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Interview

Fairtrade-Vorständin gibt Auskunft
Bei diesen Produkten greifen Bundesbürger besonders oft zu

Lesezeit 5 Minuten

Eine Auswahl der inzwischen über 8000 fair gehandelten Produkte mit dem Fairtrade-Siegel auf dem deutschen Markt.

Fairtrade in Köln kann sich über einen gestiegenen Umsatz freuen. Im Rundschau-Gespräch gibt sie Auskunft, was die Kunden am liebsten mögen.

Von Bananen bis Wein reicht die Palette fair gehandelter Produkte in Deutschland. Im Angebot sind auch Baumwolle, Gold oder Schnittblumen. Der Umsatz mit diesen Produkten ist im abgelaufenen Jahr weiter gestiegen, wie Fairtrade-Vorständin Claudia Brück im Gespräch mit Ralf Arenz berichtete.

Frau Brück, sind Sie mit dem abgelaufenen Jahr zufrieden?

Jein! Ich bin zufrieden, weil die Umsätze mit Produkten mit dem Fairtrade-Siegel gestiegen sind. 2,6 Milliarden Euro Umsatz bedeuten ein Plus von 8,5 Prozent. Jeder Bundesbürger hat im Durchschnitt etwas mehr als 30 Euro für fair gehandelte Produkte ausgegeben. Wir hätten uns aber einen höheren Absatz gewünscht. Denn von dem Absatz hängen die Prämien ab, die unsere Produzenten erhalten. Aus Deutschland betrugen die im abgelaufenen Jahr immerhin 42 Millionen Euro nach 44 Millionen im Vorjahr. Die Prämien werden in Dollar bezahlt. Wegen Wechselkursveränderungen fällt das Minus bei den Produzenten weniger stark ins Gewicht.

Wie hat sich der Umsatz denn inflationsbereinigt entwickelt?

Real betrug das Plus 1,2 Prozent. Wir spüren schon eine gewisse Kaufzurückhaltung bei den Konsumenten insgesamt. Wer aber Wert auf fairen Handel legt, der ist uns treu geblieben.

Welche Produkte waren besonders gefragt?

Bei Kakao und Trinkschokolade gab es einen Zuwachs beim Absatz von 12 Prozent. Tafelschokolade und Süßwaren haben um elf Prozent zugelegt, Textilien um fünf Prozent. Ein Plus gab es auch bei Wein und Kosmetik.

Dann gab es bei den Rennern aus früheren Jahren ein Minus.

Ja, der Absatz von Kaffee schrumpfte um 3,6 Prozent, der von Bananen um drei Prozent und der von Rosen und anderen Blumen um 3,9 Prozent. Damit sind drei unserer Hauptkategorien im Minus. Mit fairem Kaffee wurden im abgelaufenen Jahr 840 Millionen Umsatz erzielt, mit Kakaobohnen 600 und mit Bananen 230 Millionen.

Bei Kaffee sollte Fairtrade doch vom Anziehen in der Gastronomie nach der Corona-Pandemie profitiert haben.

Das haben wir. Im Supermarktregal hatte fairer Kaffee es aber schwer. 80 Prozent des Kaffees wird dort zu Angebotspreisen verkauft. Da tun sich die Verbraucher schwer, mehr als fünf Euro für ein Pfund Kaffee zu bezahlen. Sie haben Preisschwellen im Kopf. In Cafés bezahlen sie aber auch drei bis fünf Euro für einen Becher Kaffee. Im vierten Quartal des abgelaufenen Jahres und im ersten des laufenden Jahres sind die Absätze aber gestiegen. Wir schauen deshalb zuversichtlich nach vorn. Zumal der Preisunterschied zwischen konventionellem Kaffee und fair gehandelten kleiner wird. Nach Abverkäufen im abgelaufenen Jahr ziehen die Weltmarktpreise für Kaffee gerade an.

In der EU ist das Lieferkettengesetz verabschiedet worden. Ist das ein Grund zur Freude für Sie?

Ja. Freiwillige Vereinbarungen, um Sorgfaltspflichten zu Menschenrechten im globalen Süden einzuhalten und Verstöße zu ahnden, waren nicht erfolgreich. Da hat das deutsche Lieferkettengesetz schon geholfen. Ich bin aber sehr für europäische Regelungen, die insgesamt den Schutz erhöhen sollten.

