andere Hersteller eingeladen, ebenfalls auf diesem Feld zu investieren. Aufgrund der EU-Regulierung mit Anreizen für die Elektromobilität haben allerdings viele eher darauf gesetzt. Es ist eine Herausforderung, ein Geschäftsmodell für Wasserstoff-Tankstellen zu entwickeln, an dem nur Brennstoffzellen-Pkw getankt werden. Wir sehen aber, dass wir rund um bestehende Tankstellen-Infrastruktur viele Mirai Kunden gewinnen können. Immerhin haben wir in Deutschland schon rund 100 Wasserstoff-Tankstellen.
Wo sehen Sie die Vorteile der Brennstoffzelle?
Sie spielt ihre Vorteile besonders bei Langstreckenfahrten oder anderer intensiver Nutzung aus. In Berlin haben wir eine Kooperation mit Uber, bei der rund 200 Mirai als Taxen bereits eine Million Kilometer ohne Probleme gelaufen sind. Wasserstoff in Brennstoffzellen treibt auch Züge oder Schiffe an. Ohne Wasserstoff, der beispielsweise als Speichermedium für überschüssigen Windstrom genutzt werden, als Bindeglied werden wir in Deutschland die Energie- und Mobilitätswende nicht schaffen.
Toyota und Lexus haben eine breite Palette an Hybrid-Fahrzeuge im Angebot
Wir verfolgen einen Multitech-Ansatz mit dem Ziel möglichst viele Kunden zu den alternativen Antrieben zu bringen. Nur mit E-Autos, wird es viel zu lange dauern, bis der Sektor klimaneutral ist. Und es wird Regionen geben, in denen so schnell keine Ladeinfrastruktur aufgebaut ist. Hier werden Hybrid-Autos genutzt werden, die überwiegend elektrisch fahren können oder auch durch die Rückgewinnung von Energie beim Bremsen den Verbrauch von fossilem Kraftstoff reduzieren. Auch klimaneutrale E-Fuels haben ihre Berechtigung. 2045 wird es noch viele ältere Verbrennungsmotoren auf den Straßen geben, die dekarbonisiert werden müssen.
Toyota hat eine sehr breite Modellpalette. Warum machen Sie das?
Als globaler Hersteller denken wir an die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse weltweit. Viele Autobauer streichen das A-Segment der Kleinwagen aus dem Programm, weil es sich angeblich nicht rechnet. Wir haben den Aygo als Cross-Modell neu aufgelegt zum Einstiegspreis von rund 16.000 Euro. Das ist ein Preis für diejenigen, die ein begrenztes Budget für Mobilität haben. Vor Kurzem haben wir den neuen Land Cruiser vorgestellt. Forstbetriebe oder Energieunternehmen brauchen Fahrzeuge mit Eigenschaften wie Geländegängigkeit und Bodenfreiheit. In Afrika beispielsweise ist dieser Wagen besonders wichtig für die die medizinische Versorgung in entlegenen Gebieten
Eine breite Modellpalette kostet aber Geld.
Der Konzern rechnet sehr genau, was in welchem Rahmen profitabel hergestellt werden kann. Den Aygo produzieren wir etwa in unserem Werk in Tschechien, also lokal in Europa. Unser Pickup Toyota Hilux, den Sie hier etwa auf Baustellen sehen, entsteht weltweit in zehn Werken. Da nutzen wir Größenvorteile bei der Produktion. Bei der Elektromobilität funktioniert das allerdings nicht, weil die Rohmaterialien der Batterie teuer sind und die Kosten treiben. Meiner Meinung nach bleibt das auch die nächsten 10 Jahre noch so. Deshalb ist es schwierig ein batterie-elektrisches Fahrzeug im Kleinwagenbereich anzubieten, das sich die Kunden leisten können und das auch noch profitabel ist.
Sie streben das aber an.
Ja, wir ziehen dafür alle Register. In den neuen Fabriken, in denen die E-Autos gebaut werden, wird es keine Fließbänder mehr geben. Die Chassis fahren autonom durch die Fabriken. Dadurch können die Fabriken deutlich kompakter werden. Dadurch und durch Modulfertigungen sinken die Kosten.
Toyota hat ein reines E-Auto im Angebot und dem mit bz4X einen Namen gegeben, der nicht sehr eingängig ist. Warum?
Wir haben mit dem Mirai das Konzept „beyond zero“ gestartet. Denn durch die Brennstoffzelle wird die Umgebungsluft sehr gründlich gereinigt und verlässt das Fahrzeug wieder sauberer als vorher. Besser als Null-Emission also. Das erklärt die Buchstaben b und z. Die 4 steht für die Fahrzeuggröße und das X für den Fahrzeugtyp Crossover. Vielleicht ist so eine Zusammensetzung zunächst ungewöhnlich. Wenn es aber einmal einen bz2 oder bz5 gibt, wird sich die Bezeichnung einspielen. Eine ähnliche Systematik haben auch andere Hersteller.