Was muss denn noch besser werden aus Ihrer Sicht?

Wir müssen an der Umsetzung arbeiten. Die Berichtspflichten müssen etwa vereinfacht werden. Jedenfalls kann nicht erwartet werden, dass die kleinbäuerlichen Produzentinnen und Produzenten die Anforderungen der Richtlinie allein bewältigen.

Bringen Lieferkettengesetze Sie weiter auf dem Weg zu existenzsichernden Einkünfte für Produzenten und Löhne?

Das hoffen wir. Wir arbeiten jedenfalls seit Jahren daran. Die Lage ist dabei von Land zu Land und von Produktgruppe zu Produktgruppe unterschiedlich. Wenn wir den Markt für Bananen beobachten, sehen wir ein steigendes Bewusstsein für höhere Löhne. In Ländern wie Kolumbien und Ecuador erreicht man teilweise existenzsichernde Löhne, die nicht nur die Kosten für Grundbedürfnisse wie Lebensmittel, Wasser und Unterkunft abdeckt, sondern auch Ausgaben für Bildung, medizinische Versorgung, Beförderungsmittel, Kleidung sowie Rücklagen für Notsituationen. In der Dominikanischen Republik ist die Diskrepanz dagegen groß. Und bei Blumen werden teils noch nicht einmal Löhne auf Höhe der extremen Armutsgrenze von 2,15 US-Dollar pro Tag gezahlt.

Locken die Fairtrade-Prämien neue Produzenten an?

Wir haben weltweit bereits etwa zwei Millionen Produzentinnen und Produzenten und bekommen weiter Anfragen zur Zertifizierung. Wir weisen die Produzentinnen und Produzenten zunächst darauf hin, dass sie einen Markt für ihre Produkte brauchen – außerhalb von Fairtrade. Auch wer zertifiziert ist, kann im Schnitt nicht alle Produkte innerhalb von Fairtrade verkaufen. Wenn wir Produzentinnen und Produzenten ohne Markt aufnehmen, sorgt das für ungewollten Erwartungsdruck.

Prämien zahlen Sie auch, um den Umweltschutz voranzubringen. Gerade Ihre Hauptprodukte Kaffee und Kakao haben es schwer in Zeiten des Klimawandels.

Ja, die Erträge sinken bereits. Wir fördern gemäß ökonomischer, sozialer und ökologischen Kriterien. Nach unseren Richtlinien durften die Produzentinnen und Produzenten nur noch Kaffee und Kakao von Flächen verkaufen, für die seit 2014 kein Wald geschädigt wurde. Wir beraten die Partner zu den Themen Schattenanbau, Wassersystemen oder diverser Produktion. Das Ziel dabei ist die Herstellung eines kühleren Mikroklimas, so dass unsere Partner Kaffee oder Kakao auch noch in 30 oder 40 Jahren anbauen können. Wir haben auch gerade einen Fonds aufgelegt mit einem Volumen von 1,9 Millionen Euro für kleine Firmen sowie Produzentinnen und Produzenten, mit denen sie unter anderem Klimaanpassungsmaßnahmen durchführen können.


Fairtrade Deutschland

Claudia Brück startete nach journalistischer Tätigkeit 1999 bei dem noch TransFair genannten Verein. 2012 wurde sie stellvertretende Geschäftsführerin, 2015 stellvertretende Vorstandsvorsitzende. Seit 2022 stellt sie mit Detlev Grimmelt und Katja Carson den dreiköpfigen Vorstand. Sie ist unter anderem verantwortlich für die strategische Kommunikation.

Fairtrade-Deutschland, die deutsche Mitgliedsorganisation von Fairtrade International, wurde 1992 in Köln gegründet. Die Organisation mit 70 Mitarbeitenden vergibt das Fairtrade-Siegel. Alle Akteure entlang der Lieferkette werden kontrolliert und zertifiziert. Bauern erhalten Mindestpreise, die nachhaltiges Wirtschaften ermöglichen, und Prämien, die sie für Fortbildungen, Investitionen ins Geschäft oder soziale Projekte nutzen können.