Fühlt sich Toyota mit einem Marktanteil in Deutschland von 2,8 Prozent beziehungsweise rund drei Prozent mit Lexus wohl?
Der deutsche Markt ist der härteste Markt in Europa mit vielen Kunden, die die Fahrzeuge der deutschen Premiummarken kaufen. Diese haben hier ein Volumen wie in anderen Ländern die Volumenhersteller. Da bleibt weniger für die internationalen Hersteller übrig. Mit einem Anteil von drei Prozent kommen wir in normalen Jahren auf etwa 100.000 Neuzulassungen in Deutschland pro Jahr. Das streben wir an, damit wir und auch unser Händlernetz die kritische Masse im Service-Bereich und zur Kundenbindung haben. In einzelnen Segmenten haben wir höhere Anteile, etwa sechs bis zehn Prozent bei den Kleinwagen. In Europa haben wir einen Marktanteil von 6,8 Prozent und sind die Nummer 2 hinter Volkswagen.
Wo sehen Sie Wachstumschancen?
Chancen sehen wir bei den leichten Nutzfahrzeugen, wo im kommenden Sommer ein Fahrzeug der Klasse mit einem Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen auf den Markt kommt. Andere leichte Nutzfahrzeuge werden überarbeitet. Dann sind wir auch in dem Segment ein Vollsortimenter. Wir werden gerade in dem Segment davon profitieren, qualitativ gute Fahrzeuge zu liefern. Die Zeitschrift "auto, motor und sport" hat den Toyota RAV4 über 100.000 km getestet. Über die gesamte Distanz lief er fehlerfrei und ist damit auf Platz 1.
Ihre Autos sehen europäischer aus als noch vor Jahren. War das Ihr Ziel?
Ja, in Europa verkaufen wir eine Million Fahrzeuge pro Jahr. 80 Prozent davon produzieren wir in Europa in acht Werken. Die Fahrzeuge für Europa werden in unserem Design-Center in Nizza konzipiert, im Forschungs- und Entwicklungszentrum in Brüssel entsteht das Produktionsdesign für die europäischen Fahrzeuge. Das entspricht unserer Regionalisierungsstrategie. Weltweit hat Toyota etwa 90 Modelle. Dabei gibt es vergleichsweise wenige Überlappungen bei den unterschiedlichen regionalen Märkten. In Frankreich, wo der Yaris gefertigt wird, werden wir als lokaler Hersteller wahrgenommen und haben ein entsprechendes Standing. In Deutschland produzieren wir am Standort Köln professionelle Rennfahrzeuge beispielsweise, die Prototypen für Langstreckenrennen, die unter anderem beim 24 Stundenrennen in Le Mans an den Start gehen.
Bleibt es bei der breiten Aufstellung von Toyotas, wenn mehr E-Autos auf den Markt kommen? Geplant sind global in den nächsten Jahren 15 Modelle.
15 Zero-Emission-Fahrzeuge werden es weltweit, in Europa etwas weniger. Es wird Substitutionen geben. Auf einer Plattform können im gleichen Größensegment nicht eine Hybridwelt und eine elektrische Welt gestellt werden. Noch bieten wir die Fahrzeuge aber parallel an.
Hier in Marsdorf haben Sie noch Platz. Planen Sie Erweiterungen?
In Köln arbeiten über 1.000 Mitarbeitende. Wir fühlen uns hier wohl und sind gewachsen, weil beispielsweise bei unserer Mobilitätsmarke Kinto das europäische Hauptquartier nach Köln gekommen ist und stark gewachsen ist. Der bietet etwa Quartiersmobilität, Carsharing oder auch Abo-Modelle an sowie eine Pendler-App, mit der Mitarbeitende eines Unternehmens sich vernetzen können, um Fahrgemeinschaften zu bilden. Größte Abteilung ist der Motorsport, gefolgt von der Bank und unserer Verwaltung. Generell gibt es in der Toyota Allee noch etwas Platz und wir schauen, was wir damit machen können.
Zur Person
2021 rückte André Schmidt an die Spitze von Toyota-Deutschland. Zuvor hatte der Bank- und Diplomkaufmann acht Jahre lang als General Manager Marketing von Toyota in den USA gearbeitet. Davor hatte er das Marketing von Toyota in Europa geleitet und davor die Geschäfte des Autobauers in Schweden. Schmidt ist verheiratet und hat drei Kinder.